Jetzt wird es heftig in der Leipziger Finanzpolitik. 40 Millionen Euro fehlen noch, um den Haushalt 2014 auszugleichen. Eigentlich fehlt viel mehr Geld - doch allein in der Kita-Betreuung hat das Sozialdezernat schon einmal 24 Millionen Euro wieder zurückgenommen - es wird weniger gebaut, es werden weniger Betreuungsplätze zusätzlich bereitgestellt. Aber so nebenbei geht es längst ans Eingemachte. Frisch auf dem Präsentierteller: das Stadtbad.

Mit Plunderstücken, Stadtbad-Eis, Spenden und Benefizveranstaltungen haben die Leipziger in den letzten Jahren darum gekämpft, das ab 1913 im historistischen Stil erbaute und 1916 eröffnete Stadtbad zu erhalten, das 2004 wegen baulicher Mängel geschlossen werden musste. Es waren die Wasserwerke, die dann zwei Jahre später daran gingen, eine Initiative zur Rettung des Stadtbads in Gang zu setzen. Die Förderstiftung Stadtbad hat seit 2008 versucht, nicht nur neue Nutzungskonzepte für das alte Stadtbad zu entwickeln, sondern auch mit zahlreichen Veranstaltungen das alte Bad in der Wahrnehmung der Leipziger zu halten.

Ein Erfolg dieser Arbeit war auch der Antrag der Stadt, die notwendige Erstsanierung des Hauses mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II zu bewerkstelligen. 1,8 Millionen flossen in die Erneuerung des Daches. Die historischen Türmchen wurden wieder aufgesetzt. Die ehemalige Männerschwimmhalle im Westflügel wurde zur Veranstaltungshalle umgebaut.
Doch der Nutzungsvertrag mit der Förderstiftung lief im Dezember 2012 aus. Seitdem fragten schon einige Stadträte etwas verwundert nach, was da im Gange sei. Wollte man die Stiftung nicht mehr im Haus behalten? Aber der Betrieb im alten Gemäuer ging weiter. Im Mai 2013 wurde auch publik, dass das Kulturdezernat ernsthaft daran dachte, das Stadtbad als neues Naturkundemuseum zu nutzen. Nur waren die möglichen Umbaukosten von 22 Millionen Euro doppelt so hoch wie bei anderen vom Kulturdezernat vorgeschlagenen Standorten.

Und Dirk Thärichen als Vorsitzender der Förderstiftung reagierte schon etwas verwundert. Immerhin flossen neben den fast 2 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket und dem Nachschlag der Stadt auch schon 1 Million Euro in das alte Gemäuer, die die Stiftung gesammelt hatte. Aber auch schon im “Masterplan Naturkundemuseum” wurde so ein kleiner Haken sichtbar: Gibt es denn keinen Investor für die Immobilie? Augenscheinlich schon damals der Hauptgrund für die Verwaltung, nach einer anderen Verwertung für das Objekt Ausschau zu halten.

Das Exposé zum Verkauf des Stadtbades hat das Liegenschaftsamt am 10. September erstellt. Es wird einer der Leckerbisen auf der EXPO Real, die vom 7. bis 9. Oktober in München stattfindet. Bei der Nutzung gäbe es viele Möglichkeiten, so das Liegenschaftsamt. Der Mix dürfte Stadtbad-Freunden bekannt vorkommen, denn ähnlich votierten auch die diversen Nutzungsvarianten der Förderstiftung. Da und dort aber geht das Liegenschaftsamt deutlich darüber hinaus: Erlaubt ist, was marktfähig ist.

Mehr zum Thema:

Stadtbad Leipzig: Grüne fragen mal nach der versprochenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung
Dass es ein anspruchsvolles Projekt werden …

Leipziger Stadtbad: Bekanntheitsgrad 92 Prozent – Spender und Unterstützer dringend gesucht
Das Leipziger Stadtbad erfreut sich gestiegener …

Naturkundemuseum (4): Das Stadtbad und ein ehemaliges Bankgebäude oder Zwei Außenseiter und ein Halleluja
So recht glauben möchten es auch die Macher …

Stadtbad Leipzig: Die Turmmontage hat begonnen
Knackig kalt ist’s am Dienstagmorgen …

Das Konjunkturpaket II wirkt: 105 Projekte, 85 Millionen Euro, Finale im Herbst
Es gibt tatsächlich Maßnahmen …

“Mit dem Verkauf dieser einzigartigen, denkmalgeschützten Immobilie in Zentrumsnähe wäre eine Nutzung als Hotel, Klinik-/Rehabilationszentrum bzw. Büro- und Ärztezentrum mit ‘betreuten Wohnen’ im Obergeschoss oder die Orientierung auf den Freizeitbereich mit Fokus auf Wellness und Fitness möglich”, heißt es nun im Exposé. Und: “Der Denkmalschutz lässt jedoch eine komfortable Umbaumöglichkeit offen. Diese erweitert die Nutzungsmöglichkeit des Objekts und damit den möglichen Kundenkreis. Sprechen Sie mit uns, wir bringen gemeinsam Ihre Investition auf den richtigen Weg.”

500.000 Euro sind als Mindesangebot angegeben. Logisch ist der Schritt: Auch das Wirtschaftsdezernat muss seinen 10-prozentigen Beitrag zu den Sparvorgaben von OBM und Finanzbürgermeister bringen. Aber 500.000 sind mit den noch fehlenden 40 Millionen Euro natürlich nur Peanuts, wie hoch der Preis klettern könnte ist ungewiss. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der Verkauf Leipziger Liegenschaften auch in den vergangenen Jahren immer wieder helfen musste, Löcher im Haushalt zu stopfen.

Dass jetzt das Stadtbad auf den Gabentisch kommt, zeigt im Grunde, wie arg die Finanzklemme der Stadt mittlerweile ist.

Zur Förderstiftung Stadtbad:
www.herz-leipzig.de

Weitere Unterlagen im Netz

Die städtische Begründung zur Überlassung des Stadtbades an die Förderstiftung.

Das Verkaufs-Exposé für das Stadtbad: http://www.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.7_Dez7_Wirtschaft_und_Arbeit/23_Liegenschaftsamt/Aktuelle_Ausschreibungen/5._Grundstuecksboerse/PDF/0378-13_Leipzig2707t.pdf?L=0

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar