Der Bürgerrechtler und Publizist Wolfgang Templin wird am 9. Oktober die diesjährige Rede zur Demokratie in der Nikolaikirche halten. Der Mitbegründer der Oppositionsgruppe "Initiative Frieden und Menschenrechte" und Mitherausgeber der Samisdat-Zeitschrift "grenzfall" gilt als einer der wenigen Mittelosteuropa-Experten der DDR-Opposition. Für seine Unterstützung der Solidarno?? in den 80er-Jahren erhielt Templin 2010 die Dankesmedaille des Europäischen Zentrums der Solidarität (ECS). Für sein Wirken zur deutsch-polnischen Verständigung wurde Templin in diesem Jahr der Viadrina-Preis verliehen.

1948 in Jena geboren, studierte Templin an der Humboldt-Universität zu Berlin Philosophie und war später Mitarbeiter am Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR. Seit Ende der 70er-Jahre engagierte er sich in verschiedenen Friedens- und Menschenrechtsgruppen. Während eines Aufbaustudiums in Warschau knüpfte er Kontakte zur polnischen Oppositionsbewegung. Nach der vorsätzlichen Dekonspiration seiner Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und dem Bruch mit der SED war er vielfältigen “Zersetzungsmaßnahmen” des MfS ausgesetzt. Er durfte seine Promotion nicht abschließen und in der Folge nicht mehr als Philosoph und Bibliothekar arbeiten.

Wegen der Unterstützung einer Protestaktion im Rahmen der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration in Berlin wurde Wolfgang Templin Januar 1988 verhaftet und zur Ausreise in die Bundesrepublik gezwungen. Während der Friedlichen Revolution kehrte er in die DDR zurück und begleitete aktiv den Demokratisierungsprozess. So war er Sprecher der Initiative Frieden und Menschenrechte am Zentralen Runden Tisch und nach der ersten freien Wahl Mitarbeiter der Volkskammerfraktion von Bündnis 90.

Im vereinigten Deutschland engagiert sich Wolfgang Templin seit 1990 intensiv für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Er ist Gründungsmitglied des Bürgerbüros zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur, war wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Referent im Haus am Checkpoint Charlie sowie Vorstandsmitglied der Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Kommunismus. Von Mai 2010 bis Januar 2014 leitete er das Landesbüro Polen der Heinrich Böll Stiftung in Warschau. Der kritische und streitbare Publizist veröffentlichte mehrere Studien zur DDR-Geschichte und hat mit verschiedenen, viel beachteten Publikationen zu aktuellen Entwicklungen in Ost- und Mitteleuropa auch die Gegenwart in den Blick genommen.

Immer wieder mischt sich Wolfgang Templin in aktuelle politische Debatten ein. Er tritt dabei als Mahner eines kritischen Umgangs mit der Vergangenheit und als Verfechter der Werte von Demokratie und Freiheit auf.

Die Rede zur Demokratie gehört neben dem Friedensgebet in der Nikolaikirche und dem Lichtfest Leipzig zum Kernprogramm der Feierlichkeiten anlässlich des Tages der Friedlichen Revolution in Leipzig.

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