Von Lutz Ferdinand: Verkürzt auf die Zeitungsüberschrift "Eisvogel wird umgesiedelt" lässt das Amt für Stadtgrün und Gewässer, das Amt für Umweltschutz und der verantwortliche Bürgermeister Rosenthal, durch die Presse mitteilen, dass der unbeliebte, störende Eisvogel aus, für den Bootsverkehr wichtigen Gebieten, gedrängt werden soll. Umsiedlung - das kennt man doch, weg mit den Störenfrieden. Nur mit der Natur geht das nicht. Die ist da oder ich beseitige sie, ich lasse sie in Ruhe oder ich verändere sie künstlich.

Es ist erstaunlich, wer dies in der Stadt anstrebt. Ein sogenanntes Amt für Umweltschutz vertritt das Gegenteil seines Namens und seiner Funktion. In Teilen eines zweifachen Schutzgebietes (Fauna-Flora-Habitat und SPA-Vogelschutzgebiet) soll eine ohnehin in Deutschland besonders geschützte Vogelart ausgesiedelt werden. Der Zweck ist die Freigabe eines im südlichen Auwald liegenden, besonders schützenswerten Flussabschnitts für den ungehemmten Bootsverkehr. Dass davon nicht nur diese, sondern auch andere, z. T. wiederum besonders schützenswerte Vogelarten bedroht sind und dass sich ebenso die Flora und Fauna um den Fluss und im Fluss stark vereinfachen wird, spielt bei den amtlichen “Naturschützern” offenbar keine Rolle.

Am Montag, dem 12. Mai fand unter Bürgermeister Rosenthal eine Veranstaltung der beiden o.g. Ämter statt, in der zwei Gutachten vorgestellt wurden. Im Zeitungsartikel der LVZ (14.05.2014 “Eisvogel wird umgesiedelt”) wird die Veranstaltung im Sinne ihrer Aufgabe (Eisvogel raus aus dem Floßgraben) dargestellt. Der Journalist war nicht anwesend, seine Darstellung geht also auf den Text der Presserklärung aus dem Bürgermeisteramt zurück. Die Passage “Bei einer Veranstaltung mit Naturschutz- und Umweltverbänden, … sei dieser Kurs soeben vorgestellt worden” zeigt, dass in der Presseerklärung die Diskussion und die grundsätzlich widersprechenden Wortmeldungen von Teilnehmern unerwähnt blieben. Mit dieser Weglassung soll vorgegaukelt werden, dass sich alle einig gewesen seien. Dabei wurden in der Diskussion eindringliche Bedenken, auch wegen den allgemeineren Schutzanforderungen und des Schutzstatus? des ganzen Gebietes am Floßgraben und nicht nur die von einer Tierart, dem Eisvogel, vorgebracht.

Als versuchte Beruhigung für die Kritiker beim Treffen fiel wie so oft das Wort “Monitoring”, eine in Mehrjahresabständen erfolgende Erfassung von Flora und Fauna im betroffenen Gebiet, die bei festgestellten schweren Beeinträchtigungen eigentlich dazu führen muss, dass die schadensverursachenden Maßnahmen rückgängig gemacht werden. Der Zweifel daran ist nicht bloß berechtigt, sondern man muss aus der gegensätzlichen Erfahrung der letzten Jahrzehnte davon ausgehen, dass dies mit hoher Sicherheit nicht passieren wird. Hinzu kommt, dass ein Rückbau nicht den ursprünglichen Zustand wiederherstellen kann, geschweige denn eine Wiederbesiedlung absichert.

Das erste dargebotene Gutachten unter Dr. Meister stellte den gegenwärtigen und den denkbaren Eisvogelbestand in der Stadt vor und mögliche Maßnahmen, mit denen die vom Eisvogel bisher nicht angenommenen Auwaldbereiche durch künstliche Eingriffe für eine mögliche Brut aufgewertet werden könnten.

Das Gutachten stand unter der Frage: Wie kann man durch Aufbesserung der Umgebung den Eisvogel von selbst aus dem Floßgraben verschwinden lassen? Und nicht unter der Frage: Wie schaffe ich der Leipziger Eisvogelpopulation weitere Brutmöglichkeiten in anderen Gebieten? Von Unabhängigkeit des Gutachtens kann man also nicht sprechen. Das wurde spätestens bei der Erörterung der ohnehin ungeeigneten Flussabschnitte klar, bei denen auch der sehr günstige, weil zur Brut genutzte Floßgraben ganz selbstverständlich und ohne Erklärung gestrichen wurde.

Der Gerechtigkeit halber muss aber auch erwähnt werden, dass er die möglichen künstlichen Maßnahmen in ihrem Erfolg stark einschränkte. Darunter nannte er die nicht sichere Akzeptanz der Brutmöglichkeiten durch die Vögel (und nicht “Brutplätze” wie im Zeitungsartikel!). Ein zweites wichtiges Bedenken wurde angeführt, nämlich, dass derartige künstliche Bauten wegen den erforderlichen Kontrollen, Neuerrichtungen und auch möglichen Fehleinschätzungen immer vom Menschen abhängig bleiben werden und niemals die dauerhafte Sicherheit bieten. Die vorgestellten Lehmwürfel, die man in ein ungeeignetes Ufer einlassen könnte oder die Abstiche von Uferteilen mit dem Spaten zur Schaffung eines Steilufers können auch deshalb bestenfalls als befristete Not- oder Übergangslösung gelten. Langfristig kann diese Form der künstlichen “Landschaftsgestaltung” für den Zweck der Populationserhaltung nicht ernst gemeint sein.

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Die Presseerklärung der beiden Ämter hat den in der Diskussion geäußerten Bedenken und den Einschränkungen, die bereits das Gutachten zum Verschieben der Eisvogelpopulation brachte, keinerlei Beachtung geschenkt. Das Wassertouristische Nutzungskonzept (WTNK) scheint Gesetz geworden zu sein und zwingt die Stadt offenbar zum naturschutzfreien Handeln.

Wie man aber Gesetze möglicherweise unterlaufen kann, hat ein zweites zur Veranstaltung in ausgesprochen lockerer Form vorgetragenes juristisches Gutachten gezeigt. Es wurde erläutert, wie man die Paragraphen unseres Rahmennaturschutzgesetzes für eine naturfremde touristische Erschließung des Auwalds interpretieren und im Sinne des WTNK verwenden könne.

Wollen wir noch ernsthaft hoffen, dass auch in diesen Ämtern der Stadt langsam der Naturschutz in Betracht gezogen wird?

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