Mit soeben an die Beteiligten bekanntgegebenen Beschlüssen hat das Verwaltungsgericht Leipzig die beiden Eilanträge zweier Anmelder von Versammlungen abgelehnt. In der Leipziger Innenstadt sollen am morgigen Samstag, den 7. November 2020, mehrere Veranstaltungen stattfinden, die zwar thematisch zusammenhängen (Grundrechtsbeschränkungen durch staatliche Maßnahmen in der Corona-Krise), aber als selbstständige, organisatorisch abgetrennte Versammlungen mit unterschiedlichen Teilnehmerzahlen angemeldet wurden. Für zwei der Veranstaltungen hat die Stadt Leipzig mit Bescheiden vom gestrigen Tag Beschränkungen ausgesprochen.

Im Verfahren 1 L 783/20 ging es um die Durchführung eines Aufzuges in der Innenstadt. Die Stadt untersagte diesen mit Blick auf die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 3 der aktuellen Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung (SächsCoronaSchVO) vom 30. Oktober 2020, wonach unter freiem Himmel nur ortsfeste Versammlungen zulässig seien.

Eine Ausnahme von diesem Verbot sei auch mit Blick auf die hohe Bedeutung des Rechtsgutes der Versammlungsfreiheit nicht zu erteilen. Aufgrund der Deckungsgleichheit der Interessenten und der Kundgebungsmittel sei anstelle der Durchführung des Aufzuges eine Teilnahme an der gleichzeitig geplanten zentralen Veranstaltung »Versammlung für die Freiheit« möglich.

Das Verwaltungsgericht hat mit seiner Entscheidung das Verbot bestätigt. An der Verfassungsgemäßheit und damit Wirksamkeit des § 9 Abs. 2 Satz 3 SächsCoronaSchVO bestehen danach keine durchgreifenden Bedenken. Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Wertungen des Verordnungsgebers erscheint lediglich eine ortsfest stattfindende Versammlung als infektionsschutzrechtlich vertretbar.

Das Verfahren 1 L 782/20 betrifft die als zentrale Veranstaltung auf dem Augustusplatz geplante „Versammlung für die Freiheit“. Wegen der zu erwartenden Teilnehmerzahl (20.000) ordnete die Stadt eine Verlegung auf Flächen der Neuen Messe an. Nach den Gründen des Bescheides stünden auf dem Augustusplatz selbst nicht genügend Flächen zur Verfügung, um den geltenden Hygieneanforderungen gerecht zu werden.

Die vom Anmelder nach dem Kooperationsgespräch beabsichtigte Inanspruchnahme weiterer Flächen des Grimmaischen Steinwegs, der Goethestraße sowie des Innenstadtrings zwischen Georgiring, Ecke Willy-Brandt-Platz und Martin-Luther-Ring, Ecke Harkortstraße komme nicht in Betracht. Dies würde mit den Grundrechten Dritter in nicht hinnehmbarer Weise kollidieren. Die beabsichtigte Ausweitung der für die Versammlung in Anspruch zu nehmenden Flächen verkenne das Recht Dritter auf „negative“ Versammlungsfreiheit.

Die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Grundgesetz beinhalte auch das Recht Dritter selbst zu entscheiden, an welcher Versammlung sie teilnehmen wollten oder aber nicht. Deshalb komme es nicht in Betracht, den gesamten Verkehrsraum einschließlich aller Fußgängerbereiche für die Versammlung in Anspruch zu nehmen. Eine Umgehung der Versammlungsfläche durch Dritte sei anderenfalls de facto ausgeschlossen.

Nach der Entscheidung des Gerichts kommt eine Durchführung der Versammlung am vom Anmelder geplanten Ort nicht in Betracht. Zwar haben Anmelder grundsätzlich das Recht, den Ort ihrer Versammlung frei zu wählen. Einschränkungen müssen sie jedoch hinnehmen, wenn durch die Ortswahl eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung droht. Dies ist hier der Fall, da der geplante Versammlungsort mit seiner räumlichen Ausdehnung die prognostizierte Teilnehmerzahl nicht aufzunehmen vermag, so dass mit einer Verdichtung der Menschenmenge im Bereich des Augustusplatzes zu rechnen wäre, die zu zahlreichen Verstößen gegen die SächsCoronaSchVO führen müsste.

Eine Begrenzung der Teilnehmerzahl durch die Behörde als milderes Mittel gegenüber einer Verlegung kam nicht in Betracht. Denn die Versammlungsbehörde hat bei der Entscheidung über Beschränkungen auch dem Versammlungsrecht potentieller Teilnehmer Geltung zu verschaffen, indem ein für die gesamte prognostizierte Teilnehmerzahl geeigneter, d. h. ausreichend großzügig bemessener Versammlungsort zugewiesen wird.

Eine Beschränkung der Teilnehmerzahl führte hingegen zu einer vollständigen Einschränkung der Ausgeschlossenen in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Auch die im angegriffenen Bescheid enthaltene Verpflichtung zur Beachtung bestimmter Hygieneanforderungen, insbesondere das Tragen einer geeigneten Mund-Nasen-Bedeckung durch alle Teilnehmer, wurde vom Gericht bestätigt.
Gegen die Entscheidungen ist die Möglichkeit einer Beschwerde an das Sächsische Oberverwaltungsgericht eröffnet.

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