Die Holbeinstraße 28a steht, wie einige andere Immobilien in Leipzig, konstitutiv für die Tatsache, dass der Wohnraum in Leipzig endlich ist. Einige Immobilien wecken aufgrund ihrer Lage und ihrer Geschichte Begehrlichkeiten bei Investoren, die mit der Instandsetzung und Sanierung maroder Bausubstanz höchstmögliche Renditen erzielen wollen – was in einer marktwirtschaftlich strukturierten Gesellschaftsordnung erst mal nicht verwerflich ist. Problematisch wird diese Absicht allerdings, wenn Mieter, die den Wohnraum besetzten, den Vermarktungsinteressen entgegenstehen.

Hier kollidieren zwei diametral entgegengesetzte Vorstellungen vom Begriff Wohnraum. Die Ware Wohnraum steht dem Recht auf Wohnen gegenüber. Versöhnen lassen sich die ungleichen Geschwister nur selten.

So geschehen in der Holbeinstraße 28a. Dort müssen die Mieter nach vielen Jahren ihren selbstgeschaffenen Wohnraum aufgeben. Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 26. Januar 2015 wurde die Gültigkeit der Nutzungsuntersagung der Stadt Leipzig bestätigt.

„Das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege musste diese Nutzungsuntersagung nach einer Ortsbesichtigung und pflichtgemäßem Ermessen zum Schutz von Leib und Leben unter Aspekten des für Wohnen nicht gegebenen Brandschutzes aussprechen“, erläuterte Roland Quester (Persönlicher Referent von Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau) die Gründe der Untersagung. Inhaltlich sei jedoch zum Beispiel die Verquickung von Miet- und Verwaltungsrecht nicht hinterfragt worden, so ein Bewohner der HG28a.

„Man muss sich hier fragen, warum der Neueigentümer, der ja in alle Rechte und Pflichten eintritt, nicht zur Verantwortung gezogen wird, sondern die Mieter das Haus räumen müssen. Für uns bedeutet dies, dass wir jetzt die Wohnnutzung aufgeben müssen, bevor die Stadt das Urteil vollstreckt und ein Zwangsgeld fällig wird. Gültige Mietverträge haben wir dann immer noch. Der nächste Schritt ist die Verhandlung der Räumungsklagen (KSW initiiert) gegen uns.“

Die KSW GmbH hatte die Immobilie 2013 gekauft und will dort Wohnraum im hochpreisigen Segment schaffen. Die Mieter wollten den Platz nicht kampflos räumen und es kam zur rechtlichen Auseinandersetzung, die durch Anraten des Dezernat für Stadtentwicklung und Bau mittels eines Mediationsverfahrens geschlichtet werden sollte. Aus dem Dezernat hieß es dazu: „Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau hat über die Anzeige des Eigentümers, die mediale Berichterstattung und durch Kontaktaufnahmen durch die Mieter von der Auseinandersetzung erfahren. Um im Sinne aller eine gütliche Lösung zu unterstützen, wurden beide Parteien angefragt, ob sie zu einer Mediation bereit wären. Beide Parteien erklärten sich zu einem solchen Versuch außergerichtlicher Einigung mit einem neutralen Mediator bereit, der Eigentümer zudem auch zur Kostenübernahme.“

Allerdings liefen alle Versuche einer einvernehmlichen Lösung ins Leere. Was zu Beginn als Modellprojekt beginnen sollte – nämlich die Unterstützung der Hausgemeinschaft bei der Suche und Sanierung einer alternativen Immobilie – zerbrach an den unterschiedlichen Vorstellungen der Konfliktparteien. Was auch die Frage nach den Möglichkeiten einer Mediation im Raum stehen lässt.

„Die Mediation ist sinnvoll und prinzipiell ein geeignetes Instrument bei Mietauseinandersetzungen“, erklärte der Unternehmenssprecher der KSW GmbH Jörg Zochert. Den Erfolg einer Mediation könne man jedoch nicht erzwingen. Dieser sei abhängig von einer grundsätzlichen Einigungsbereitschaft, dem jeweiligen Verständnis der Position der anderen Partei und den wirtschaftlichen Möglichkeiten. „Durch lange Gerichtsverfahren wird die Verfügungsmasse beider Parteien einfach kleiner. Wenn die Interessen der Parteien nicht in Übereinstimmung zu bringen sind, bleibt es jeder Partei überlassen, die Mediation abzubrechen und die Sache durch Gerichte klären zu lassen.“

Das ist nun geschehen. Zum Nachteil der bisherigen Mieter, die vom Vorbesitzer Wohnmietverträge für Gewerbeflächen erhalten hatten. Das ehemalige Karosseriewerk wurde nie zu Wohnzwecken umgenutzt. Es gab zu „keinem Zeitpunkt eine bauliche Nutzungsgenehmigung für Wohnzwecke“, betont Zochert. Die Nutzung wurde formell und materiell illegal vollzogen.

Die anfänglichen Sanierungsarbeiten ließen die KSW GmbH in keinem guten Licht erscheinen. Durch die Baumaßnahmen, die bis heute in der Holbeinstraße 28a durchgeführt wurden, sei der Brandschutz nicht verbessert worden. Den Eigentümerpflichten sei die KSW GmbH zu keinem Zeitpunkt in angemessener Weise nachgekommen. Freiliegende Stromkabel, Löcher in Wänden und bis zu fünf Tage kein warmes Wasser seien Beispiele der Vernachlässigung von Pflichten, die Mieterrechte verletzten, heißt es von Seiten der Hausgemeinschaft, die sich nun auflösen muss.

„Auch wir bedauern, dass es nicht gelungen ist, trotz Mediation und intensiver Bemühungen der Stadt Leipzig, eine sozial verträgliche Lösung zu finden“, so Zochert. „Die Fakten lagen immer auf dem Tisch. Wir waren gezwungen einen Teil der Summe, die eigentlich als Eigenkapitalunterstützung zum Erwerb eines Alternativobjektes gedacht war, für Anwalts- und Gerichtskosten auszugeben. Dies engt Handlungsspielräume für zukünftige Vergleiche ein. Eine für beide Seiten wohl unbefriedigende Situation.“

Auf Seiten der Hausgemeinschaft sieht man den Sachverhalt ein wenig anders. „Mann kann an einer ehrlichen Motivation der KSW stark zweifeln. Vorschläge wurden nur von uns gemacht, von der KSW zwar aufgegriffen, dann aber ad absurdum zurückgespielt. Der Mediator war nicht vom Fach, konnte also einige Ansagen der KSW ad hoc gar nicht adäquat bewerten“, so ein Bewohner. Beiden Parteien sei allerdings, so eine Verlautbarung des Dezernats für Stadtentwicklung und Bau, ein Mediator mit Vorlage seiner Vita vorgeschlagen worden, „der über umfangreiche Erfahrungen in der Suche von Interessensausgleichen verfügt und der beiderseitig akzeptiert wurde.“

„Zusammengefasst kann man konstatieren, dass sich die Vermutung aufdrängt, mit der KSW zu keinem Zeitpunkt einem seriös kompromissbereiten/verhandlungsbereiten Partner gegenüber gestanden zu haben“, erklärt eine Bewohnerin gegenüber der LIZ. „Es wurde keine Kommunikation auf Augenhöhe erreicht, was verstärkt wurde durch das mangelnde professionelle Auftreten des Mediators. Erschwerend hinzu kommt der Aspekt, dass sich die KSW GmbH mit renditegeschärftem Blick auf ihre künftigen Immobilienaktivitäten in Leipzig zwar auf die Mediation einlassen mussten, jedoch keinerlei öffentliches Regulativ oder festgelegte Zielorientierung diesem Prozess im Rücken stand.“ Eine aktive Unterstützung seitens des Bau Dezernates der Stadt Leipzig habe es nicht gegeben. Man sei mit diesem Konstrukt der Mediation allein gelassen worden ohne die Maßgabe irgendeines geforderten Effektes an die KSW GmbH.

Wie Mediation nicht funktioniert, ist an diesem Beispiel gut zu erkennen. Wenn man kein gutes Beispiel geben kann, dann sind solch Ergebnisse vielleicht für spätere Mediationen ein mahnendes Beispiel – leider auf Kosten der Mieter.

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