Am 4. Dezember 1989 besetzten mutige Bürger die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit in Leipzig und legten in der Folge die wichtigste Stütze der SED-Diktatur lahm. An der Besetzung beteiligt war auch der extra aus Berlin angereiste Wolfgang Schnur. Anlässlich des Jahrestages der Besetzung lädt die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ zu einer Abendveranstaltung ein und diskutiert mit Zeitzeugen auch über die Rolle Wolfgang Schnurs bei der Leipziger Stasi-Besetzung.

Seit dem 2. Oktober 1989 führte der Weg der Montagsdemonstranten an der „Runden Ecke“ vorbei. Hier kochten die Emotionen wie an keiner anderen Stelle hoch. Am 4. Dezember erfüllte sich dann ein lang gehegter Traum: Bürger besetzten die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit. Eine der Forderungen Tausender Menschen wurde nun immer deutlicher: Die Zerschlagung von Mielkes „Ministerium der Angst“. Die „Runde Ecke“ war in Leipzig das Synonym für die zerstörerische Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Am Vormittag des 4. Dezembers war bereits die Stasi-Zentrale in Erfurt besetzt wurden. Viele andere Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen folgten am Abend sowie am nächsten Tag.

An der Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale beteiligt war auch Wolfgang Schnur, der extra aus Berlin angereist war. Als Rechtsanwalt vertrat Schnur schon seit vielen Jahren von der SED und der Stasi verfolgte Bürger und galt als absolute Vertrauensperson. Zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand, dass er als „IM Torsten“ und „IM Dr. Ralf Schirmer“ Mitbürger und Mandanten an die Stasi verriet. Über 25 Jahre systematisch für die Infiltration der Opposition aufgebaut, ist er bei der ersten freien Volkskammerwahl im Frühjahr 1990 der Spitzenkandidat der „Allianz für Deutschland“ und wird beinahe der letzte Ministerpräsident der DDR. Kurz vor der Wahl informierten ehemalige Stasi-Offiziere die Öffentlichkeit und Schnur musste zurücktreten.

Historiker und Zeitzeugen diskutieren über Schnurs Rolle bei der Stasi-Besetzung am 4. Dezember 1989 in Leipzig

Der Journalist und Autor Alexander Kobylinski war Mitte der 1980er Jahre wegen „staatsfeindlicher Aktivitäten“ in Haft und wurde Mandant von Schnur. Für sein neues Buch „Wolfgang Schnur. Der verratene Verräter“ hat er dessen umfangreiche Stasi-Akten studiert, sich mit einstigen Weggefährten unterhalten und auch mit dem inzwischen verstorbenen Wolfgang Schnur mehrere Gespräche geführt.

Am Montag, den 5. Dezember 2016, um 19:00 Uhr, lädt das Bürgerkomitee Leipzig e.V. zur Buchpräsentation, Film und Gespräch ein. Nach der Vorstellung des Buches werden Filmaufnahmen von Wolfgang Schnur bei der Stasi-Besetzung in Leipzig gezeigt und Audioaufnahmen von Treffen zwischen Schnur und seinen Führungsoffizieren zu hören sein. Im Anschluss diskutieren die Zeitzeugen Stephan Krawczyk sowie Tobias Hollitzer über das Leben Wolfgang Schnurs und seinen Verrat sowie auch seine Rolle am 4. Dezember 1989 in Leipzig. Die Veranstaltung wird moderiert von dem Spiegel-Journalisten und langjährigem Begleiter der DDR-Opposition Peter Wensierski.

Die Veranstaltung findet im ehemaligen Stasi-Kinosaal statt. Der Eintritt ist frei.

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