Schon in der Diskussion im Herbst um den geplanten Moschee-Bau der Ahmadiyya-Gemeinde in der Georg-Schumann-Straße zeigte Leipzigs CDU seltsame Positionen, die mit dem Leben in einer weltoffenen Stadt wie Leipzig nicht wirklich viel zu tun haben. Aber nicht einmal die Kaperung der Bürgerinitiative "Gohlis sagt Nein!" scheint die Leipziger CDU zu irritieren. Jetzt will sie mit einer Anfrage im Stadtrat klären, ob die Moschee Unruhe stiftet oder nicht.

Die Anfrage hat sie am 30. April gestellt, Antworten möchte die CDU-Fraktion am 21. Mai bekommen, quasi passend zur Stadtratswahl, die vier Tage später stattfindet. Und weil man ja nichts gegen die Leute hat, die in der Moschee mal beten wollen, geht man baurechtlich vor. Man hat eifrig das deutsche Baugesetzbuch gewälzt, um einen Ansatzpunkt zu finden, mit dem der Bau einer Moschee, die wie eine Moschee aussieht, in der Georg-Schumann-Straße verhindert werden kann.

Dabei ist man auf Paragraph 34 im Baugesetzbuch gestoßen. “Bei der Prüfung eines Bauvorhabens auf seine Zulässigkeit nach § 34 BauGB ist nicht nur zu prüfen, ob die in § 34 Absatz (1) explizit genannten Anforderungen erfüllt sind. Es ist auch zu prüfen, ob das Vorhaben bodenrechtlich beachtliche und erst noch ausgleichsbedürftige Spannungen verursacht. Die Prüfkriterien dafür sind in der einschlägigen Kommentierung des BauGB auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung definiert”, stellt die CDU-Fraktion fest.

In Absatz 1 des Paragraphen heißt es: “Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.”

Und dann findet die CDU-Fraktion im Kommentar Gänslmayer/Hauth unter Randnummer 78/79 zu § 34 einen Passus, der wie die Faust aufs Auge zu passen scheint: “Das Erfordernis des Einfügens schließt nicht schlechthin aus, etwas zu verwirklichen, was es in der Umgebung bisher nicht gibt. Das Gebot des “Einfügens” soll nicht als starre Festlegung auf den gegebenen Rahmen allen individuellen Ideenreichtum blockieren; es zwingt nicht zur Uniformität. Das Erfordernis des Einfügens hindert nicht schlechthin daran, den vorgegebenen Rahmen zu überschreiten. Aber es hindert daran, dies in einer Weise zu tun, die – sei es schon selbst oder sei es infolge der Vorbildwirkung – geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche und erst noch ausgleichsbedürftige Spannungen zu begründen oder die vorhandenen Spannungen zu erhöhen. – Ein solcher Fall ist gegeben, wenn das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet. Stiftet es in diesem Sinne Unruhe, so lassen sich die Voraussetzungen für seine Zulassung nur unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung schaffen. Ein Planungsbedürfnis besteht, wenn durch das Vorhaben schutzwürdige Belange Dritter mehr als geringfügig beeinträchtigt werden. Ein Vorhaben kann auch infolge seiner Vorbildwirkung geeignet sein, bodenrechtlich beachtliche ausgleichsbedürftige Spannungen zu erzeugen oder zu erhöhen.”
“Aus unserer Sicht dürfte ein entsprechendes Planungsbedürfnis bestehen”, meint nun die CDU-Fraktion. Und ist sich sicher: “Der Schlüsselsatz im zitierten Gerichtsurteil ist: ‘Es stiftet eine Unruhe…’.”

Wenn das mal keine Steilvorlage für Leute ist, die eine Moschee, die wie eine Moschee aussieht, schon als Unruhestifung betrachten.

Um das zu verhindern, will die CDU es ganz und gar nicht der Ahmadiyya-Gemeinde überlassen zu bestimmen, wie ihre Moschee aussehen soll.

“Hinzu kommt, dass das von der umgebenden Bebauung als Rahmen vorgegebene Maß der baulichen Nutzung deutlich unterschritten wird. Zudem wird infolge der zurückgesetzten und zur G.-Schumann-Straße hin abgewinkelten Gebäudestellung deutlich von der durch die Nachbarbebauung vorgegebenen Bauflucht abgewichen”, benennt die CDU-Fraktion die Tatsache, dass der Bau tatsächlich eher zurückhaltend und keineswegs “überragend” werden soll. Aber auch das stört ja irgendwie. “Ein Bebauungsplanverfahren ist die vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit, all diese Probleme auf rechtsstaatliche Weise und unter Einbeziehung des Stadtrates zu lösen”, meint die Fraktion, die unbedingt mitreden möchte bei Moscheebau. “Hinzu kommt: es gibt unter der Bevölkerung ein großes Bedürfnis nach Mitsprache in dieser Angelegenheit. Die öffentliche Auslegung eines solchen B-Planes bietet genau diese Möglichkeit der Mitsprache.”

Welche Bevölkerung ist damit gemeint? Die, die die Petition der Bürgerinitiative “Gohlis sagt Nein!” unterschrieben hat? – Das wäre peinlich.

Trotzdem fragt die CDU-Fraktion:

1. Nach dem uns bisher bekannten Agieren der Stadtverwaltung sieht diese offenbar keine Notwendigkeit für ein Bebauungsplanverfahren. Falls dies so zutrifft: warum wird diese Notwendigkeit nicht gesehen?

2. Werden aus Sicht der Stadtverwaltung durch das Bauvorhaben Moschee bodenrechtliche Spannungen begründet oder erhöht? Wenn Ja: welche Schlussfolgerungen zieht die Stadtverwaltung daraus? Wenn Nein: mit welcher Begründung verneint die Stadtverwaltung die Existenz bodenrechtlicher Spannungen?

3. Wie ist generell der aktuelle Stand des Bauantragsverfahrens? Wie wird dabei mit der Tatsache umgegangen, dass nach bisheriger Planung das von der umliegenden Bebauung vorgegebene Maß der baulichen Nutzung deutlich unterschritten wird? Auch eine Unterschreitung ist eine Abweichung. Wie wird weiterhin mit der Tatsache umgegangen, dass sich die zu überbauende Grundstücksfläche/Bauflucht deutlich von derjenigen der benachbarten Gebäude unterscheidet?

Die Anfrage der CDU:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/1ABC8C30B72AFA18C1257CCA002CA7B7/$FILE/V-f-1150.pdf

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