Die Stadt Leipzig erhält ab sofort wichtige historische Unterlagen der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig als so genanntes Depositum. Im Gegensatz zu einer Schenkung verbleiben die Dokumente dabei im Eigentum der Gemeinde, werden nun aber im Stadtarchiv sicher verwahrt. Den entsprechenden Vertrag haben heute der Gemeindevorsitzende, Küf Kaufmann, und Stadtarchivdirektor Dr. Michael Ruprecht im Beisein von Oberbürgermeister Burkhard Jung unterzeichnet. Leipzig beheimatet nach Berlin derzeit die größte jüdische Gemeinde Ostdeutschlands.

Oberbürgermeister Burkhard Jung sagt: „Wir freuen uns sehr, dass sich die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig dafür entschieden hat, ihre Unterlagen an das Stadtarchiv zu übergeben. Für uns ist dies ein ganz besonderer Moment, denn es ist ein deutliches Bekenntnis zur engen Verbundenheit zwischen der Gemeinde, ihren Gemeindemitgliedern und der Stadt.“

Der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, Küf Kaufmann, führt aus: „Mit dem bevorstehenden Ruhestand unserer Mitarbeiterin, die sich viele Jahre um das Archiv der Gemeinde gekümmert hat, haben wir entschieden, unsere einzigartigen historischen Unterlagen in fachkundige Hände zu übergeben. Wichtig war für uns dabei, dass der Bestand nicht auseinandergerissen wird und die Geschichte der Gemeinde dadurch in all ihren Facetten weiterhin am Ort ihrer Entstehung erforscht werden kann.“

Der übernommene Bestand „Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig“ umfasst derzeit die Unterlagen von der Gründung der Gemeinde ab den 1830er Jahren bis zum Jahr 1990. Das sind rund zehn laufende Meter Akten, Mappen und Ordner, Fotografien sowie eine Mitgliederkartei der Gemeinde aus den 1930er Jahren. Darunter sind beispielsweise Akten zur Gemeindesynagoge Mitte des 19. Jahrhunderts, die Informationen über die Gottesdienste und das Inventar der Synagoge enthalten.

Auch die dunkelsten Kapitel der Stadtgeschichte spiegeln sich in den Unterlagen: So sind die Reste einer „Gestapokartei“, Deportationslisten und die sogenannten Heimeinkaufsverträge für das Ghetto Theresienstadt Teil des Depositums. Mit letztgenannten Verträgen wurden insbesondere ältere Juden gezwungen, ihre Vermögenswerte dem NS-Regime zu übergeben. Die jetzt an die Stadt übergebenen Unterlagen können durch die jüdische Gemeinde jederzeit noch durch weitere Akten und Materialien ergänzt werden.

Dr. Michael Ruprecht, Direktor des Stadtarchivs, sagt: „Die Unterlagen sind von großer Relevanz für unsere Überlieferung, denn sie spiegeln Facetten des städtischen Lebens wider, die sich in der amtlichen Überlieferung nicht finden lassen. Um die bisherigen Forschungsergebnisse nachvollziehbar zu halten, werden wir die Struktur des Gemeindearchivs beibehalten.“ Die Archivalien werden nach der vollständigen Überführung und archivfachlichen Bearbeitung nach dem sächsischen Archivgesetz zugänglich gemacht. Die Stadt Leipzig trägt die Kosten, die für die Betreuung des übernommenen Bestandes entstehen.

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