So richtig weiß bislang noch niemand, wie man mit den Menschen umgehen soll, die sich regelmäßig vor den Eingängen des Hauptbahnhofs aufhalten. Mit lauter Klimpermusik versucht das Hauptbahnhofs-Centermanagement diese Menschen seit geraumer Zeit zu vertreiben. Klappt irgendwie auch nicht. Im Dezember beantragte die Linksfraktion deshalb einen Runden Tisch zur Problemlösung. Das Ordnungsdezernat lehnt das jetzt ab.

Der Antrag lautete so: „Die Stadtverwaltung beruft einen Runden Tisch ein, um die Situation im Außenbereich des Leipziger Hauptbahnhofes gemeinsam zu erörtern. Dort sollen Problemwahrnehmungen, verschiedene Interessen und Perspektiven transparent gemacht werden, um im Anschluss Interventionsbedarfe und -formen zu diskutieren. Am Runden Tisch sollen sowohl VertreterInnen der Stadt, des Bahnhofsmanagements, der Bundespolizei als auch VertreterInnen sozialer Dienste und Vereine (Streetwork, Bahnhofsmission, Träger von Einrichtungen der Sucht- und Wohnungslosenhilfe) beteiligt sein. Bis zum Abschluss dieses Prozesses verzichtet die Stadtverwaltung auf die Übertragung von Außenflächen des Leipziger Hauptbahnhofes an die ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG.“

Wie man hört, hat das Center-Management ganz und gar nicht auf die Musik verzichtet. Aber den Runden Tisch soll es auch nicht geben.

„Der Vorschlag zur Einberufung eines Runden Tisches, um die Situation im Außenbereich des Leipziger Hauptbahnhofes gemeinsam zu erörtern, wird abgelehnt“, meint das Ordnungsdezernat. Und begründet es damit, dass es ja schon einen Haufen Runder Tische zu dem Thema gäbe.

Und zählt dann auf:

Drogenrapport (erweiterter Drogenrapport unter Einbeziehung der Leitungsebene), Teilnehmende Institutionen: Dezernat V (Suchtbeauftragte, AfJFB), Dezernat III (Ordnungsamt), Polizeidirektion Leipzig, Zentrum für Drogenhilfe, Bildungsagentur

Qualitätszirkel Erwachsenenstreetwork, Teilnehmende Institutionen: Suchtbeauftragte (Gesundheitsamt), Sozialamt, Ordnungsamt, AfJFB, Amt für Stadtsanierung und Wohnungsbauförderung, Polizeidirektion Leipzig, Träger Erwachsenenstreetwork (SZL Suchtzentrum gGmbH, Diakonisches Werk, Innere Mission Leipzig e. V., Zentrum für Drogenhilfe)

AG Innenstadt, Teilnehmende Institutionen: Kommunaler Präventionsrat, ECE Leipziger Hauptbahnhof, Promenaden Hauptbahnhof Projekt „SiBa“ – Sicherheit im Bahnhofsviertel

„Darüber hinaus ist die Suchtbeauftragte Mitglied im Lenkungsrat des Kommunalen Präventionsrates, der diese Problematik ebenfalls aufgreift“, heißt es weiter. „Um der Entwicklung gerecht zu werden, werden benannte Arbeitskreise kontinuierlich fortgeführt. Die Installation einer neuen/weiteren Arbeitsgruppe oder eines Runden Tisches ist somit entbehrlich.“

Was einen an den beliebten Spruch der politischen Jugendverbände erinnert: Wenn einer nicht mehr weiter weiß, dann gründet er ‘nen Arbeitskreis.

Nur dass das Anknipsen der Leute-Verscheuch-Musik eigentlich ein unüberhörbares Zeichen dafür ist, dass die Arbeit dieser Arbeitskreise so recht kein Ergebnis bringt.

Man hat es augenscheinlich mit einem städtischen Problem zu tun, das mit einfachen Tisch-Lösungen nicht zu beheben ist.

„Neben den vielen Nutzer/-innen des Nah- und Fernverkehrs, des Einzelhandels, der Gaststätten sowie Touristen wird der Raum von Menschen allen Alters genutzt, welche sich regelmäßig im engeren und weiteren Bahnhofsbereich aufhalten“, schreibt das Ordnungsdezernat in seiner Begründung der Ablehnung. „Der Hauptbahnhof nimmt, wie in anderen Städten auch, unter den öffentlichen Plätzen eine Sonderstellung ein. Er ist für nicht wenige Menschen, insbesondere für Personen mit vergleichbaren prekären Lebenssituationen der Lebensmittelpunkt. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Konflikten, meist ordnungspolitischer Natur. Bettelei, öffentliches Urinieren und Lagerung sind die häufigsten Themen. Die Verwaltung reagierte bisher anlassbezogen unter Beteiligung verschiedener Akteure zur Bearbeitung dieser Themen.“

Bekanntlich hat die Stadt eine Studie zum Thema „Bahnhofsviertel“ in Auftrag gegeben. Die wird vielleicht helfen, die Phänomene genauer zu erfassen. Ob sie Lösungen näherbringt, die wirklich auf menschlicher Ebene Sinn machen, ist offen.

Ein Problem hatte die Linksfraktion ja auch noch mit der Zuordnung der Flächen unter den Vordächern. Hat die Stadt hier ihre Hoheit zugunsten des Center-Managements abgegeben?

Nicht wirklich, erklärt jetzt der Ordnungsbürgermeister.

„Die Antragstellerin schätzt ein, dass die Funktionalität der Flächen unter den Vordächern des Hauptbahnhofes als kommunaler Gehweg aufgegeben wird und eine rechtliche Zuordnung zum Hauptbahnhof erfolgen soll. Sie kritisiert, dass eine ‚faktische Privatisierung der Außenbereiche des Bahnhofs‘ ein falscher Ansatz sei.“

Diese Sachverhaltsannahmen seien nicht korrekt. Tatsächlich verhalte es sich wie folgt:

„Die zwischen Ordnungsamt, Verkehrs- und Tiefbauamt und DB AG abgestimmte Vereinbarung stellt die kraft Gesetzes bestehende Zuordnung der Verantwortlichkeiten klar. So gehören die Flächen unter den Vordächern des Hauptbahnhofgebäudes nach § 4 Abs. 1 EBO (Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung) zur Funktion des Bahnhofgebäudes als überdachter Eingangsbereich und sind damit Bestandteil der Bahnanlage. Damit fällt dieser Bereich in die Zuständigkeit der DB AG und der Bundespolizei.

Die Gehwegnutzung wird dadurch nicht ausgeschlossen und bleibt wie bisher erhalten. Die Nutzungsvereinbarung ist damit lediglich klarstellend und lässt andere Maßnahmen zur Verhinderung sozialer Probleme unberührt.

Die Vereinbarung hat somit nicht die von der Antragstellerin befürchtete Folgewirkung.“

Die Vereinbarung macht also nur klar, dass hier die Bundespolizei tätig werden muss. Das sind die Herren in blau, die immer so martialisch durch die Promenaden marschieren, dass man sich automatisch eng an die Wand drückt, um nicht überrollt zu werden.

Was einem den kleinen Gedanken wachruft, dass die Verhältnisse draußen vor der Tür im Grunde nur die Verhältnisse im Inneren spiegeln.

Linksfraktion fordert Runden Tisch für den Hauptbahnhof und ein Ende der grausamen Musikbeschallung

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