Carlfriedrich Claus, der 1940 die Schriften des Philosophen der konkreten Utopie, Ernst Bloch, und des Marxismus-Leninismus für sich entdeckte, integrierte diese ab 1959 in sein Werk. Noch bevor er 1960 den damals in Tübingen ansässigen Bloch zum ersten Mal brieflich zu kontaktieren versuchte, vertiefte er sich 1952/53 in Subjekt – Objekt und Avicenna und die aristotelische Linke. Bis 1988 – kurz vor dem Tod Karola Blochs, die den Briefwechsel für ihren erblindenden Ehemann übernahm – entspann sich eine Korrespondenz, in der Claus immer wieder die existenzielle Bedeutung von Blochs Werk für sein Leben und sein Schaffen zum Ausdruck brachte. Der Künstler erhob Blochs Schriften zu seinem Lebensprojekt.

Bloch führt den Begriff der konkreten Utopie in die Philosophie ein, um das Neue, das über das bereits Bestehende hinausreicht, erkennen und verstehen zu können. Das Neue als eine Möglichkeit erscheint bei Bloch aber nicht mehr als Modalkategorie, sondern als eine Option der Realität selbst, die in einer Bedingungsanalyse epistemisch untersucht werden kann. Er thematisiert das Überschreiten des situativen Gefängnisses im Hier und Jetzt und erarbeitet hierfür Realisierungsmöglichkeiten, die jedoch abstrakt und offen bleiben, da sie immer neu ausgehandelt werden müssen.

Für seine Kunst- und Lebenspraxis erhob Claus den Anspruch, das Zukünftige, das „Noch-Nicht-Bewusste“, das „Noch-Nicht-Seiende“ zu ergründen und es zu entwerfen. In seinen Werken wirkt der Wille, das Zukünftige zu antizipieren, fort. Claus artikulierte und konzipierte eine eigene Zukunft, getragen von einem Entwicklungsgedanken, von der Idee einer Transformation, einer revolutionären Umwälzung hin zu einem künftigen Kommunismus, der sich jedoch offen und dynamisch immer im Werden befindet. Im Vordergrund steht  die Erlangung des Bewusstseins und der Erkenntnis, die allerdings nie festgesetzt werden, da sie ständig eine neue Erfahrung des Selbst implizieren. Dafür legte er ein Handlungsschema vor, dem zu folgen er den Betrachter und Leser seiner Arbeiten einlud.

Constanze Fritzsch war wissenschaftliche Mitarbeiterin des ERC-Forschungsprojektes „Jedem seine Wirklichkeit“ am Deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bauhaus-Universität Weimar. Zurzeit ist sie wissenschaftliche Volontärin an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und bereitet die Abgabe ihrer Doktorarbeit bei Prof. Zimmermann an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt vor. Während ihres Studiums war sie Monitrice étudiante am Institut National d’Histoire de l’Art in Paris, wo sie nach einem Grundstudium an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, an der École Normale Supérieur Paris, der Université Paris I und Paris X studierte.

Dienstag, 21. November 2017, 17:15 Uhr
Ort: Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO), Konferenzraum, Reichsstraße 4-6 (Specks Hof), Aufgang A, 4. Etage, 04109 Leipzig

Eine Veranstaltung der Abteilung „Kultur und Imagination“ am GWZO. Der Eintritt ist frei.

 

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