Am 22. Januar kommt der bekannteste aller Förster Deutschlands, Peter Wohlleben, zu einer Lesung bei Hugendubel nach Leipzig. Er liest dort aus „Das geheime Leben der Bäume“. Am Montag berichteten wir auch über seinen Appell zum Leipziger Auenwald. Und nun bekamen wir auch Post dazu: Wir mögen doch bitte die Petition gegen Peter Wohlleben zur Kenntnis nehmen. Die richte sich an die Medien. Das haben wir getan.

„Auf jeden Fall gebe ich zu bedenken, dass es in Deutschland sehr viele Menschen gibt, die über den Kosmos Wald genau so viel wissen wie Peter Wohlleben. Er ist allerdings aktuell der Einzige, der es versteht, den Wald derart zu vermenschlichen und damit sehr erfolgreich zu vermarkten“, schrieb uns Rolf Engelmann, Geschäftsführer des ENEDAS e.V. und im Projekt „Lebendige Luppe“ als einer der beteiligten Wissenschaftler involviert.

Natürlich haben wir postwendend die Petition angeklickt oder was auch immer das sein soll, denn beim besten Willen wird nicht klar, was die 4.500 Unterzeichner damit eigentlich bezwecken. „Fakten statt Märchen – Wissenschaft statt Wohlleben“, haben sie die Petition betitelt, die, wenn man sie ernst nehmen sollte, doch so etwas wäre wie ein Sprech- und Auftrittsverbot für Peter Wohlleben. Auch wenn es wie eine Petition an die Medien formuliert ist, oder – wie im Text zu lesen – als Offener Brief. Ein Appell an die Journalisten, auch bei Peter Wohlleben nicht alles für bare Münze zu nehmen und sich lieber bei Fachwissenschaftlern nach dem wirklichen Forschungsstand zu erkundigen.

Initiator der Petition ist der Göttinger Forstwirtschaftler Christian Ammer.

Wer sein Profil auf der Homepage der Uni Göttingen aufruft, merkt schnell, warum die Diskussion genau so ist, wie sie ist, und warum Peter Wohlleben so eine Resonanz erfährt in Deutschland. Es hat sich nämlich an unseren Hochschulen die Unart eingebürgert, wissenschaftliche Beiträge nur noch auf Englisch zu veröffentlichen. Das mag wichtig sein, um im Dialog mit der internationalen Forschergemeinde zu bleiben.

Aber es ist eine Null-Botschaft an die interessierte Öffentlichkeit in Deutschland. Und auch an Journalisten, an die Ammer tatsächlich hohe Erwartungen hat: „So wirft dieser Fall aus unserer Sicht grundlegende Fragen nach der Verantwortung des Journalismus im Zeitalter der Informationsüberfrachtung auf. Wie kommt es dazu, dass so viele Journalistinnen und Journalisten die Darstellungen eines selbsternannten Experten nicht stärker hinterfragen, sondern ihm in nahezu allen Medien ein Forum bieten, sich als solcher zu präsentieren?

Zum Thema Wald sind die Vorkenntnisse vieler Menschen offenbar so gering und die Botschaften anscheinend so attraktiv, dass unentdeckt bleibt, in welchem Umfang Mutmaßungen als Fakten verkauft werden. Angesichts der Fachspezifika kann man dies Journalisten nicht zum Vorwurf machen, aber man kann erwarten, dass sie sich insbesondere bei Inhalten, die ungewöhnlich klingen, rückversichern. Eine wirklich kritische Überprüfung attraktiv erscheinender Information findet aber offenbar nicht ausreichend statt.“

Fettmachung von uns.

Ammer wertete die Petition im September 2017 als Erfolg. Aber augenscheinlich plumpste sie wie ein Stein ins Wasser. Und zwar nicht, weil „kritische Journalisten“ jetzt Wohllebens „unwirkliches Bild des Ökosystems Wald“ kritischer betrachten, sondern weil die Petition genau das nicht behebt, was Wohllebens Sicht auf den Wald so publikumswirksam macht.

Tatsächlich macht die Petition etwas deutlich, was ich mal das „arrogante Expertentum der Neuzeit“ nenne: Eine sehr eigentümliche Art vieler Forscher, den Diskurs mit der Öffentlichkeit erst nach Aufforderung zu suchen und zu erwarten, Journalisten müssten jede kritische Stelle in einer Debatte sofort bemerken und dann bei „richtigen Wissenschaftlern“ anrufen, um sie um Aufklärung zu bitten.

Bei Wissenschaftlern, die Texte mit solchen Titeln veröffentlichen: „Back to the roots: how do seedlings of native tree species react to the competition by exotic species?“ oder „Context Identifying the traits of exotic species may explain their invasiveness and help“ oder „Adaptive Forest Management: A Prerequisite for Sustainable Forestry in the Face of Climate Change Managing Forest Ecosystems.“

Dass Peter Wohlleben vieles vereinfacht und popularisiert, ist nicht seine Schwäche, sondern seine Stärke. Und wer die Pro-und-Contra-Diskussion auf OpenPetition liest merkt, dass die Initiatoren hier wahrscheinlich keinen „Sieg“ eingefahren haben. Im Gegenteil.

Ich halte viele der Contra-Positionen für ungemein wichtig. Beginnend mit dieser zum Stichwort Wissenschaftskommunikation: „Wohlleben fehlende Wissenschaftlichkeit vorzuwerfen geht meiner Ansicht nach an der Sache vorbei. Er bewirbt sein Buch auch nicht als reinen Wissenschaftstext: ‚Dazu zieht er die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse ebenso heran wie seine eigenen unmittelbaren Erfahrungen mit dem Wald‘.

Wohlleben ist vielmehr Symptom eines tieferliegenden Problems des Wissenschaftsbetriebs, nämlich die weitgehend fehlende Wissenschaftskommunikation in die Gesellschaft hinein. Diese Lücke füllt Wohlleben – natürlich als Agent seiner eigenen Agenda – brillant aus.“

Oder dieses Argument, das sichtlich von einem Förster stammt: „Seit 25 Jahren leite ich einen naturnah wirtschaftenden Stadtwald. Persönlich regt mich dieses Buch, wenn auch nicht wissenschaftlich, zu einer beruflichen Selbstreflektion an. Unsere Art im Wald zu wirtschaften wird sich dadurch unwesentlich verändern. Werft doch nicht jeden aus dem Fenster der anderer Meinung ist. Die Petition ist überflüssig. Mehr Gelassenheit ist hier ein helfendes Motto.“

So ganz in aller Stile appelliert er hier an die Bereitschaft zur Diskussion. Aber die setzt voraus, dass man den Kritisierten nicht niedermacht, sondern wissenschaftlich belegt, wo er wirklich irrt.

Aber auch dieses Contra kann man uneingeschränkt unterschreiben: „So nötig ich diese Petition auch finde, ich kann sie nicht unterschreiben. Die Herren die diese Aktion hier endlich gestartet haben, sind mit schuld an der Lage, dass P. Wohlleben, der NABU und viele mehr solch eine Reputation in der Bevölkerung besitzen. Jahrelang hat man hinter verschlossenen Türen gesessen, geforscht und gelacht wenn ein Emporkömmling wie Wohlleben etwas schrieb. Man hätte seitens der Forstwissenschaft schon längst einmal mehr Information an den Bürger bringen müssen und zwar in VERSTÄNDLICHEN Worten. Eine Studie aus Finnland interessiert den Bürger nicht. Nehmt ihn mit!“

Es beschreibt genau das Dilemma, das auch in Leipzig seit Jahren zu beobachten ist. Argumentiert wird aus verschlossenen Kreisen, Arbeitsgruppen und Elfenbeintürmen heraus – aber nicht sachlich, sondern disqualifizierend.

Was gerade bei Peter Wohlleben in die Hose geht. Denn einzelne seiner emotionalen Übertreibungen herauszupicken und als unwissenschaftlich zu deklarieren, ist billig. Damit aber alles zu disqualifizieren, was in seinen Büchern steht, ist schäbig. Worauf Pierre L. Ibisch vom Centre for Econics and Ecosystem Management an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde eingeht, dessen Analyse zu Wohllebens Buch in einem Contra-Beitrag verlinkt ist.

Denn das Gegenteil dessen, was die Petition suggeriert, stimmt: Fast alles, was Wohlleben über das Biosystem Wald erzählt, ist wissenschaftlich fundiert. Die Frage ist eher: Wie geht man damit in staatlichen und kommunalen Wäldern um?

Oder gar in einem Landschaftsschutzgebiet?

Diese Debatte wird in Leipzig immer wieder abgewürgt.

Oder noch deutlicher: In Leipzig gibt es keine Debatte über den richtigen Umgang mit dem Auenwald – wider besseres Wissen.

Und dieses Wissen liegt seit Jahren vor. Wer es nicht glaubt, lese die von Dr. Judith Gläser am Leipziger Umweltforschungszentrum (UFZ) entstandene Dissertation zum Leipziger Auenwald – von 2005.

Haarklein listet sie am Ende auf, wie mit dem Auenwald umgegangen werden müsste – aus rein wissenschaftlicher Sicht. Eine Auswahl:

„Die natürliche Verjüngung der Bestände soll der künstlichen Verjüngung vorgezogen werden. Um eine natürliche Verjüngung zu ermöglichen, ist ein natürliches Gleichgewicht  zwischen Wild und Wald erforderlich (Anonymus 1992; MELF 1997; Sickert 2002).

Innerhalb der Schutzgebiete soll auf eine forstliche Nutzung der Auenwälder verzichtet werden. Damit wird dem Gedanken des ‚Prozess-Schutzes‘ in idealer Weise Rechnung  getragen (Finck et al. 2002) sowie eine Erhöhung des Totholzanteiles durch absterbende und tote Altbäume angestrebt. Totholzbestände enthalten viele xylobionte Arten, die häufig in ihrem Vorkommen gefährdet sind (Speight 1989; Möller 1991, 1992; Assmann & Kratochwil 1995; Köhler 2000). Durch natürliche Alterungsprozesse der Bäume würde sich die Artenvielfalt erheblich erhöhen (Möller 1991).

Zur Erhaltung wertvoller Waldstrukturen sowie Lebensräume von krautigen Waldarten sollen alte Waldstandorte erhalten werden (MELF 1997). Diese zählen potenziell zu den ‚hot spots‘ der Biodiversität (Wulf 2003).

Zur Verbesserung der hydrologischen Situation soll auf hydromeliorative Maßnahmen verzichtet, eine Verlangsamung des Hochwasserabflusses zur Verbesserung des Wasserhaushaltes erreicht und eine Erweiterung natürlich überschwemmter Flächen (u. a. durch Deichrückverlegung) angestrebt werden (Gutte & Sickert 1998; Finck et al. 2002). Für den Leipziger Auenwald ist außerdem eine Anhebung des Grundwasserspiegels anzustreben sowie eine Wiederbespannung vorhandener alter Flussläufe, Altwässer und Geländesenken.

(…)

Obwohl die Regenerationsfähigkeit der hier untersuchten Wälder besser als erwartet ist, soll das aber nicht bedeuten, dass alle alten Auenwälder bedenkenlos gerodet werden können. Selbst 100 Jahre sind ein nicht zu akzeptierender Zeitraum für die Kompensation von menschlichen Eingriffen. Alte Waldstandorte sind zudem nicht ‚widerherstellbar‘ (sic, d. Red.) und im Sinne der Eingriffsregelung auch nicht ausgleichbar (Zacharias 1993).

Ein Verlust von alten Waldstandorten würde neben dem Ausfall von Indikatorarten, die häufig gefährdete Arten umfassen (Dzwonko & Loster 1988; Wulf 1995b; Otte 1996; Wulf 1999b), auch Biozönosen benachteiligen, die auf diese Bereiche angewiesen sind (Assmann 1998). Langfristig führt dies zu einer Verringerung des Artenreichtums und der Vollständigkeit der Artengemeinschaft, womit wertbestimmende Kriterien des Naturschutzes nicht erfüllt werden. Außerdem muss offenbleiben, ob die schnelle Regeneration unter den heute veränderten Umweltbedingungen (größere Grundwasserflurabstände, seltene bis ausbleibende Überflutungen, fehlende Zufuhr von Feinsedimenten) noch mit der gleichen Geschwindigkeit stattfinden würde.“

Wie heißt es doch in einem Contra so prägnant? – „Liebe Forstkollegen, was für ein trauriger und peinlicher Vorfall, der leider viel über das Selbstverständnis der alten Förstergarde aussagt (‚Wir sind Herr im Wald und nur wir wissen, was im Wald richtig ist, da hat kein anderer was zu sagen!‘) Man schießt hier nicht nur mit Kanonen auf Spatzen, sondern gesteht ein, dass man mit normaler Kommunikation nicht in der Lage ist, die eigene Meinung den Menschen nahezubringen. Eine Petition gegen ein Buch! (…)“

Wohllebens Weihnachtsbotschaft: Lasst doch die Bäume im Leipziger Auenwald einfach stehen

Wohllebens Weihnachtsbotschaft: Lasst doch die Bäume im Leipziger Auenwald einfach stehen

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Es gibt 8 Kommentare

Nukla hat etwas angerichtet. Richtig. Nämlich den Tisch. Den Tisch für eine offene Diskussion. Eine wirkliche Diskussion auf Augenhöhe. Nicht das, was diese Verwaltung und deren Protagonisten bewußt falsch als solche bezeichnet.

Wenn von NuKLA diese 30jährige Politik incl. der Formalien und deren fehlende demokratische Legitimation (z. Bsp. AG Stadtwald, sogenannter Runder Tisch) begründet in Frage gestellt wird, reagieren die Betroffenen. Zum Beispiel Engelmann mit der ausdrücklich unterstützten “Petition”, deren Inhalt er sich zu eigen macht. Menschlich verständlich, fachlich idiotisch, wissenschaftlich falsch.
Daß Engelmann (auch) für andere in’s Feuer faßt, scheint ihm nicht bewusst zu sein. Rosenthal, Dittmar, Sickert lachen sich in’s Fäustchen.

Oje, Oje..
Was zerstört sich da gerade für altes Porzellan, wie von selbst…
Was hat nukla da angerichtet. Kein Wunder das 11 Wissenschaftler und der Forst sich wehren. Alles hat seine Zeit.

Sehr interessant der Kommentar von Ellen und auch der Link zu den Anmerkungen von Pierre L. Ibisch zu dem Buch Peter Wohllebens.

Es ist doch klar, dass Peter Wohlleben viele Gegner und Feinde in bestimmten Kreisen der Forstwirtschaft und Jägerschaft hat. Er setzt sich für natürliche Waldökosysteme ein und praktiziert das in seinem Revier. Und dazu hat er noch wirtschaftlichen Erfolg; das wird ihm dann natürlich besonders übel genommen… Der Faktor Neid …

So ist dann auch die beschriebene Petition gegen das Waldbuch von Wohlleben zu erklären.

Interessant, wenn auch wenig überraschend, dass Rolf Engelmann sich dieser Petition zumindest inhaltlich wohl angeschlossen hat. Und so kommt dann auch das klägliche Argument, dass Peter Wohlleben den Wald vermenschlicht. Man lese die Bücher einfach mal genau, um zu erkennen, dass er das gerade nicht tut. Auch wenn er bestimmte Begriffe wie Atem, Schmerzen usw. verwendet, so tut er dies stets mit genaueren Erläuterungen, wo er auf diese Parallelen auch näher eingeht und erklärt, warum er solche Wörter verwendet. Ich finde, dies ist auch eine gute Möglichkeit, dem technokratischen Jargon der Holzlobby entgegen zu treten, die in dem Wald bzw. Forst lediglich eine gewinnabwerfende Holzproduktionsmachine sieht.

Das Engagement von Rolf Engelmann für seinen Forstfürsten geht wohl wieder nach hinten los, das zeigt dieser Artikel mit den ergänzenden Links und Kommentaren glücklicherweise deutlich!

Eine interessante Doku in der u.a. der Förster des Lübecker Stadtwaldes, Knut Sturm, sein Verständnis von Wald erläutert.
Und verschiedene andere Wald-Besitzer und -Interessen:
u.a.
Private Waldbesitzer benötigen für ihre Nadelwald-Plantagen Pestizide. Schuld am Verlust ihrer Bäume ist nicht der Klimawandel, Borkenkäfer in Monokulturen etc. sondern Naturschutzorganisationen und Behörden, die das Giftspritzen verbieten.
Negatives Beispiel eines privaten Waldbesitzes bei Wittenberg, über die Treuhand erworben..
Der tonnenschwere Harvester in seiner Auswirkung auf den Waldboden versus Bewirtschaftung mit Pferden, Seilwinden zum Holztransport..
Und, wie so eine Wirtschaftsplantage mit Rückegassen aller 20 Meter aussieht (ab ca. min 18:00), hab’ ich mal als Bild angehangen.
Nachhaltiges privates Wirtschaften eines langjährigen Familienbetriebes in Schleswig-Holstein
Holzpreise: Fichte 85 € (nach 80 Jahren), Buche 80 € (120 Jahre), Eiche 430 € (170 Jahre) pro fm
Ab min 29:00 sind dann angehende Förster der Hochschule Göttingen im Lübecker Stadtwald bei Förster Knut Sturm zu Besuch..

Unser Wald Zoff im deutschen Forst 45 Min NDR 2017
https://www.youtube.com/watch?v=_ruet2t3-kw

Eine wesentlich weiterführende Themenseite vom ZDF Terra X von 2017 (weitere Teile dort verlinkt)
Unsere Wälder (1/3): Die Sprache der Bäume
Unterirdische Netzwerke und chemische Botschaften
https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/unsere-waelder-die-sprache-der-baeume-100.html

Da finde ich es schon sehr anmaßend, ‘den Medien’ die Kompetenz abzusprechen, weil sie nicht dem eigenen Wissensstand und der vertretenen Interessenlage genügen..

Aber zum Glück scheint es inzwischen viel mehr Förster zu geben, die wirtschaften und mit der Natur sorgsam umgehen können. (Aber ich darf ja nur 2 Links pro Kommentar setzen ^^)

Dank an die Redaktion und an die beiden Kommentatorinnen für die sachlich interessante und die emotional angemessen verärgerte Reaktion auf die Empfehlung des Herrn Engelmann. Der, man darf dessen gewiss sein, bereits begründet durch die Art seines Anstellungsverhältnisses als Sprachrohr der Leipziger Verwaltung und der mit ihr innigst verflochtenen hiesigen Wissenschaftlerszene eingeordnet werden kann. Manchmal gehen Schüsse auch nach hinten los, wenn die gründliche bzw. kritische Recherche fehlt und “das Volk” dann doch nicht so blöd ist wie erhofft. Schön, dass so heiß diskutiert wird!

Im Ãœbrigen zeugt diese “Petition” auch nicht grad von wissenschaftlicher Intelligenz. Vereinfacht ausgedrückt würd ich vermuten, da hat jemand Muffensausen.^^

“Zum Thema Wald sind die Vorkenntnisse vieler Menschen offenbar so gering und die Botschaften anscheinend so attraktiv, dass unentdeckt bleibt, in welchem Umfang Mutmaßungen als Fakten verkauft werden.”

Die Herren Wissenschaftler halten uns Normalsterbliche anscheinend für eine extrem naive und leichtgläubige Spezies. Wir laufen doch nicht alle mit der rosa Brille durch den Wald und suchen Elfen und Waldgeister, nur weil wir uns eher mit den Aussagen von Peter Wohlleben identifizieren können als mit irgendwelchen “Waldumbauplänen”? Er mag vieles vereinfacht erklären und hat vielleicht nicht in allem Recht, aber der Mann ist doch kein Sektenführer und seine “Anhänger” wohl auch keine gutgläubigen Schafe.

Wenn ich der Meinung bin, dass so viel Wald wie möglich sich selbst und damit der Natur überlassen bleibt, dann ist das mein gutes Recht. Da brauch ich keinen studierten Zahlendreher, der mir erklärt, dass das dumm ist. Uns/mir die Fähigkeit absprechen zu wollen, uns ein eigenes, realistisches Bild von der Welt zu machen, nur weil wir/ich nicht der marktgerechten Forstwirtschaft huldigen, ist ganz schön frech.

Und eigentlich geht es wohl um einen Streit in ‘der Wissenschaft’.
Der Mitinitiator der Petition bzw. Briefschreiber an die Medien ist Prof. Dr. Jürgen Bauhus (Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg).
Im November 2016 veröffentlichte der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik (WBW) beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ein Gutachten zum Klimaschutz “Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung”.
Und in diesem Beirat ist Prof. Bauhus ein wichtiges und einflussreiches Mitglied. Und einer der federführenden Autoren des Klimaschutzgutachtens und verteidigt dieses auch gegen die Kritik.
(Der damalige Bundesminister war der Herr Christian Schmidt, der eigenmächtig (ohne Zustimmung der Bundesregierung) in der EU im Namen Deutschlands für die Weiterzulassung von Glyphosat gestimmt hat.)

Hauptsächlich geht es wohl darum, dass manche Teile der Fortswirtschaft (Nadelholzplantagen-Besitzer etc.) und der holzverarbeitenden Industrie den Nadelholzanteil in dt. Wäldern stabilisieren bzw. gegenüber dem Laubbaumanteil noch erhöhen möchten, aus wirtschaftlichen Gründen.
Und das Gutachten des WBW stützt diese rein wirtschaftliche Sicht, obwohl ein Wissenschaftlicher Beirat allein dem Gemeinwohl verpflichtet ist.

Nun, in der wissenschaftlichen Kritik liest sich das so:
“Konkret wird ein „ambitioniertes Szenario“ empfohlen, bei dem in den kommenden Jahrzehnten der derzeitige Nadelbaumanteil im deutschen Wald von 55% auf 70% erhöht wird und
50% der derzeitigen Kiefern- und 30% der Fichtenbestände durch Douglasien ersetzt werden
(S. 283). Allein durch diesen Ersatz würde sich die Fläche jener Baumart von 220.000 auf
2,35 Mio. Hektar mehr als verzehnfachen, hinzu kommt die allgemeine Erhöhung des Nadelholzanteils auf 70%. Der Vorschlag wird von Teilen der Fachwelt unterstützt; in der Literatur
wird über den „Laubholz-Irrweg“ geklagt. Jahrzehnte lange Anstrengungen im Waldumbau
zur Herstellung von mehr Naturnähe durch Förderung der Laubbäume sollen rückgängig gemacht werden.

Wir ignorieren nicht den Wald als Wirtschaftsfaktor und die Notwendigkeit der Holzerzeugung. Auch missbilligen wir weder kategorisch den Anbau fremdländischer Bäume in vernünftigem Umfang noch sind wir „ökologische Puristen“ derart, dass auf jedem Standort nur die Bäume wachsen sollen, die dort auch von allein wüchsen.

Wir kritisieren am Gutachten seine Einseitigkeit und mangelhafte Daten- und Literaturnutzung, seine schwachen Begründungen und das Verschweigen aller Nachteile und Risiken, die die empfohlene Strategie mit sich bringen kann. Die Forderungen werden von dünner und überaus selektiver wissenschaftlicher Grundlage abgeleitet. Das Gutachten enthält ausschließlich Vorschläge, die auch dem „deutschen Cluster Forst und Holz“, wie es sich nennt, gefallen.
Wir hoffen, dass sich ein allein dem Gemeinwohl verpflichteter Wissenschaftlicher Beirat nicht der Klientelpolitik verschreibt.”
Kritische Erwiderung von Prof. Dr. Hampicke, unterschrieben von 8 weiteren Professoren und 3 Doktoren:
http://franzjosefadrian.com/wp-content/uploads/2018/04/Hampicke_Laubholz_Irrweg_Erwiderung_Beirat_Waldpolitik.pdf

Hier die ausführliche Einordnung der Debatte und auch die Entgegnung des Prof. Backhus:
Streit um das Klimaschutzgutachten des Wissenschaftlichen Beirats
http://franzjosefadrian.com/politik/waldvision/streit-um-das-klimaschutzgutachten-des-wissenschaftlichen-beirats/

Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier jemand, der auf die Unkenntnis der Hintergründe und der wissenschaftlichen Kontroverse weiß, hier seine Sicht der Dinge einseitig publiziert haben möchte.
Und das auf Kosten eines Menschen, der sich vor Ort und auf Grundlage eigener Erkenntnisse im Wald nachhaltig für unsere Natur als unser aller Lebensgrundlage einsetzt.

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