Vor ein paar Jahren war das Ding noch eine kahle, leere Fläche. Kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, es Park zu nennen. Und eine Brache war es nach den Kriegsbomben auch: Zwischen Oswaldstraße und Cäcilienstraße wurde ein komplettes Wohnquartier ausradiert. Ringsum gab es zwar auch heftige Bombenlücken. Aber die wurden noch in den 1980er Jahren mit Wohnblocks gefüllt. Doch am 29. Mai wurde hier tatsächlich ein Kleinod fertig. Nur: Wer war Cäcilie?

Bei Oswald wird man fündig, denn hier wurde 1905 einer der nicht ganz so berühmten Minnesänger gewürdigt: Oswald von Wolkenstein. Aber Cäcilie?

Die Straße wurde 1907 benannt und augenscheinlich hatte man dabei gar keine berühmte Cäcilie vor Augen, sondern wollte nur einen der beliebtesten Mädchennamen der Zeit im Stadtbild verewigen. Cäcilie muss damals so beliebt gewesen sein wie heute Emma.

Und einen gewissen Charme hat der Park, wenn man es endlich mal schafft, ihn zu besuchen, möglichst früh, bevor die Emmas und Cäcilias die Bänke an den blütenreichen Blumenrabatten besetzen und an den vier neu aufgestellten Spielgeräten die Kinder toben. Es ist wirklich ein Quartierspark mit Atmosphäre geworden, dem man nicht ansieht, dass darunter die Trümmer von Häusern liegen.

Wer eine Ahnung davon bekommen möchte, was für Leute hier – sagen wir mal: 1910 – wohnten, der kann ja ins Adressbuch schauen und findet natürlich den Brauereiarbeiter R. Pfeiffer aus der Nr. 9, der mit hoher Sicherheit in der um die Ecke gelegenen Riebeckbrauerei beschäftigt war. Im selben Haus findet man einen Kaufmann, einen Schmied, einen Kellermeister …

Der Blick vom Cäcilienpark direkt zur Brauerei in der Mühlstraße. Foto: Ralf Julke
Der Blick vom Cäcilienpark direkt zur Brauerei in der Mühlstraße. Foto: Ralf Julke

Nebenan in der 11 wohnten der Laternenwärter Böhme, der Steindrucker Böttcher, die Näherin Keiselt und noch ein Kollege von Pfeiffer: der Bierfahrer F. Kratz. Man findet die ganze Palette Leipziger Berufe, kleine Angestellte, kleine Selbstständige. Ein echtes Kleine-Leute-Quartier. Nur: Wo spielten die Kinder? Denn auf den alten Stadtplänen gibt es ringsum kein bisschen Grün. Alles ist dicht bebaut. Vielleicht spielten sie auf der Straße. Das ging ja damals noch.

Der kleine Bankbeamte wird jeden Morgen mit seiner Aktentasche zur Straßenbahn in der Reitzenhainer Straße geeilt sein. Der Briefträger Friedemann aus der Nr. 4 wird wohl eher zu Fuß gelaufen sein und Herr Stahn aus der 22 benutzte natürlich eine Droschke, denn er war Droschkenbesitzer und stand wohl so manchen schönen Sommertag auf dem Augustusplatz, um Fahrgäste zu erwarten.

Vielleicht konnte sich Herr Dittrich aus der 23 ein Fahrrad leisten, denn er war Lehrer und wurde ein bisschen besser bezahlt als die vielen Markthelfer, Maschinisten, Buchbinder und Ratsarbeiter aus der Umgebung, von den Witwen und Invaliden ganz zu schweigen. Oder wie wäre es mit Hilfsschaffner oder Rohrstuhlflechter?

Man merkt erst beim Lesen, wie viele Berufe verschwunden sind in den vergangenen 100 Jahren. Und wie viele kleine Kneipen. In der Nummer 4 in der Cäcilienstraße gab es zum Beispiel die Bierhandlung von F. Dossin.

Blick in den Cäcilienpark Richtung Süden. Foto: Ralf Julke
Blick in den Cäcilienpark Richtung Süden. Foto: Ralf Julke

Daran erinnert der Park nun gar nicht mehr. Und es gilt weiter: Misstraut den Grünflächen. Und den Parkplätzen. Denn auch da, wo heute an der Mühlstraße Parkplätze sind, standen bis zum Zweiten Weltkrieg Wohnhäuser. Die Parkplätze hat man lieber belassen, nur mit Bäumen etwas kaschiert. Dafür sind die Garagen abgerissen worden, die an der Cäcilienstraße für einen ziemlich tristen Anblick sorgten.

Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal hat den neu gestalteten Cäcilienpark am 29. Mai an die Öffentlichkeit übergeben. Als symbolischer Startschuss wurde eine von der Sternburg-Brauerei gespendete Europäische Hopfenbuche gepflanzt. Das wirkt schon ganz anders, wenn man weiß, wie viele Leute hier 1910 lebten, die in der Brauerei einst ihren Lebensunterhalt verdienten.

„Die Größe der Anlage und die Anforderungen an einen Quartierspark erschwerten bisher eine zeitnahe Realisierung des Parks“, erläuterte Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. „Die Lösung war die Kombination zweier verschiedener Projekte: Zum einen die Planung und Neugestaltung der Parkanlage mit Wegebau, Aufenthaltsbereichen und allen Ausstattungselementen durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer und zum anderen die Kompensationsmaßnahme der Deutschen Post DHL Corporate Real Estate Management GmbH, bei welcher der ehemalige Garagenhof abgebrochen und entsiegelt sowie neue Bäume und Sträucher gepflanzt wurden.“

Kleine Blühinseln stehen an den Eingängen in den Cäcilienpark. Foto: Ralf Julke
Kleine Blühinseln stehen an den Eingängen in den Cäcilienpark. Foto: Ralf Julke

Es sollte ja nicht irgendein Park werden, sondern eben ein Quartierspark, bei dem parallel zur Schaffung einer hohen Aufenthaltsqualität durch verschiedene Möglichkeiten zum Sitzen, Spielen und Toben vor allem die parkähnliche Bepflanzung bestehend aus Großbäumen, Hecken- und Staudenstrukturen sowie große offene Rasenflächen und Geländemodellierungen eine Rolle spielen.

So etwas haben früher mal Leute wie Peter Joseph Lenné gemacht.

„Nur durch die Überlagerung der beiden Einzelprojekte konnten wir unser langjähriges Ziel verwirklichen“, betonte Rüdiger Dittmar, Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer. „Mit der intensiven Gestaltung und aufwendigen Begrünung wurde nicht nur das Quartier aufgewertet und Aufenthaltsplätze geschaffen, sondern auch die Identifikation der Anwohner mit der neuen Parkanlage gestärkt.“

Beide im August 2017 begonnenen Projekte (Park und Ersatzpflanzung) wurden vom Landschaftsarchitekten Stefan Petrat, Chef des Landschaftsarchitekturbüros Plantraum aus Halle, geplant. Ausgeführt wurden die Landschaftsbauarbeiten von der Firma Uwe Müller aus Markkleeberg.

Für insgesamt 209.000 Euro ist auf einer Fläche von 6.200 Quadratmetern ein barrierefrei zugänglicher Quartierspark mit hoher Aufenthaltsqualität entstanden. Die Wiesenflächen (3.600 Quadratmeter) sind von Sträuchern (1.000 Quadratmeter) und Bäumen (62 Neupflanzungen) eingerahmt. Im nördlichen Bereich lädt eine offene Wiesenfläche zum Ballspielen, Toben und Bewegen ein. Im südlicheren Bereich bieten sieben Bänke, Findlinge, neun Kletterstämme und modellierte Hügel Möglichkeiten zum Spielen, Treffen, Verstecken und Entspannen.

Durch die großen Bäume und die bepflanzten Erdwälle am Rand der Anlage sollen die dort parkenden Autos aus dem Blickfeld gerückt werden. Die vorhandenen Trampelpfade wurden als Hauptwege in die Planung übernommen und die zwei wichtigen Verbindungswege von Ost nach West erhielten einen wetterfesten Belag. Im Zusammenwirken mit dem Stadtbezirksbeirat Südost wurden zusätzlich im südlichen Teil des Parkes noch vier Kleinspielgeräte entlang der Wege eingebaut.

Und es fällt auf: Die Rabatten wurden mit vielen Blühpflanzen besetzt, sodass auch die Insekten einen Tummelplatz haben – an diesem Sonntag vor allem die Hummeln.

Die Witwe Enderlein und der Invalide Weißke aus der Nr. 1 hätten sich 1910 wahrscheinlich riesig gefreut über die grüne Oase und sich zum Plausch gleich an der Blumenrabatte hingesetzt und gefreut. Aber zu ihrer Zeit war der Blumentopf auf dem Fensterbett wohl das Beste, was sie an Grün bekommen konnten.

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