Wie soll man umgehen mit dem Matthäikirchhof, der seit über 40 Jahren quasi völlig aus dem Bewusstsein der Leipziger verschwunden ist, weil der hässliche Klotz der Stasi-Zentrale draufsteht? Mit der Anfrage von Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, tut sich doch wieder etwas. Und seine Idee könnte – so die Grünen-Fraktion – durchaus der Zündfunke für eine gute Entwicklung auf diesem wertvollen Stück City werden.

Anläufe gab es genug. Auch von den Grünen, die 2014 schon einmal beantragten, die städtebauliche Entwicklung auf dem geschichtsträchtigen Areal in Gang zu bringen. Eine Kindertagesstätte wäre hier prima. Selbst von einer Schule war schon die Rede.

Aber wie fängt man das an? Immerhin geht es um 1,6 Hektar wertvolle Innenstadtfläche. Ein Teil davon gehört dem Bund. Da steht auch ein Teil des Stasi-Klotzes drauf. Deswegen fand Roland Jahn ja den Ort günstig, um hier künftig die Stasi-Unterlagen aus ganz Sachsen zu konzentrieren. Dieses Konzept, mit dem er alle Unterlagen aus den MfS-Beständen künftig zentral für jedes Bundesland archivieren will, hat er dem Bundestag schon zur Entscheidung vorgelegt. Aber der Bundestag hat erst mal nichts entschieden vor der Wahl. Darüber wird also der nächste Bundestag befinden. Jahn will freilich nicht nur die Aktenbestände konzentrieren. Die Idee, in Leipzig ein richtiges „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ zu schaffen, kommt ihm natürlich entgegen.

Dadurch würde die Verwaltung der alten Aktenbestände gekoppelt mit modernen Informations- und Bildungsangeboten zur Demokratie. Das würde zu Leipzig passen. Deswegen findet die Grünen-Fraktion den Vorschlag des OBM zum Matthäikirchhof auch nicht schlecht.

Darum ist ihr Änderungsantrag, den sie am Donnerstag, 31. August, vorgestellt haben, auch eine Erweiterung. Denn das vage Versprechen, dass mit dem Forum rund ein Drittel des Matthäikirchhofes gestaltet wird, reicht ihnen nicht. Wer den Matthäikirchhof anpackt, der müsse ihn von vornherein als Gesamtprojekt betrachten, als ein neues Stadtquartier, bei dem von Anfang an klar sein muss, wie es künftig aussehen soll. Dass es wertvoll ist, hat die Verwaltung oft genug bestätigt.

Es ist das letzte städtische Grundstück in der City, das noch in Regie der Stadt gestaltet werden kann. Deswegen muss frühzeitig klar sein, was die Stadt sich hier wünscht und wie es aussehen soll. Immerhin geht es um innerstädtisches Wohnen, um Gastronomie und möglicherweise kleinteilige Läden. Vielleicht um eine Kita für die City, ganz gewiss aber um die Wiederherstellung einer Platzsituation und um neue Wegebeziehungen, die den Matthäikirchhof für Spaziergänger wieder erlebbar machen.

Das alles sollte in einem Masterplan festgeschrieben sein, finden die Grünen. Vor allem auch, weil Leipzig in letzter Zeit mit der Erarbeitung solcher Masterpläne gute Erfahrungen gemacht habe, betont Grünen-Stadtrat Tim Elschner. Er erinnert an das eigentlich private Projekt am ehemaligen Verladebahnhof an der Eutritzscher Straße, wo es einen intensiven Bürgerworkshop gab.

Die wichtigste Überraschung war: Die Ideen der Planer und die der teilnehmenden Bürger lagen gar nicht so weit auseinander. Auch wenn es für Architekten eine Menge Arbeit macht, dann die erarbeiteten Details auch in die Pläne einzuarbeiten. „Aber das ist ihr Job“ sagt Elschner. Und vor allem würde eine so frühzeitige Verständigung dafür sorgen, dass man sich frühzeitig über Widersprüche veständige und Wege finde, sie in den Planungen zu minimieren.

„Das kann das Bauprojekt enorm beschleunigen“, sagt Elschner.

Auch wenn es dann bei solchen Dimensionen wie am Matthäikirchhof am Ende doch fünf Jahre dauert, bis die Pläne auch umgesetzt werden. Aber gerade deshalb sei Bürgerbeteiligung gerade bei solchen Projekten unabdingbar, sagt die Grünen-Fraktionschefin Katharina Krefft. Was den Fokus auf die ziemlich widersprüchliche Politik in Sachen Bürgerbeteiligung in der Stadt lenkt.

Oft wird sie versprochen – und dann wird doch nur umgesetzt, was sich die Ämter ausgedacht haben. Wie bei der Freilegung des Pleißemühlgrabens. So funktioniert das aber nicht. So schafft das logischerweise Misstrauen in die Stadtpolitik, gerade weil sich die Verwaltung eigentlich verpflichtet hat, die Bürgerbeteiligung in solchen Planungsprozessen zum Standard zu machen und die Bürger vor allem frühzeitig einzubinden – mitsamt ihren möglicherweise „wilden“ Ideen.

Wobei Katharina Krefft auch beim Matthäikirchhof nicht damit rechnet, dass es die Bürgerideen sind, die hier für unerfüllbare Träume sorgen werden. Im Gegenteil: In einer frühzeitigen Einbindung der interessierten Bürger sieht sie gute Chancen, für den Matthäikirchhof tatsächlich zukunftsfähige Visionen zu entwickeln.

Und das dürfe nicht erst nach der Entwicklung eines „Forums für Freiheit und Demokratie“ passieren, sondern solle zumindest parallel vonstatten gehen. Am besten sogar als mehrstufiges Beteiligungsverfahren, an dem die interessierten Bürger mitwirken können.

Wenn man daraus dann ein Gesamtkonzept für das gesamte Areal Matthäikirchhof entwickelt habe, in dem das Forum als Option enthalten ist, könne der Stadtrat beschließen und der Masterplan erarbeitet werden. Dann wäre das Anliegen von Roland Jahn mit eingebunden und der Bundestag bekäme aus Leipzig das Signal, dass man die Idee auch städtebaulich umsetzen kann und will.

„Das wäre ein starkes Signal“, sagt Katharina Krefft.

Und es würde auch den Architekten, die das Forum (eventuell mit Teilen des alten Stasi-Baus) gestalten sollen, einen Rahmen geben für das geplante städtebauliche Ambiente. Ohne Bürgerbeteiligung bei einem Stadtumbauprojekt dieser Dimension werden die Grünen wohl nicht zustimmen. Für Tim Elschner jedenfalls ist Bürgerbeteiligung an dieser Stelle „unumgänglich“.

Der Änderungsantrag der Grünen-Fraktion.

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