Wie weiter in Probstheida? Welche Straßenbahntrasse bleibt im Plan, wenn das nächste Bürgerforum dazu am 23. Januar 2014 tagt? Fünf der diskutierten neun Straßenbahntrassen wurden von der Bürgerwerkstatt am 16. November per Votum von der Agenda genommen, vier blieben übrig - zwei als Verlängerung der Linie 4 (Variante A 2 und A 3), zwei als Abzweig von Linie 15 (Variante B4 und B6). Die B6 blieb dabei nur knapp im Rennen.

“Die Tendenz ging schon deutlich in Richtung B 4”, sagte am 16. November Clemens Meinhardt, der als Mitglied des Stadtbezirksbeirats Südost und Vertreter des Bürgervereins Stötteritz an der Bürgerwerkstatt teilnahm. Abgestimmt wurde in allen drei gebildeten Arbeitsgruppen. Und gerade in Bezug auf die Variante B 4 war das Bild recht eindeutig. Diese Trassenführung einer möglichen Straßenbahnstrecke über die Franzosenallee und die Feldstraße zum Herzklinikum in Probstheida hat zwar ihre Konfliktpotenziale – kann aber die Erschließung von Klinikgelände und Wohnviertel von der Prager Straße her am besten lösen.

Im Rennen blieb die Variante B 6 im Grunde nur, weil sie von allen vorgeschlagenen B-Varianten diejenige war, die das geringste Konfliktpotenzial bot. Sie entstammt einem Bürgervorschlag und wurde in jener Situation geboren, als die Probstheidaer sich nach 20 Jahren der Stille im Wohngebiet auf einmal mit den Plänen der Stadt konfrontiert sahen, eine Straßenbahntrasse von der Prager Straße aus zum Herzklinikum zu planen.

Oder genauer: im neuen Flächennutzungsplan für künftige Planungen frei zu halten. Denn das Geld, um in den nächsten Jahren eine solche Straßenbahnlinie (Kostenpunkt um die 10 Millionen Euro zu bauen, haben weder Stadt noch Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB). Nur besteht die Möglichkeit, dass die Klinikerweiterungen rund um Herzklinikum und Parkkrankenhaus künftig so viel Fahrgastaufkommen induzieren, dass eine Straßenbahn möglicherweise die sinnvollste Verkehrslosung ist.

“Das ist noch lange nicht der Fall”, sagt Leipzigs Chefplaner Jochem Lunebach. “Aber wenn wir den neuen Flächennutzungsplan jetzt aufstellen, ist es höchst ratsam, so eine Trasse einzuplanen. Das schafft auch Planungssicherheit für alle, die in diesem Gebiet bauen.” Die Firma Unterplan zum Beispiel, die das Wohngebiet rund um die Franzosenallee entwickelt. Wenn dort eine mögliche Gleisführung feststeht, kann sie ihre Planungen darauf ausrichten.
Die von Bürgern vorgeschlagene Variante B 6 würde das Wohngebiet Probstheida gar nicht berühren, denn in diesem Fall würde die Straßenbahn schon in Höhe Südfriedhof abbiegen und an der Etzoldtschen Sandgrube vorbei quer durch den Freizeitpark Südost / Freundschaftspark und die nachfolgende Kleingartensparte “Denkmalsblick” zum Herzklinikum fahren und am Parkkrankenhaus ihre Wendeschleife bekommen.

Warum diese Variante überhaupt im Rennen blieb, beschrieb Clemens Meinhardt am 16. November so: “Parks und Erholungsgebiete haben naturgemäß keine große Lobby. Da ist die Betroffenheit nicht so groß.”

Ein Problem, das der Stadt Leipzig bei der Einladung zur Bürgerwerkstatt durchaus bewusst war. Man wollte nicht nur Probstheidaer in der Werkstatt haben, die direkt an einer der geplanten Trassen wohnen und so aus einer reinen Verteidigungshaltung mitmachen. Es sollte auch den über den Ortsteil hinaus gehenden Blick geben. Denn wenn man schon Trassen plant, dann sollen sie möglichst für alle Verkehrsprobleme im Ortsteil einen Lösungsansatz geben.

Trotzdem blieb die B 6 im Rennen, die eben nicht nur ein bestehendes Landschaftsschutzgebiet durchschneidet und damit vielen Leipzigern aus der Umgebung auch ein wichtiges Stück Erholungsraum nimmt. Die Trasse führt auch an einem wichtigen Denkmal vorbei: dem Erinnerungsmal Etzoldtsche Sandgrube, wo eine Klanginstallation die Besucher daran erinnert, dass hier die Trümmer der 1968 gesprengten Paulinerkirche verschüttet sind.

Und wenn die Anwohner fehlen, die ihre Stimme erheben, damit ein so wichtiges Stück Grün nicht für eine Straßenbahntrasse geopfert wird, was kann man da tun? – Man gründet eine Bürgerinitiative. Das ist in der vergangenen Woche geschehen. Bürger aus Stötteritz und Probstheida haben sich zur Bürgerinitiative “LSG Etzoldsche Sandgrube” zusammengetan. Unter dem Motto “Hände weg vom Freundschaftspark!” sammeln sie jetzt Unterstützerunterschriften.

“In der Planung zur Anbindung des Herzzentrums an den Straßenbahnverkehr ist mit der Variante B6 weiterhin der Verlauf quer durch das Landschaftsschutzgebiet (LSG) Etzoldsche Sandgrube mit favorisiert”, schreiben sie dazu. “Das heißt im Klartext, dass eine Straßenbahntrasse quer durch den erst neu angelegten Freundschaftspark und quer durch den Kleingartenverein ‘Denkmalsblick’ verlaufen würde. Wir rufen auf zur Unterstützung des Erhalts unseres Naherholungsgebietes für den unberührten Bestand des Freundschaftsparks mit seiner besonderen Bedeutung für die stadtnahe Erholungsnutzung!”

Seit Samstag, 30. November, sammeln sie Unterschriften. Die Unterschriftenlisten liegen aus im Brauhaus Napoleon (Prager Straße 233), im Gemüseladen Kother (Naunhofer Straße 60) und bei Blumen-Müller (Naunhofer Straße 58). Zu den Mitgliedern der Bürgerinitiative gehören neben Rechtsanwalt Karsten Blech, Kristin Blech, Carolin Winter, Andreas Hetzelt, Alfred Wieczorek, Harry Müller, der Ökolöwe und der Vorsitzende des Kleingartenvereins “Denkmalblick”, Heinz Lange.

In der Endfassung des neuen Flächennutzungsplanes, der 2014 vom Stadtrat beschlossen werden soll, soll es nur noch zwei freigehaltene Straßenbahntrasen geben – eine A-Variante von der Endstelle der Linie 4 in Stötteritz aus und eine B-Variante von der Prager Straße aus. Welche von den jetzt noch übrig gebliebenen jeweils zwei Varianten A und B dann übrig bleibt, darüber soll dann das Bürgerforum am 23. Januar entscheiden.
Der Aufruf der Bürgerinitiative als PDF zum download.

Die diskutierten Trassenvarianten:
www.l-iz.de/html/downloads/Strassenbahnnetzerweiterung-Varianten.pdf

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar