Die Handballer des SC DHfK Leipzig mussten am Donnerstag beim deutschen Rekordmeister THW Kiel antreten und wollten in der rappelvollen Ostseehalle vor allem „auf sich selbst“ schauen, wie Trainer André Haber es formulierte. Sie hatten mit dem Schlusspfiff noch einen Siebenmeter erhalten, dessen Ausführung das ganze Bundesligaspiel gut charakterisierte.

Philipp Weber hatte Andreas Wolff im Kieler Kasten mit einer Finte schon verladen, sodass der deutsche Nationaltorwart auf dem Hosenboden saß, doch der Leipziger zögerte dann eine Zehntelsekunde zu lange, die große Chance zu verwandeln, und Andreas Wolff stand blitzschnell wieder auf, um jenen Siebenmeter zu parieren. So blieb’s schließlich beim schmeichelhaften 27:22 (10:10) für den Meisterschaftsanwärter der Förde.

Die Leipziger waren ohne die verletzten Remke, Santos und Vortmann sowie ohne Lukas Binder und Franz Semper zu dem hohen Favoriten gefahren. Dafür waren mit Marc Esche, Julius Meyer-Siebert und Nicolas Neumann gleich mehrere Youngster aus dem eigenen Nachwuchs dabei. „Die Jungs haben sich professionell, wie wir es erwarten, auf dieses Bundesligaspiel vorbereitet und standen deswegen zurecht im Kader“, begründete Karsten Günther das Ganze. „Um unsere sehr kleine Chance zu nutzen, brauchen wir Spieler, welche von der ersten bis zur letzten Minute brennen!“ Aus dieser Sicht ließen die Grün-Weißen keinerlei Zweifel aufkommen.

Die Leipziger erwischten einen tollen Start, sie stellten ein regelrechtes Abwehrbollwerk mit einem phantastischen Milos Putera auf die Platte. Sie schalteten ruckzuck vom defensiven in den offensiven Modus und lagen gleich mehrere Male vorn. 0:1, 1:2, 2:3. Dann hämmerte Aivis Jurdzs die Lederkugel zum zwischenzeitlichen 4:7 ins gegnerische Tor.

Trotzdem konnten die körperkulturellen Handballer den Vorsprung bis zum Seitenwechsel nicht behaupten, weil ihnen im Feuereifer der Begegnung zwei, drei Abspielfehler unterliefen oder Youngster Marc Esche bei seinen schnellen Gegenstößen an Weltklassekeeper Andreas Wolff scheiterte. „Ich habe zwei Mal den gleichen Fehler gemacht. Aber ein drittes Mal sicherlich nicht!“ ärgerte sich Esche selbst.

So schafften die Gastgeber, die einige Europa- und Weltmeister im Team haben, bis zum Seitenwechsel ein schmeichelhaftes 10:10. Der aktuelle Tabellenzweite spielte nach der Pause seine individuellen Vorteile weiter aus. Vor allem Miha Zarabec, ein slowenischer Nationalspieler, schaffte es, die sächsische Abwehr durcheinander zu wirbeln. Prompt lagen die Zebras mit 18:14 beziehungsweise 19:15 Wirkungstreffern vorn.

Doch die Grün-Weißen fighteten und kamen nochmals in die Begegnung zurück. Marc Esche erzielte vier sehenswerte Treffer – teilweise aus einem sehr spitzen Winkel – von der rechten Außenposition. Alen Milosevic rackerte gegen Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek am Kreis. Aivis Jurdzs hämmerte die Nülle zum 20:19-Anschlusstreffer ins Tor. In diesem Augenblick durften die vielleicht 30 grün-weißen Schlachtenbummler unterm Hallendach tatsächlich auf einen Auswärtspunkt hoffen. Doch das verdiente Ausgleichstor sollte nicht mehr fallen.

Denn die Hausherren besaßen die entsprechende individuelle Klasse und größeren Reserven. In den letzten sechs Minuten nutzten sie jeden Fehler der sächsischen Gäste gnadenlos aus. Nach einem Fehlwurf und einem Abspielfehler folgten zwei Kontertore zum vielleicht schon entscheidenden 23:20.

Dann hatten die Leipziger echtes Pech. Eigentlich hatte René Villadsen den folgenden Siebenmeter schon gehalten, doch beförderte die „Nülle“ bei seiner Jubelpose doch noch über die Linie. 24:20. Letztendlich verpasste Philipp Weber, den eingangs beschriebenen Siebenmeter zu verwandeln, und dadurch ein besseres Resultat. Die Grün-Weißen mussten durch das abschließende 27:22 (aus Kieler Sicht) beide Punkte im hohen Norden lassen.

André Haber (Trainer SC DHfK Leipzig):

„Wir hatten uns heute vorgenommen, den vollen Fokus auf uns selbst zu richten und das Beste rauszuholen. Das ist uns in der ersten Halbzeit sehr gut gelungen. Ich glaube, wenn wir da noch etwas besser werfen, gehen wir sogar mit einer Führung in die Pause und deswegen war der Auftritt in der ersten Hälfte für uns ein kleiner Teiltriumph. In die zweite Halbzeit sind wir dann jedoch nicht gut reingekommen und ich musste früh mit einer Auszeit helfen.

Wir haben uns dann wieder stabilisiert, sind nochmal bis auf ein Tor herangekommen und haben zum Schluss den Rückstand erträglich gehalten. Auch wenn heute ein knapperes Ergebnis möglich war, hoffe ich, dass der heutige Auftritt und vor allem die erste Halbzeit für meine Mannschaft eine Motivationsspritze war, für die beiden anstehenden Heimspiele gegen Melsungen und Berlin. Das sind genau die Spiele, wo wir es schaffen müssen, zu Hause auch eine Top-6-Mannschaft in die Bredouille zu bringen.“

Alfred Gíslason (Trainer THW Kiel):

„In der ersten Halbzeit haben wir uns sehr schwergetan. Leipzig hat sehr geduldig gespielt und lange Angriffe vorgetragen. Uns dagegen hat die Geduld gefehlt und unser Tempospiel war sehr schlecht. Gegen die gute Abwehr der Leipziger waren wir zu behäbig. Erst durch die Einwechslung von Miha Zarabec kam mehr Bewegung in unser Spiel und wir konnten bis zur Halbzeit ausgleichen. Miha hat auch in der zweiten Halbzeit sehr gut gespielt und auch Andi Wolff ist dann besser ins Spiel gekommen, dadurch konnten wir das Spiel entschieden. Ich bin froh, dass wir die zwei Punkte hier behalten, denn Leipzig hat sehr gut gespielt, obwohl bei ihnen einige Spieler gefehlt haben.“

THW Kiel gegen SC DHfK Leipzig 27:22 (10:10)

THW Kiel: N. Landin, Wolff; Duvnjak, Reinkind, M. Landin (3), Firnhaber, Weinhold (4), Wiencek (2), Ekberg (9/3), Rahmel, Dahmke, Zarabec (4), Bilyk (4), Pekeler (1), Nilsson

SC DHfK Leipzig: Putera (1), Villadsen; Wiesmach (3), Rojewski (3), Jurdzs (3), Krzikalla, Janke (1), Pieczkowski (1), Roscheck, Weber (2), Meyer-Siebert, Gebala, Milosevic (4), Esche (4), Neumann

Schiedsrichter: Christoph Immel / Ronald Klein

Strafzeiten: THW: 4 Min, Leipzig: 12 Min

Siebenmeter: THW: 3/3, Leipzig: 1/0 Zuschauer: 10285 Handballfans in der Sparkassen-Arena (ausverkauft)

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