Ob jedes gute Ding Weile haben muss, das fragen sich auch Leipzigs Stadtratsfraktionen manchmal. So wie die Grünen-Fraktion, die seit 2016 versucht, im Kolonnadenviertel endlich ein Modellvorhaben für zukunftsfähige Nahmobilität auf die Beine zu kriegen. Oder besser: Die Verwaltung dazu zu kriegen, hier endlich mit der Bürgerbeteiligung zu starten. 2017 wurde das ja nichts. Aber für 2018 gibt es auch noch kein Startsignal.

„Auf Initiative der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Stadtrat vor einem Jahr die Stadtverwaltung beauftragt, ein Konzept ‚Aktive Mobilität/Nahmobilität‘ für das Kolonnadenviertel und sein unmittelbares Umfeld zu erarbeiten. Zum Zeitpunkt des Stadtratsbeschlusses standen Planung, Bürgerbeteiligung und Umsetzung unter dem Vorbehalt, dass zusätzliche Mittel, z. B. aus einem geeigneten EU-Projekt, genutzt werden können“, stellen die Grünen nun in ihrer Nachfrage fest. Man hat sich ja regelrecht daran gewöhnt, dass selbst solche kleinen Projekte von der Stadt Leipzig nicht allein gestemmt werden können, sondern dringend Fördergelder von Bund, Land oder EU gebraucht werden. Dabei geht es hier wirklich nicht um teure Verkehrsinvestitionen, sondern um den täglichen, meist sehr umweltfreundlichen Verkehr und seine Rahmenbedingungen. „Auch die für das Modellprojekt notwendige Stelle des Leipziger Fußverkehrsbeauftragten war noch nicht besetzt. Deshalb freut sich unsere Fraktion, dass diese Stelle nun endlich besetzt werden konnte. Im Rahmen des Projektes DEMO-EC soll nun des Weiteren ein ‚Verkehrskonzept erweiterte Innenstadt‘ erarbeitet werden, mit dem Ziel, eine zunehmende Nutzung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes weiter zu befördern.“

Aber die „erweiterte Innenstadt“ wird nur attraktiv, wenn vor allem nichtmotorisierte Verkehrsarten deutlich bessere Rahmenbedingungen vorfinden. Und das innenstadtnahe Kolonnadenviertel wäre das ideale Feld zum Ausprobieren.

Deswegen haben die Grünen für die nächste Ratsversammlung ein Fragenpaket formuliert, mit dem sie herausbekommen wollen, ob es überhaupt einen Stand der Dinge gibt.

Das Fragenpaket:

  1. Wie stellt sich die Fördermittelkulisse zum Modellprojekt „Aktive Mobilität/Nahmobilität“ für das Kolonnadenviertel (Stand: heute) dar?
  2. Wie und mit welcher Begründung ordnet die Verwaltung dieses Modellprojekt in das Projekt „DEMO-EC“ ein?
  3. Welche Verwaltungsschritte und -vorbereitungen sind und werden konkret erforderlich, um mit der vom Stadtrat beschlossenen breiten Bürgerbeteiligung zum Modellprojekt „Aktive Mobilität/Nahmobilität“ für das Kolonnadenviertel zu beginnen?
  4. Zu welchem Zeitpunkt plant die Verwaltung den Beginn dieser vom Stadtrat beschlossenen frühzeitigen Bürgerbeteiligung?
  5. Welche finanziellen Mittel sind erforderlich, um das Modellprojekt in seinem weiteren Verlauf nicht zu gefährden?

Leipzig ist sogar „Leadpartner“ im EU-Projekt „DEMO-EC“, das 2017 startete und in dem die Stadt mit der Entwicklungsagentur Sinerjia (Toplice, Slovenien), der FAMCP – Vereinigung der Kommunen, Regionen und Provinzen von Aragón (Zaragoza, Spanien), der Stadt Lublin (Polen), der Stadt Genua (Italien) und der Stadt Liberec (Tschechien) zusammenarbeitet.

240.000 Euro stehen Leipzig dabei vor allem für Personalkosten zur Verfügung. Bis 2020 geht es vor allem um Konzepterarbeitung – um die Umsetzung geeigneter Maßnahmen soll es erst ab 2020 gehen.

Und was will Leipzig darin eigentlich bewirken? In der Vorlage vom Juni 2017 findet man das Kolonnadenviertel erst einmal nicht. Aber damals kündigte das Planungsdezernat schon mal an, das Thema Innenstadt deutlich größer zu denken als bisher: „Leipzig hat mittels Umsetzung verschiedener Maßnahmen gemäß Konzept ‚autoarme Innenstadt‘ bereits viel erreicht um die Leipziger Innenstadt störungsarm für den Fuß- und Radverkehr nutzbar zu machen und seine Erreichbarkeit durch Verkehrsmittel des Umweltverbunds zu verbessern. Neben der Validierung des generellen Konzepts ‚autoarme Innenstadt‘ wird eine Fortschreibung/Weiterentwicklung hin zur erweiterten Innenstadt angestrebt. Dies beinhaltet auch die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses VI-A-03547-NF-03 zur Untersuchung der Machbarkeit einer innovativen Verkehrslösung vor dem Hauptbahnhof mit dem Ziel, den öffentlichen wie Fußgänger-Verkehr zu priorisieren und attraktiver zu machen.“

Tatsächlich zeigte die Vorlage sogar, wie knapp die Mittel der Stadt zur Umsetzung solcher Planungsprojekte sind.

Denn unter „Auswirkungen bei Ablehnung des Projektes“ konnte man damals lesen: „Bei einer Ablehnung der Vorlage wird eine Mitarbeit der Stadt am EU-Projekt nicht möglich sein. Damit würde der Stadt die Möglichkeit einer Förderung in Höhe von 204.255 € entgehen. Zugleich entfällt damit die Möglichkeit der Erstellung/Fortschreibung des Verkehrskonzepts ‚erweiterte Innenstadt‘ sowie die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses VI-A-03547-NF-03.“

Ein beschlossenes Konzept wird nicht umgesetzt, weil man dringend EU-Gelder braucht, um die Planungen überhaupt in Gang zu bringen?

Da sollte man wohl erst einmal tief Luft holen. Da hat die Stadt Leipzig ganz sicher zu viele Planstellen gestrichen, als der Haushalt konsolidiert wurde.

Grüne beantragen den Start für das Modellvorhaben Kolonnadenviertel noch im Jahr 2017

Grüne beantragen den Start für das Modellvorhaben Kolonnadenviertel noch im Jahr 2017

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