Aller Anfang ist schwer. Und manchmal geht auch unterwegs die Puste aus. So ging's bei der Freilegung der Leipziger Fließgewässer 2007. Da konnte noch feierlich das neue Mendelssohn-Ufer eröffnet werden. Ein Jahr zuvor war der Wasserspielplatz an der Wundtstraße eröffnet worden. Schlag auf Schlag schien ein Stück Leipziger Gewässer nach dem anderen wieder ans Licht zu kommen. Eigentlich wäre nun das Stück Pleißemühlgraben an der Lampestraße dran gewesen.

Doch das kam weder 2008 noch 2009 dran, obwohl der Verein Neue Ufer, dessen Mitstreiter schon seit 1986 darum kämpfen, die überwölbten Leipziger Gewässer wieder ans Tageslicht zu holen, fleißig Lobbyarbeit machte – bei den Anrainern, bei der Stadt. Schon 2009 erklärte sich ein Anwohner der Lampestraße bereit, die Planungen für die Öffnung des 300 Meter langen Gewässerabschnitts mit 100.000 Euro zu unterstützen. Doch es tat sich nichts. Die Stadtverwaltung tat sich schwer. Die Lampestraße rangierte bei ihr nicht auf der Prioritätenliste. Da kommt sie aber so langsam hin. Den Weckruf erhielt die Stadt im März, denn das Anfang der 1950er Jahre verlegte Gewölbe wird so langsam baufällig. Die Tragfähigkeit ist eingeschränkt, das Areal darüber, das jahrelang von Anwohnern zum Parken genutzt wurde, musste gesperrt werden.

Seitdem sorgen dicke Baumstämme dafür, dass kein Auto mehr die noch sichtbaren Trottoirplatten überfährt, die einst die Begrenzung des Grabenabschnitts markierten. Aber auch die angrenzenden Straßen – Simson- und Lampestraße – sind nach 120 Jahren reif für die Erneuerung. Die darunter liegenden Versorgungsleitungen wohl erst recht. Im Sommer fand sich die Stadtverwaltung dann wieder bereit, mit dem Verein Neue Ufer e.V. etwas ernsthafter über die Zukunft des Grabenabschnitts zu reden. Man kam zu einer neuen Vereinbarung. Und auch der Spender aus der Straße blieb trotz aller Verzögerungen bei der Stange. Am Donnerstag, 7. November, konnte Heinz-Jürgen Böhme, Vorsitzender des Vereins “Neue Ufer” e. V., den 100.000-Euro-Scheck ganz offiziell an Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal übergeben. Beide betonten, dass dies – auch wenn die Aktion direkt auf dem verrohrten Grabenabschnitt stattfand – noch kein Spatenstich sei.
Den hätten beide schon gern getan. Aber bis es soweit ist, können noch Jahre vergehen. Das hat natürlich mit der Finanzlage der Stadt zu tun und dem zähen Ringen um Fördergelder. Es hat aber auch mit der Komplexität des Projekts zu tun. Denn ideal wäre es schon, wenn die Öffnung des Pleißemühlgrabens zusammen mit der Erneuerung der beiden angrenzenden Straßen vonstatten ginge. Also braucht es nicht nur die Abstimmung im Umweltdezernat, sondern auch die Einbeziehung des Baudezernats.

Und es bedarf eines guten Grundes, wie Heiko Rosenthal betont. Denn eine Aufwertung des Stadtbildes in einem besonders eindrucksvollen Leipziger Straßenensembles genüge da nicht. Da brauche es auch eine fachliche Begründung. Die gibt es aber und in drei Wochen, so Rosenthal, kommt sie auch zur Vorlage in die Dienstberatung des OBM: Das Leipziger Hochwasserschutzkonzept ist endlich abstimmungsreif. Und der Pleißemühlgraben ist ein wesentlicher Teil dieses Schutzkonzepts.

Aber er funktioniert als solcher nur, wenn er durchgängig frei fließen kann. Und so schüttelt Rosenthal denn auch all die Abschnitte aus dem Ärmel, die in den nächsten Jahren ebenfalls wieder geöffnet werden müssen: am Martin-Luther-Ring, am Dittrichring, hinter der Brandschutzwache und hinter der IHK.

Dabei gilt es überall besondere Probleme zu lösen, die teilweise im überirdischen Verkehr liegen, teilweise unter der Erde lauern. Zwischen Lampe- und Simsonstraße gibt es zum Beispiel auch noch eine Heiztrasse, die die Leipziger Stadtwerker in grauer Vorzeit der Einfachheit halber einfach mal über der Wölbleitung verlegt haben. Auch drei Brücken müssen im Verlauf der Grabenfreilegung erneuert werden – die Robert-Schumann-Brücke, die Haydnbrücke und die Mozartbrücke. Da ist man schnell bei einem zweistelligen Millionen-Betrag, der hier investiert werden muss. Die alten Ufermauern aus Naturstein können möglicherweise wieder hergestellt werden. Erneuert werden muss aber auch die alte Allee aus Robinien.

Jetzt geht es erst einmal in die Planungen, betont Rosenthal. Bis man genau weiß, was und wie gebaut wird, könnten noch Jahre vergehen.

Aber auch er sieht die Scheckübergabe als einen Auftakt. Losgehen muss es jetzt. Finanziert werden mit dem Geld die erforderlichen Planungsleistungen für Wasserbau, begleitendes Grün, die notwendigen Brücken und Untersuchungen zum ruhenden und fließenden Verkehr. Auch das Parkproblem in den beiden angrenzenden Straßen muss klug gelöst werden.

www.neue-ufer.de

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