Was macht eine Stadt, wenn man zwar ein attraktives Grundstück gleich neben dem BMW-Werk im Leipziger Norden zur Vermarktung zur Verfügung hat, aber dummerweise die Stromleitungen darauf ein bisschen stören? Den Bauern, der hier bislang seine Rüben und Sonnenblumen hinsetzte, hat's nicht gestört. Aber einem interessierten Investor fehlt hier Baufreiheit in der Höhe.

Das Grundstück, um das es geht, liegt westlich des BMW-Werks, mitten im Investitionsgürtel der Stadt im Leipziger Norden. Eigentlich günstig gelegen, der Autobahnanschluss ist gleich nebenan. Nur scheiterte die Vermarktung des Grundstücks in der Vergangenheit immer wieder daran, dass zwei Starkstromleitungen mitten über den Acker führen.

Mit den Worten des Wirtschaftsdezernats, das jetzt eine Ratsvorlage geschrieben hat, klingt das so: “Der bisherige Ansatz der Gebietsentwicklung beinhaltete eine noch zu schaffende innere Erschließung unterhalb der zentralen querenden Freileitungstrasse, auch um die baulichen Einschränkungen im Straßenverlauf zu kompensieren. Eine Vermarktung der eingeschränkt nutzbaren Gewerbegebietsflächen war aufgrund der Gesamtrestriktionen trotz hoher Nachfrage in den zurückliegenden Jahren nicht möglich. Die Bauhöheneinschränkung und die Baufeldgrößen lassen eine wirtschaftliche Nutzbarkeit nicht zu.”

Doch irgendwie hat man sich das Problem selbst organisiert, denn die beiden Freileitungen, die hier den Strom zwischen Taucha und Seehausen und Taucha und Lützschena transportieren, standen nicht immer da. Man hat sie erst vor 13 Jahren da hingestellt, im Zuge der “Baufeldfreimachung des Kernbereichs des Industrieparks Nord-Leipzig-Plaußig u. a. für das BMW Werk Leipzig”. Ãœbrigens mit GRW-Fördermitteln, wie das Wirtschaftsdezernat anmerkt. GRW ist die Abkürzung für Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur.

Irgendjemand muss da 2002 gewaltig gepennt haben, denn für das BMW-Werk hat man so Baufreiheit geschaffen – und im gleichen Zug die benachbarte Vermarktungsfläche blockiert. Das Ergebnis ist: Die Stadt Leipzig bekommt reihenweise Anfragen von möglichen Investoren – aber kann sie trotzdem nicht auf diesem Baufeld GE 11-13 ansiedeln: “Die neue Trassenlage (also die von 2002, d. Red.) westlich der BMW-Allee schränkt die Baufelder GE 11-13 in der Nutzbarkeit aufgrund der Maststandorte und Bauhöheneinschränkung von max. 10 m erheblich ein.”

So erheblich, dass die Stadt jetzt mit dem Stromnetzbetreiber Mitnetz Strom hin und her gerechnet hat, wie man das Problem lösen kann. Das Ergebnis ist eine teure und eine noch teurere Variante. Übrigens nicht zum ersten Mal: In der Vergangenheit hat man schon mehrfach darüber gegrübelt, wie man die Freileitungen verlegen kann. Aber jedes Ergebnis war irgendwie zu teuer.

Doch jetzt scheint es zu pressieren. Es gibt augenscheinlich einen Interessenten für das südliche Baufeld GE 11, der eine erste Teilfläche 2015 auch kaufen würde, wenn zugesichert wird, dass die Freileitung 2016 verlegt wird. Das Wirtschaftsdezernat warnt schon mal: “Eine spätere Bindung würde eine spätere Realisierung in 2016 und deutlich höhere Kosten bedingen. Die Ansiedlung für einen bestehenden Interessenten wäre gefährdet.”

Die richtig teure Variante wäre jetzt die Umverlegung der Freileitungen als Erdkabel außerhalb des Plangebietes. Zwischen 8 bis 10 Millionen Euro würde dieses aufwändige Projekt kosten. Das Wirtschaftsdezernat tendiert also zur nicht ganz so teuren Möglichkeit: Die Freileitung muss dabei trotzdem unter die Erde, doch die Erdkabel werden quer durchs Baugebiet verlegt. Diese Variante würde nur 2,7 Millionen Euro kosten.

Und in diesem Sinne hat das Dezernat jetzt auch seinen Antrag an den Stadtrat formuliert: “Der Oberbürgermeister wird mit der Baufeldfreimachung des Industriegebietes  Industriepark Nord Leipzig-Plaußig im Bereich des GE11-13 westlich der BMW-Allee durch Umverlegung einer 110-KV Freileitungstrasse als Erdkabel beauftragt.”

Dabei sollen 60.000 Euro für die Planung schon 2015 fließen und 2.667.718 Euro dann 2016 für die Kabelverlegung. Dabei könne man wieder GRW-Mittel in Anspruch nehmen, stellt das Wirtschaftsdezernat fest – aber erst 2017: “Die förderfähige Summe beträgt 1.705.267,84 Euro brutto.”

Bleibt noch ein Rest. Woher soll der kommen? – “Die weitere Deckung der Ausgaben erfolgt durch Erlöse aus Grundstücksverkäufen im Liegenschaftsamt … notwendige Summe zur Deckung der Ausgaben: 1.022.450,16 Euro brutto.” Da ahnt man schon, dass das Liegenschaftsamt seine Flächen in der Stadt eigentlich nicht mehr für 140.000 Euro oder ähnliche Peanuts verkaufen kann, wenn schon allein für so ein Projekt eine Million Euro gebraucht wird.

Im Ergebnis soll es dann zwei vermarktbare Flächen westlich der BMW-Allee geben. Und da man im Plangebiet bleibe, sei auch kein neues langwieriges Planfeststellungsverfahren nötig.

Industriepark Nord: Begründung des Vorhabens und Baubeschreibung

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Nur gut, dass man wieder einmal die reinen Investkosten betrachtet und weitaus höheren Betriebskosten und Faktoren wie die Revisionierbarkeit vollkommen außer Acht lässt.
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass die Aufwendungen für die Planung viel zu niedrig angesetzt sind und es spätestens bei den Gründungsarbeiten für das dort entstehende Objekt zu den ersten Schwierigkeiten aufgrund des Verlaufes der Erdtrasse kommen wird. 🙂

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