Wer nichts tut, macht auch nichts verkehrt. So ungefähr muss man wohl in Leipzigs Stadtverwaltung denken, wenn es um den Auenwald geht. Auch wenn es sich auf den ersten Blick nicht so liest, ist die jüngste Antwort von Agrarminister Thomas Schmidt (CDU) auf eine Anfrage des Grünen-Landtagsabgeordneten Wolfram Günther eine Bestätigung dafür, dass in Leipzigs Rathaus nicht das geringste Interesse daran besteht, den Leipziger Auenwald zu retten.

Denn zu retten ist er nur, wenn er großflächig wieder an die natürliche Wasserdynamik der Flüsse angeschlossen wird. Ohne Wasser keine Auendynamik, zu niedrige Grundwasserstände, Zerstörung eines „Natura 2000-Gebietes“. Normalerweise dürfte man davon ausgehen, dass sich gerade Leipzigs Verwaltung intensiv mit der Wiedervernässung der Aue beschäftigt – sonst funktioniert nicht einmal das Projekt „Lebendige Luppe“.

Wolfram Günther erinnerte sich daran, dass es für Leipzig auch mal den Auftrag gab, verschiedene Variantenuntersuchungen zur Bewässerung der Aue durchzuführen.

„Im Hochwasserschutzkonzept Weiße Elster von 2004 sind insbesondere für die Leipziger Nordwestaue im Zusammenhang mit EU-Wasserrahmenrichtlinie, der Gewässerknotensteuerung und Hochwasserschutzplanung in der Aue – zur Variantenauswahl künftiger Planungen – Untersuchungen vorgesehen gewesen.

In diesem Hochwasserschutzkonzept sind im Bereich des nordwestlich Leipzigs bestehenden Auensystems auch verschiedene Varianten zum Deichrückbau und zur Wiedervernässung der Aue betrachtet worden. Für die Maßnahmen (Bsp.: M 2, M 5, M 5a, M 8, M 9, M 16) ist noch eine Variantenentscheidung nach vertiefenden Untersuchungen vorgesehen.“

Von der Staatsregierung wollte er eigentlich wissen, ob das passiert ist und wo die Ergebnisse dazu veröffentlicht sind.

Sind sie das?

Der Agrarminister, der ihm antwortet, behauptet schlankweg: Ja, das sind sie.

„Im Auftrag der Landestalsperrenverwaltung (LTV) und unter Mitwirkung des damaligen Regierungspräsidiums Leipzig beziehungsweise der Landesdirektion Sachsen (LDS) als Fachbehörde wurde bis zum Jahr 2009 unter dem Titel ‚Weiterführende Untersuchungen zur wirtschaftlichen Optimierung der Maßnahmenvorschläge des HWSK Weiße Elster für das Gebiet der Elster-Luppe-Aue‘ eine Machbarkeitsstudie durchgeführt.“

Sind diese Ergebnisse veröffentlicht, wollte Günther wissen.

„Die auf Grundlage der Studie konkretisierten Maßnahmen ‚Deich Ratsholz‘ und ‚Dynamische Wiederbespannung von Altläufen in der nordwestlichen Elster-Luppe-Aue‘ wurden anlässlich des Auwaldforums am 10. Juli 2014 durch die LTV den anwesenden Vertretern von Institutionen, Behörden und Naturschutzverbänden vorgestellt“, antwortet der Minister.

„Beide Vorhaben wurden von der LTV im Jahr 2014 bei der LDS zur Planfeststellung eingereicht. Im Rahmen der Genehmigungsverfahren erfolgt die formelle Beteiligung. Darüber hinaus liegen dem Amt für Umweltschutz der Stadt Leipzig die Ergebnisse dieser Untersuchungen vor.“

Die Antwort lautet also eindeutig: Nein.

Vorgestellt wurden nur die ausgewählten Teilergebnisse zur Deichschlitzung am Ratsholz im Südlichen Auewald und zur Bespannung des Projektes „Lebendige Luppe“ an der Nahle.

Aber gleichzeitig wurde genau bei diesem Auwaldforum auch deutlich, dass die Stadtverwaltung selbst seit 2004 ein Stoppschild verhängt hat. Denn damals schrieb sie – völlig ohne Not – die Unversehrtheit beider Luppedeiche und die „Ausdeichung der kompletten Nordwestaue“ fest.

Was dann zu all den Folgeproblemen führte, die für Diskussionsstoff sorgten: den kompletten Deichneubau mitsamt massiver Baumfällungen am Auwald 2011, kompletter Neubau des Nahleauslasswerkes, mit dem man den „Hochwasserscheitel“ kappen will – obwohl es dafür bis heute keine Wirksamkeitsuntersuchung gibt.

„Antwort zu Frage 3 entfällt, da vertiefende Untersuchungen durchgeführt und die Ergebnisse veröffentlicht wurden sowie eine formelle Beteiligung im Rahmen der Planfeststellung erfolgt“, teilte Schmidt noch mit.

Aber weder die Homepage der Stadt Leipzig noch die des Umweltministeriums gibt darüber Auskunft. Was eben im Klartext heißt: Entweder ist das alles eben nicht öffentlich und der Minister spielt mal wieder Katz und Maus. Oder die Variantenuntersuchungen existieren schlicht nicht – man hat nur untersucht, was zum Leipziger Hochwasserschutzkonzept von 2004 passt – bis hin zur Partheüberleitung in die Neue Luppe, die sich technisch nur mit einer Verrenkung verwirklichen lässt.

Egal, wo man zieht: Man landet bei einem ignoranten Leipziger Umweltdezernat, das 2004 seine teuren und am Ende unnützen Projekte in einem Hochwasserschutzkonzept festgeschrieben hat, das selbst dem Projekt „Lebendige Luppe“ das Wasser abdreht. Und keiner will verantwortlich sein.

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