Der Druck auf die Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla (CDU) scheint über das vergangene Wochenende hin gewachsen zu sein. Heute wurden nun präzise Pressefragen mit einem Massenschreiben abgefertigt, in welchem die Leipziger Bundestagsabgeordnete versucht klarzustellen, dass sie als Christin das Grundrecht auf Asyl als ihr persönliches Anliegen sieht. Warum dieses Anliegen nicht in ihrem Wahlkreis Leipzig Nord erfolgreich realisiert werden kann, bleibt weiter unbeantwortet.

Fünf offene Fragen waren es, nachdem Bettina Kudla (CDU) am Freitag, 14. Februar 2014 mit verschiedenen Begründungen verkündete, der geplante Standort der Leipziger Erstaufnahmeeinrichtung für 500 Personen in ihrem Wahlkreis sei ungeeignet. Fragen, welche Alternativen die Bundestagsabgeordnete empfehlen würde und warum der Standort in den verlassenen Offiziersunterkünften an der Max-Liebermann-Straße ungeeignet sei. Dazu und den weiteren Fragen heute erst einmal keine Antwort.

Stattdessen eine sehr ausführliche zum ebenfalls gefragten Thema, was aus Sicht der Bundestagsabgeordneten im Asylrecht allgemein so alles quer läuft. (vollständige Mitteilung am Ende). Ein wenig nach dem Motto, wenn’s zu konkret wird – zieh den Themenkreis größer.

Zuvor ist es ihr jedoch wichtig, im Zuge der von ihr angestoßenen Debatte festzuhalten, dass auch für sie “…das Grundrecht auf Asyl ein zentrales Element unserer Verfassung und als Christin auch ein persönliches Anliegen ist”. So müsse “Ein starkes Land, wie die Bundesrepublik Deutschland, (…) seinen Beitrag leisten, wenn in anderen Teilen der Welt Menschenrechte mit Füßen getreten werden.” Offensichtlich aber nicht im eigenen Wahlkreis, wo der Bund ungenutzte Liegenschaften besitzt, welche das Land Sachsen kaufen könnte.

Stattdessen der Satz, dem die Nachfolgegenerationen vielleicht einst den Polit-Kalauer-Preis 2035 verleihen werden: “Dabei gilt, wir können nicht alle Probleme der Welt auf deutschen Boden lösen.” Dabei seien “die Maßstäbe an ein Asyl in unserem Land streng und werden es auch bleiben.” Nun ist das Gelände an der B6 ganz sicher deutscher Boden, sieht man von der einen oder anderen eingeschleppten Pflanze ab, die zu Staub zerfiel. Aber das maßgebliche Problem mit anlandenden Flüchtlingen hat das Binnenland Deutschland nie gehabt.

Vereinbarungen wie “Dublin II” regeln unter anderem die Rücksendemöglichkeit von Flüchtlingen, sollten diese über sichere Drittstaaten einreisen. Wovon Deutschland gern Gebrauch macht und durchaus den inneren Wachturm in der Festung Europa darstellt.

Und was hat das nun mit der neu zu errichtenden Erstaufnahme im Leipziger Norden oder mit den dort ab Ende 2015 ankommenden Flüchtlingen zu tun? Der unterschwellige Hinweis – statt beantworteter Fragen – lautet eher: Das Boot könnte voll sein, das Problem können wir so nicht lösen. Also gar keine Erstaufnahme in Leipzig oder Deutschland? Wo und wie dann? Das allgemeine Statement, welches auch lauten könnte: “Dabei gilt, wir können die Fortpflanzungsprobleme des Schabrackentapirs nicht auf deutschen Boden lösen” ersetzt den konkreten Vorschlag für die anstehende Frage, wohin nun mit den Flüchtlingen? Und suggeriert ungenannte, weltumspannende Lösungsansätze, welche Bettina Kudla nur noch nicht verraten möchte.
Was konkret nicht geht, wird hingegen genannt: Nicht in einem Wohngebiet, wie Bettina Kudla den nördlichen Zipfel Gohlis’ im Geviert um die Olbricht-Kaserne nähe Ortsausgang Leipzig sieht. Denn “Ein Erstaufnahmelager muss (…) noch nicht in eine feste Struktur im Sinne eines Wohnumfeldes eingebunden sein.”

Was stattdessen? Ein Zeltlager auf dem Marktplatz – genau in der Mitte der beiden Leipziger CDU-Abgeordnetenkreise von Bettina Kudla und Dr. Thomas Feist? Oder eben einfach ganz weit weg

Gegen Ende die Volte mitten hinein in die erste Pressemitteilung vom Freitag vergangener Woche: “Ich habe den vorgeschlagenen Ort für das Erstaufnahmelager kritisiert und halte auch heute noch andere Standorte für geeigneter.” Aber welche, sag ich nicht, möchte man fast hinzufügen. Und “Die Stadt Leipzig konnte meiner Auffassung nach bisher nicht überzeugend darlegen, ob und welche Flächen sie entsprechend geprüft hat”,so Kudla.

Muss sie letztlich nicht, dies ist die hoheitliche Aufgabe des Innenministeriums des Freistaates Sachsen und damit Aufgabe von Markus Ulbig (CDU) in Abstimmung mit der Stadt Leipzig. Aber vielleicht redet man bei den Christdemokraten nicht mehr miteinander, wenn es um wichtige Sachfragen geht.

Am Ende noch etwas Vorhaben-Politik aus dem Koalitionsvertrag, welchen auch die SPD mit unterschrieben hat: “Die Asylverfahren ziehen sich oft über Jahre hin und schaffen damit einen Zustand der Ungewissheit für Asylbewerber. Dies will die neue Bundesregierung ändern. Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass man das Asylverfahren zum Teil besser regeln muss, z. B. soll die Bearbeitungsdauer bei Asylverfahren drei Monate künftig nicht überschreiten, die Westbalkanstaaten sollen als sichere Herkunftsländer eingestuft werden, um aussichtslose Asylverfahren von Angehörigen dieser Staaten schneller beenden zu können, die Situation an den EU-Außengrenzen soll überprüft werden etc.”

Wer die Worte Entwicklungshilfe vorantreiben, Friedenskonferenzen verstärken, UNO-Mandate zur Einrichtung von Fluchtzonen in Kriegsgebieten oder gar massive Unterstützung der Anrainerstaaten beispielsweise Syriens und den Aufbau eigener tragfähiger Wirtschaften beispielsweise auf dem afrikanischen Kontinent vermisst, hat einfach zu viel erwartet.

Vielleicht auch deshalb hat sich nun der Leipziger Bundestagsabgeordnete und Koalitionär von Bettina Kudla, Wolfgang Tiefensee (SPD) mit deutlichen Worten in die Leipziger Asyldebatte eingeschaltet.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar