Der Leipziger Wächterhausverein HausHalten e.V. steht schon seit einem Jahr mit dem Eigentümer des leerstehenden Hauses in der Naumburgerstraße 40 in Verhandlung. Wie genau die alternative Nutzung am Ende aussehen wird, sei noch unklar, feststehe aber, dass es eine alternative Nutzung geben werde. Das haben die fünf unbekannten Besetzer wohl nicht gewusst.

Wer hinter der Autonomen Gruppe Plagwitz steckt, ist weiter unklar. Die Gründe für die Besetzung teilte die selbstverwaltete Gruppe am 21. April auf indymedia.org mit. Das unbewohnte Haus solle zum einen wieder mit Leben gefüllt werden: „Mit der Wiederaufnahme der Gestaltung des Gebäudes wollen wir wieder die Substanz des Hauses als Wohnraum nutzbar machen und andererseits somit die Möglichkeit für unkommerzielle, selbstverwaltete Projektflächen schaffen.“

Doch offenbar wussten die Besetzer nicht, dass dieses Haus bereits für eine alternative Nutzung angedacht ist. „Stimmt, es hat ein Haus getroffen, wo wir mit dem privaten Eigentümer bereits in Verhandlung stehen. Wenn man sich informieren hätte wollen, hätte man das erfahren können“, sagt Fritjof Mothes vom HausHalten e. V. auf Nachfrage von L-IZ.de. Der Eigentümer sei sehr offen und die Gespräche sehr vertrauensvoll.

Ob es ein Wächterhaus wird oder eine andere Form wie zum Beispiel ein Ausbauhaus oder das Gebäude zu günstigen Konditionen an eine Nutzergruppe verkauft wird, ist noch nicht geklärt. „Auf jeden Fall ein niedrigschwelliges Angebot“, so Mothes. Wächterhäuser sind eine Übergangslösung, bei der das Haus für eine bestimmte Zeit bewohnt wird, damit es nicht mehr leer steht. Bei Ausbauhäusern übernehmen die Mieter die Renovierung und bekommen dafür Mietnachlass.
Mothes kann das Vorgehen der Besetzer nicht nachvollziehen, „Wir glauben, dass es der einzige Weg ist, auf vertrauensvolle Weise mit Eigentümern Verhandlungen zu führen. Der Interessensaustausch kann auf ruhige Weise verhandelt werden, die Besetzung war weder nötig noch akzeptabel.“ Der Verein habe am Samstag versucht zu vermitteln, was allerdings gescheitert sei.

Außerdem müsse man alle Beteiligten im Blick haben, denn manche Eigentümer hätten es sehr schwer, berichtet Mothes aus seiner Erfahrung. Zudem gebe es in Leipzig eine ausgeprägte Unterstützerkultur – auch vonseiten der Stadtverwaltung. Und bei über 30.000 leerstehenden Wohnungen nach wie vor genügend Gebäude, die man nutzen könne. „Es gab in Leipzig keine Hausbesetzung seit 15 Jahren. Und warum? Weil die Gruppen die vielen Möglichkeiten nutzen. Es braucht keine Besetzung“, resümiert Fritjof Mothes.

„Besetzungen an sich finde ich ein legitimes Mittel, finde aber, dass sie symbolisch sein oder in konstruktiven Verhandlungen münden sollten. Dass sie etwas ziellos gehandelt haben, indem sie ein Haus auswählten, um das andere Akteure bereits verhandeln, finde ich sehr ungünstig“, sagt Linke-Stadträtin Juliane Nagel. Sie findet die Aktion zwar an sich überzogen, aber die Motivation der Besetzung gut und wichtig. Denn sie sei ein Beitrag zur schwelenden Debatte gegen die sozioökonomische Entmischung mancher Leipziger Stadtteile, der sogenannten Segregation bzw. Gentrifikation, die hier „in gebremster Form in Gange kommt“.

Das sei nämlich der übergeordnete Grund gewesen: „Wir wollen mit dieser Besetzung nicht nur die Aufmerksamkeit auf eine konzeptionelle Stadtentwicklung, die immer weniger Raum für unabhängige Gestaltung, sondern auch auf die mit einer Aufwertung von Stadtteilen einhergehenden Mieterhöhungen richten. Auffällig sind unter anderem auch Kultur- und Aktivitätsangebote, die immer belastender auf Konsum und damit verbundene finanzielle Möglichkeiten ausgelegt scheinen.“

Siegfried Schlegel, Sprecher für Stadtentwicklung der linken Stadtratsfraktion, bezeichnet die Aktion wie auch seine Kollegin Juliane Nagel als „überzogen“ und als „völlig inakzeptabel“. Doch in einem Punkt unterscheiden sich die Meinungen: „Der Begriff ‚Gentrifizierung‘ greift zur Rechtfertigung der Plagwitzer Hausbesetzung ebenso zu kurz wie in Bezug zum Sanierungsgebiet Connewitz-Biedermannstraße oder zum Wohnquartier Windmühlenstraße. Schließlich beschreibt er lediglich die Verdrängung einer ärmeren Bewohnerschaft durch Mittelschichten in einem Stadtteil, nicht aber das Problem bezahlbarer Wohnungen nach Sanierung in allen Stadtteilen.“

Homepage HausHalten e. V.:
www.haushalten.org/index.asp

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