In letzter Zeit wurde zwar mehrfach thematisiert, dass die achtlos weggeschütteten Medikamtenrückstände auch in Klärwerken und Flüssen landen. Aber nicht nur dort sind sie nachweisbar, wenn Forscher Proben entnehmen. Sie landen auch im sächsischen Grundwasser. Ein Thema, mit dem sich jetzt der Landtagsabgeordnete der Grünen, Volkmar Zschocke, beschäftigt hat. Und Sachsens Sozialministerin kann ihm keine Entwarnung geben. Im Gegenteil.

„Jedes Jahr gelangen viele Tonnen Arzneimittel und Pestizide ins Abwasser. Trotz Klärung gelangt ein Teil davon ins Grundwasser, selbst im Trinkwasser verbleiben Rückstände. In etlichen Bundesländern haben Medikamentenrückstände und Hormone im aufbereiteten Wasser bedenkliche Konzentrationen erreicht“, stellte Zschocke fest.

Und eigentlich ist die sächsische Staatsregierung spätestens seit 2001 für das Thema sensibilisiert. Damals fassten die Umweltminister den Beschluss, auch Arzneimittel in die Untersuchungen von Grundwasserkörpern, Gewässer und Trinkwasser aufzunehmen. Da gab es schon die ersten großen Mediengeschichten über den Eintrag von Medikamenten in unsere Umwelt.

Seitdem ist eine Menge Zeit vergangen. 2011 hatte Sachsen extra noch einmal einen Untersuchungsbericht zu den sächsischen Gewässern in Auftrag gegeben, der die hochgradige Belastung gerade der großen Fließgewässer mit bestimmten Medikamenten bestätigte. Auch die Weiße Elster gehört dazu, genauso wie Mulde und Elbe. Was seinen Grund auch darin hat, dass bislang noch kein sächsisches Klärwerk eine vierte Klärstufe mit Aktivkohle besitzt, die auch diese Rückstände noch aus den Abwässern herausfiltern könnte.

Oder mal so formuliert: Das Zeug, das die Sachsen fahrlässig in die Toilette oder ins Waschbecken kippen, landet irgendwann so im Fluss und wirkt da natürlich weiter, sonst wäre es ja kein wirksames Medikament. Fische, Wasserpflanzen, Krebse und Muscheln werden entweder im Wachstum beeinträchtigt oder können überhaupt nicht mehr in der Brühe überleben.

Und das ist leider auch nur ein Teil der Geschichte, denn über die natürlichen Fließgewässer sickern diese Medikamentenrückstände auch ins Grundwasser. Und da aus den Grundwasserkörpern vielerorts das Trinkwasser der Sachsen gewonnen wird, wird das Ganze zu einem recht gefährlichen Kreislauf, verstärkt durch die Tatsache, dass in Sachsen Trinkwasser noch keineswegs systematisch auf Medikamentenspuren beprobt wird. Deswegen kann Sozialministerin Barbara Klepsch dazu auch keine Zahlen ausliefern, auch wenn Volkmar Zschocke aus gutem Grund danach gefragt hat.

Wozu freilich Zahlen vorliegen, das sind die Grundwasserkörper. Denn diese werden an über 300 Stellen im Landesgebiet regelmäßig auf eine ganze Palette von Rückständen beprobt. Der bekannteste ist ja das Nitrat aus der Überdüngung der sächsischen Landwirtschaft.

Das taucht ja bekanntlich in einem großen Teil des Landes überall in mehr oder weniger hohen Dosierungen auf – nämlich vor allem in landwirtschaftlich genutzten Gebieten.

So ein Auftauchen von Medikamentenrückständen würde man eigentlich nicht erwarten.

Aber die lange Liste, die Barbara Klepsch mitliefert, zeigt, dass gerade häufig genutzte Medikamente auch besonders oft im Grundwasser nachgewiesen werden können.

Seit 2002 wird das Antikonvulsivum Carbamazepin an allen Messstellen beprobt und wurde schon 752 Mal nachgewiesen.

Das ist tatsächlich der höchste nachgewiesene Wert.

Aber so wie es die Bundesregierung für das ganze Bundesgebiet festgestellt hat, taucht auch in sächsischen Grundwasserkörpern das Analgetikum Diclofenac in 181 Proben auf, also (da nur halb so viele Messstellen genutzt werden) ebenfalls sehr häufig.

Ebenso auffällig ist das Antikonvulsivum Primidon mit 352 Nachweisen, das Analgetikum Propyphenazon mit 113 Nachweisen oder das Röntgenkontrastmittel Amidotrizoat mit 103 Nachweisen. Das deutet darauf hin, dass auch in sächsischen Arztpraxen, in denen mit Röntgengeräten gearbeitet wird, nicht wirklich bewusst mit solchen Rückständen umgegangen wird.

Und dann stolpert man noch über den Zusatzstoff Acesulfam, der erst seit 2014 beprobt wird, aber schon 224 Mal nachgewiesen wurde.

Das ist ein Süßstoff, der häufig auch als Zuckerersatz in Lebensmitteln verwendet wird. Wikipedia schreibt dazu: „Acesulfam-K wird vom Körper größtenteils unverändert wieder ausgeschieden und auch in Kläranlagen nur zum Teil abgebaut. Dadurch gelangt die Substanz in großen Mengen in Flüsse und Seen, wo sie ubiquitär nachgewiesen werden kann. Konzentrationen in Oberflächengewässern reichen bis in den zweistelligen Mikrogramm-pro-Liter-Bereich, in Untersuchungskampagnen mit einer Vielzahl von Zielsubstanzen stellt Acesulfam häufig die Substanz mit den höchsten gemessenen Konzentrationen dar. Sogar im Trinkwasser wurde Acesulfam in Deutschland und einigen anderen Ländern bereits nachgewiesen.“

Es ist also gar keine so gute Idee, den Zucker durch diesen synthetischen Süßstoff zu ersetzen. Das Zeug landet ja doch wieder nur in der Natur. Viel klüger ist es, auf natürliche Süßstoffe (wie Honig oder Obstsäfte) zurückzugreifen oder die Zuckerbeimengung einfach radikal zu verringern. Dann haben auch die anderen Geschmacksnoten im Kuchen wieder eine Chance, herausgeschmeckt zu werden.

Die Nachrichten aus Süddeutschland besagen ja, dass gerade Krankenhausabwässer eigentlich zwingend eine Extra-Behandlung brauchen. Aber während man in einigen süddeutschen Klärwerken schon die vierte Klärstufe eingebaut hat, ist man in Sachsen noch nicht so weit, wie Barbara Klepsch mitteilt: „Krankenhausabwässer werden bei Einleitung in die öffentliche Kanalisation in den Kläranlagen gemeinsam mit dem sonstigen kommunalen Abwasser mechanisch-biologisch behandelt.

Alle großen Kläranlagen im Freistaat Sachsen verfügen darüber hinaus über eine sogenannte 3. Reinigungsstufe, das heißt eine weitergehende Abwasserbehandlung mit gezielter Stickstoff- und Phosphoreliminierung. Spezifische gesetzliche Anforderungen für die Vorbehandlung der Abwässer aus Krankenhäusern bei Einleitung in eine Kanalisation oder für ihre Behandlung bei Einleitung in ein Gewässer gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht.“

Und: „Im Freistaat Sachsen gibt es keine kommunalen Kläranlagen, die für eine gezielte Entfernung von Spurenstoffen ausgerüstet sind.“

Man merkt schon: Auch bei diesem Thema ist die Politik im Schneckentempo.

Bleibt nur der Appell an alle Sachsen, ihre nicht verbrauchten Medikamente eben nicht in die Toilette zu schütten oder in den Restabfall zu geben – auch da landet das Zeug am Ende doch nur im Grundwasser. Der sicherste Weg ist in Leipzig entweder die Direktabgabe am Schadstoffmobil oder in den Leipziger Apotheken. Einige haben den Aufkleber der gemeinsamen Aktion von Ökolöwe und Apotheken am Schaufenster „Altmedikamente zurückgeben“.

UFZ-Forscher erstellen Gutachten zur Einführung einer Arzneimittelabgabe

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