Würdigung für besondere Verdienste: Ministerpräsident Michael Kretschmer hat am Dienstagabend im Dresdner Residenzschloss neun Persönlichkeiten den Sächsischen Verdienstorden überreicht. Mit dieser Auszeichnung ehrt der Freistaat Menschen, die sich im politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen, gesellschaftlichen oder ehrenamtlichen Bereich in herausragendem Maße engagiert haben.

Regierungschef Kretschmer würdigte das „herausragende Engagement der Frauen und Männer“ für Sachsen. Bei dem Sächsischen Verdienstorden handelt es sich um die höchste staatliche Auszeichnung des Freistaates.

Ausgezeichnet wurden im Einzelnen:

Dr. Hans Brenner

Dr. Hans Brenner (94) hat mit seinen Recherchen und Veröffentlichungen zur NS-Diktatur einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der sächsischen Geschichte und gegen das Vergessen geleistet. 2006 startete er gemeinsam mit einer von ihm koordinierten 50-köpfigen Gruppe von ehrenamtlichen Historikerinnen und Historikern die Recherchen. Ausgewertet wurden unzählige Publikationen und Zeitzeugenberichte, zugleich sichteten sie Material aus mehreren Archiven.

Im Ergebnis erschien 2018 das gut 600 Seiten umfassende Werk „NS-Terror und Verfolgung in Sachsen – Von den frühen Konzentrationslagern bis zu den Todesmärschen“. Die Arbeit ist Ausgangspunkt für weitere Publikationen. Zudem ist sie ein wichtiges Dokument gerade auch für die historisch-politische Bildung. Hervorzuheben ist auch das Engagement von Dr. Brenner für die deutsch-jüdische Aussöhnung. Mehrere Menschen aus Sachsen wurden auf Grundlage seiner Forschung von Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet, weil sie während der NS-Zeit Juden versteckt hatten.

Dr. Helmut König

Dr. Helmut König (92), einer der anerkanntesten Mathematiker Deutschlands, gilt als Begründer des 1981 gestarteten Adam-Ries-Wettbewerbs. Der mathematische Wettstreit für die Klassenstufe 5 fördert Freude am Knobeln und Rechnen, weckt mathematisches Interesse und macht neugierig auf Adam Ries. Der Wettbewerb wird heute länderübergreifend in Sachsen, Thüringen, Franken und Tschechien ausgetragen. Bereits zu DDR-Zeiten leitete Dr. König regelmäßig auch Arbeitsgemeinschaften im Mathematik-Zentrum im heutigen Chemnitz.

Seit mehr als vier Jahrzehnten arbeitet er zudem als Gutachter in der zentralen Aufgabenkommission der Mathematik-Olympiade mit – und kämpfte erfolgreich für eine deutschlandweite Austragung aller Stufen der Olympiade. Nach der politischen Wende 1989 gründete er das Landeskomitee Sachsen zur Förderung mathematisch-naturwissenschaftlich begabter und interessierter Schüler. Bis heute wirkt er dort aktiv mit.

Dr. Rolf Jähnichen

Dr. Rolf Jähnichen (82) hat als erster Landwirtschaftsminister im wieder gegründeten Freistaat Sachsen an der erfolgreichen Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft sowie der Ernährungsbranche und dem notwendigen Umstrukturierungsprozess mitgewirkt. Unter seiner Leitung wurde die sächsische Landwirtschaftsverwaltung neu aufgebaut. Zudem engagierte er sich jahrelang ehrenamtlich als Vorsitzender des Vereins der Freunde des Benediktinerklosters Wechselburg.

Das wiedererstandene Kloster, ein Ort der Besinnung und Meditation, hat eine große historische Bedeutung im mittelsächsischen Raum. Dr. Rolf Jähnichen war Mitgründer und langjähriger ehrenamtlicher Präsident des Sächsischen Blasmusikverbandes und wirkte im Förderverein Völkerschlachtdenkmal mit.

Lutz Kittelmann

Lutz Kittelmann (81) hat mit seinem leidenschaftlichen Engagement die Kulturlandschaft in Sachsen und ganz Deutschland mitgeprägt und zugleich dazu beigetragen, Spenden für wohltätige Zwecke zu sammeln. 1996 gründete er mit Freunden das Rotary-Orchester Deutschland. Das Laienorchester hat im Laufe der Jahre mehr als eine Million Euro für wohltätige Zwecke eingespielt.

Zudem engagierte er sich bis 2018 als Geschäftsführer in dem von ihm 1994 gegründeten Förderverein Dresdner Philharmonie e. V. In dieser Zeit brachte er zahlreiche Projekte zugunsten der Dresdner Philharmonie auf den Weg und begleitete sie. Gesichert werden konnte so auch die Finanzierung und der Einbau der Eule-Orgel im Konzertsaal des Kulturpalastes. Der von ihm geleitete Förderverein sammelte dafür weltweit insgesamt mehr als 1,1 Millionen Euro an Spenden ein.

Wolfgang Vogel

Wolfgang Vogel (69) engagiert sich seit mehr als 30 Jahren für die sächsische Landwirtschaft. Durch sein Wirken in verschiedenen landwirtschaftlichen Gremien wie dem Sächsischen Landesbauernverband, dem Deutschen Bauernverband und der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e. V. hatte er großen Anteil am Integrationsprozess der ostdeutschen Betriebe in die gesamtdeutsche Landwirtschaft.

Von 2016 bis 2020 vertrat Wolfgang Vogel die Interessen der sächsischen und ostdeutschen Bauern als Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. Bis heute wirkt er ehrenamtlich in zahlreichen Gremien der Landwirtschaft mit und setzt sich dort für die Anliegen der sächsischen Landwirte regional sowie überregional ein.

Volker Pfitzner

Volker Pfitzner (64) gehörte nach dem Mauerfall zu den Gründungsmitgliedern der Opferhilfeorganisation Weißer Ring in Ostdeutschland. Seit September 1990 ist er ehrenamtlich für den Verein tätig, der sich bundesweit um Opfer von Gewalttaten kümmert. Er leistete Pionierarbeit beim Aufbau in Sachsen und war mehr als ein Jahrzehnt stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes. Bis heute ist er ein gefragter Gesprächspartner von Politik, Justiz, Polizei und Medien.

Auch dank seines großen Engagements konnte im Freistaat Sachsen ein flächendeckendes Netz von Anlaufstellen für Opfer von Kriminalität und Gewalt aufgebaut werden. In unzähligen Wochenendseminaren bildete er ehrenamtliche Opferbetreuer aus. Zudem unterstützte er eine Vielzahl von Projekten der Kriminalitätsprävention, der Schadenswiedergutmachung und des Täter-Opfer-Ausgleichs.

Otto Guse

Otto Guse (61) engagierte sich fast zwei Jahrzehnte lang ehrenamtlich in der Sächsischen Landessynode, davon zwölf Jahre als deren Präsident. Er verlieh der Kirche eine in der Gesellschaft wahrnehmbare und wichtige Stimme. Unter seiner Leitung beschloss die Synode während der Flüchtlingskrise 2015 ein Sofort-Hilfsprogramm zur Hilfe für geflüchtete Menschen und zur Unterstützung von Projekten in den Kirchgemeinden.

Über sein kirchliches Engagement hinaus wirkte er unter anderem im Präsidium des DRK-Kreisverbandes Auerbach mit. Zudem unterstützt er als Mitglied des Freundes- und Förderkreises der Telefonseelsorge Südwestsachsen e.V. sowie in weiteren kirchlichen Initiativen und Vereinen vor Ort vor allem Menschen in schwierigen Situationen und Lebenslagen.

Dr. Ulrike Böhm

Dr. Ulrike Böhm (56) engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich für den Opferschutz insbesondere bei häuslicher und sexualisierter Gewalt. Mit ihrem großen Einsatz leistet sie wertvollen Rat und Hilfe auch in der Prävention. Dr. Ulrike Böhm ist Initiatorin der 2012 gegründeten Leipziger Gewaltopferambulanz. Dabei handelt es sich um ein sachsenweit einmaliges Projekt in Kooperation mit dem Leipziger Elisabeth-Krankenhaus. Opfer von häuslicher Gewalt, Opfer von Vergewaltigungen sind wegen der Schwere der Tat häufig nicht in der Lage, sofort Anzeige zu erstatten. Sie können dies dank der Opferambulanz, die frühzeitig anonym und vertraulich Beweise sichert, später jederzeit nachholen – und dann auch beweisen.

Darüber hinaus engagiert sie sich seit mehr als 15 Jahren ehrenamtlich im Verein Frauen für Frauen e. V. Leipzig. Ziel des Vereins ist es, Gewalt gegen Frauen aufzudecken und zu bekämpfen. Auch im Netzwerk gegen häusliche Gewalt und Stalking wirkt sie mit. Zudem ist sie Mitbegründerin und Vorstandsmitglied des 2018 gegründeten Leipziger Vereins »Hilfe gegen Gewalt in der Pflege e.V., der Menschen berät, die Unterstützung und Begleitung bei Konflikten und Gewalt in der Pflege benötigen.

Nadja Grigorenko

Nadja Grigorenko (50) setzt sich seit vielen Jahren mit Tatkraft und viel Engagement für die Integration von Spätaussiedlern und ausländischen Mitbürgern ein. In Plauen gründete sie 2014 das Familien- und Kulturzentrum „Schöne Welt e.V.“ Im Mittelpunkt stehen verschiedene kulturelle Angebote und Freizeitaktivitäten, darunter Tanz- und Theaterunterricht für Kinder.

Der Verein mit derzeit rund 130 Mitgliedern bietet außerdem Sprachkurse an. Die Angebote fördern das Miteinander und helfen vor allem auch Menschen mit Migrationshintergrund dabei, ihren Platz in der neuen Heimat zu finden. Mit ihrem Verein fördert sie die Begegnung zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer, sozialer und weltanschaulicher Herkunft. Nadja Grigorenko hat somit einen großen Anteil daran, dass Berührungsängste abgebaut werden oder erst gar nicht aufkommen.

Hintergrund:

Beim Sächsischen Verdienstorden handelt es sich um die höchste staatliche Auszeichnung Sachsens. Mit der Auszeichnung ehrt der Freistaat Menschen, die sich im politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen, gesellschaftlichen oder ehrenamtlichen Bereich in herausragendem Maße engagiert haben. Der Orden wurde 1996 gestiftet und erstmals am 27. Oktober 1997 verliehen. Ihn können in- und ausländische Persönlichkeiten erhalten, die sich um den Freistaat Sachsen und die hier lebenden Menschen besonders verdient gemacht haben.

Die heute Geehrten eingerechnet wurde der Sächsische Verdienstorden bislang 361 mal verliehen. Bereits Ende vergangener Woche waren in einer Feierstunde im „DenkRaum Sophienkirche“ in Dresden der frühere Landeskonservator Prof. Dr. Gerhard Glaser und der Theologe Harald Bretschneider mit dem Orden geehrt worden (siehe Pressemitteilung vom 2. Juli 2021).

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