Am 22. Januar ist er in Leipzig, Deutschlands berühmtester Förster Peter Wohlleben stellt bei Hugendubel sein Buch „Das geheime Leben der Bäume“ vor. Aber sein Statement für Leipzig hat er schon am 19. Dezember veröffentlicht: ein Plädoyer für einen anderen Umgang mit dem Auenwald. Ein Appell an die Leipziger Forstwirtschaft, endlich aufzuhören, den Wald künstlich umbauen zu wollen.

Denn Leipzig hat noch etwas, um was andere Kommunen die Stadt zutiefst beneiden. Nur die Leipziger Verwaltungen scheinen es nicht zu schätzen zu wissen. Nicht einmal der Stadtrat weiß, was für ein seltenes Kleinod da direkt vor der Haustür steht – eine der letzten noch halbwegs ursprünglichen Hartholzauen, wie Peter Wohlleben in seinem Clip auf Facebook erklärt. Der typischste Baum dieser Hartholzaue ist die Eiche. Und sie steht noch da – in vielen eindrucksvollen Exemplaren.

Noch, muss man sagen. Denn ihr Revier ist bedroht. Seit 100 Jahren fehlen die regelmäßigen natürlichen Überschwemmungen. Deiche mauern die ganze Aue ab. Auf den ersten Blick sieht das, was der Stadtrat im Herbst als Forstwirtschaftsplan beschlossen hat, so aus, als würde die Abteilung Stadtforsten den Wald nur zu etwas umbauen, was er früher vielleicht mal war, als die Wälder in der Aue von den Leipzigern auch extensiv genutzt wurden – die Wiesen zum Weiden der Schafe, in den Eichenwäldern wurden die Schweine gemästet, das Unterholz wurde zum Heizen herausgeholt, einzelne Bäume immer wieder zum Hausbau gefällt.

Das veränderte den Wald zu etwas, was die Forstwirtschaft Mittelwald nennt. Und was die in den 1990er Jahren vom damaligen Stadtrat beschlossenen Umbaupläne des Auenwaldes als Leitbild festgeschrieben haben. Bis heute.

Nur dass heute kein Leipziger mehr sein Vieh in den Wald treibt, nur noch echte Kaminfetischisten gefällte Baumstämme herausholen, um ihren Kamin damit zu heizen. Der Wald hat sich in seiner Funktion völlig gewandelt. Er wird von den Leipzigern zum Erholen aufgesucht, zum Wandern und Joggen. Sie lieben ihn trotzdem. Und sind doch jedes Mal entsetzt, wenn die Waldarbeiter riesige Lichtungen hineinschlagen mit der Begründung, sie wollten Platz schaffen, damit hier wieder Eichen wachsen können.

Völlig unnötig, sagt Wohlleben in seinen Videoclip: Eichen brauchen keine Löcher zum Wachsen. „Um Eichen nachzuziehen, braucht man keine Löcher im Wald.“

https://www.youtube.com/watch?v=NrdvSiAGBwU

Er wird noch deutlicher, denn Förster wurde er ja, weil er die Arbeit in der Forstverwaltung nicht mehr ertrug, wo er oft genug gegen sein eigenes Wissen und Gewissen entscheiden musste. Forstverwaltungen ticken anders als Förster. Sie arbeiten nach sturen Plänen und haben feste Vorstellungen davon, wie ihr Wald aussehen soll. Und meist dominiert auch das alte wirtschaftliche Denken vom Wald: Er soll Festmeter an Holz produzieren, damit man Pläne erfüllen und Gewinne machen kann.

Das Ergebnis sind die vielen künstlichen Wälder im Land, die meist mit Baumarten besetzt sind, die schnell wachsen und schnell auch zu Bau- und Schnittholz werden.

Das Denken dominiert auch in Leipzig. Auch wenn die Diskussion um den Forstwirtschaftsplan einen ersten kleinen Erdrutsch ausgelöst hat. Die angegebenen Festmetermengen, die selbst mitten in der Burgaue gefällt werden sollten, stehen nicht mehr als Zielerreichungsgröße da, nicht alle Starkbäume im geplanten Abholzungsrevier sollten gefällt werden. Vom Ökolöwen holte man sich extra Fachkompetenz, um wertvolle Starkbäume auszusieben und von Fällungen zu verschonen. Denn alte Starkbäume sind Lebensort für hunderte Tier- und Pflanzenarten.

Kaum ein Förster in Deutschland weiß so viel über den Kosmos Wald wie Wohlleben. Seine Bücher sind Bestseller, weil sie vielen Menschen zum ersten Mal anschaulich erzählen, was für ein dicht verflochtenes Ökosystem ein natürlicher Wald ist. Und dass nichts daran unwichtig oder verzichtbar ist.

Peter Wohllebens Wortmeldung zum Leipziger Auenwald. Screenshot: L-IZ
Peter Wohllebens Wortmeldung zum Leipziger Auenwald. Screenshot: L-IZ

Bekanntlich ging der NuKLA e.V. in Widerspruch zur Stadtratsentscheidung und brachte die für diesen Winter geplanten Fällarbeiten erst einmal zum Stillstand. Das Argument: Wenn man den ganzen Auenwald auf diese Weise über Jahre systematisch „umbauen“ will zu einem künstlich geschaffenen Mittelwald, dann gehört das zugrunde liegende Projekt naturschutzfachlich geprüft, dann geht es nicht ohne Umweltverträglichkeitsprüfung. Dann ist jeder einzelne Schritt, den Wald zu verändern, Teil eines genehmigungspflichtigen Vorhabens – das aber nicht genehmigt wurde, weil nie beantragt.

Dass man Wald anders denken muss und das forstwirtschaftliche Denken der 1990er Jahre nicht mehr akzeptabel ist, erzählt Peter Wohlleben ja in Sendungen, Büchern, bei Lesungen. Seinen Zuhörern erschließt er ein Verständnis von Wald, das man in Leipzigs Forstwirtschaftsplänen nicht wiederfindet. Wälder sind komplexe Lebewesen. Und sie sind sehr wohl in der Lage, sich selbst zu regenerieren, ihre Wunden zu heilen und wieder ein stabiles ökologisches Gleichgewicht herzustellen. Dazu sind menschliche Eingriffe sogar schädlich.

Denn das, was in der Leipziger Elsteraue als stabiler Hartholzauenbestand entstehen würde, hat nichts mit den Plänen zu einer flächendeckenden Mittelwaldbewirtschaftung zu tun. Auch wenn die Engagierten, die in den 1990er Jahren genau diese menschliche Wiederaufbauarbeit für einen seit Jahrzehnten trockenstehenden Wald beschlossen, glaubten, dass sie damit etwas Gutes tun. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung wirkte das wie so etwas wie „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Nur dass man einem Wald nicht hilft, wenn man ihn fällt, um an seiner Stelle Wald entstehen zu lassen. Das empfindet Wohlleben als ziemlich unsinnig. Und auch als inakzeptabel, „eine schlechte Idee“.

Eine Idee wird nicht besser, wenn man ein bisschen an Forstwirtschaftsplänen herumkorrigiert.

Im Grunde braucht Leipzigs Auenwald vor allem zwei Dinge:

  1. a) die Ă–ffnung der Deiche ĂĽberall dort, wo die Deiche nichts anderes bewirken, als den Auenwald vom Wasser zu trennen, und
  2. b) Prozessschutz in deutlich mehr als den lächerlichen 5 Prozent, wo die Hartholzaue schon heute geschützt ist.

Selbst das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) betont in seiner Analyse zum Leipziger Auenwald, dass die Hartholzaue hochgradig gefährdet und am Verschwinden ist. Ihr fehlt das Wasser. Und gerade in Leipzigs Umweltverwaltung ist nicht mal der Versuch zu sehen, das endlich nach 28 Jahren Gerede, vollmundigen Verheißungen und wilder Bewirtschaftung zu ändern.

Im Grunde appelliert Wohlleben an diese beratungsresistenten Verwaltungsstrukturen und an Leipzigs Stadträte, wenn er aus eigener, längst belastbarer Erfahrung sagt: „Also lasst sie doch einfach stehen.“ Die Bäume, egal, ob sie ins Muster passen. Sie sind Teil eines über Jahrzehnte gewachsenen Biosystems. Und wenn sie sterben, werden andere Bäume, die an den Standort bestens angepasst sind, nachwachsen.

Wenn es die „falschen“ Bäume sind, stimmt etwas am Standort nicht (z. B. weil das Wasser fehlt) und natürlich an den künstlichen Plänen, einen Wunschwald zu schaffen anstelle des Waldes, den man vorfindet und irgendwie verachtet. Anders lässt sich die Leipziger Waldpolitik nicht mehr verstehen.

Termintipp: Am 22. Januar liest Peter Wohlleben aus seinem Buch „Das geheime Leben der Bäume“ in der Leipziger Filiale von Hugendubel. Beginn der Lesung ist 20:15 Uhr, Eintritt: 10 Euro (mit Kundenkarte: 7 Euro).

Deutsche wĂĽnschen sich mehr staatlichen Schutz fĂĽr den Wald

Deutsche wĂĽnschen sich mehr staatlichen Schutz fĂĽr den Wald

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Es gibt 5 Kommentare

Der Ökolöwe hat mit seinem Bärendienst wohl eher dafür gesorgt, daß Sickert, Dittmar und Rosenthal unter freundlichem Beistand der Frau von und zu mit den Rodungen loslegen können. Also nicht dafür gesorgt, daß Bäume stehen bleiben sondern daß Bäume gefällt werden.

Noch mal zum Verständnis: NuKLA hat fĂĽr das Innehalten bei den Abholzungen gesorgt?? Beim Ă–kolöwen im Newsletter klingt es so, es wären die das gewesen: mit einem “neuen PrĂĽfverfahren” hätte sie zusammen mit dem Stadtförster dafĂĽr gesorgt, dass die wertvollen Bäume stehen bleiben und so den Auwald gerettet?

Ich hörte immer das nukla Wald kaufen will, vielleicht sollte die Stadt ihren nicht so sehr geschätzten Auenwald an nukla verkaufen, dann wäre er jedenfalls gerettet..

Sehr schön geschriebener und recherchierter Artikel, alle Achtung!

Es wird einem natĂĽrlich etwas traurig zumute, wenn man sich ausmalt, wie traumhaft gut es dem Leipziger Auwald erginge, wenn Peter Wohlleben oder ein ähnlich “gestrickter” Waldökologe fĂĽr ihn zuständig wäre.

Es würden keine mittelgroßen Kahlschläge, euphemistisch als Femellöcher bezeichnet, in den Wald gehackt, intakte Waldstrukturen mit alten Bäume zerstörend, um wurzelgekappte Eichensetzlinge in Reih und Glied als zukünftige trostlose Monokultur zu etablieren. Solche Eichenkrüppel können niemals zu solchen stattlichen Eichen heranwachsen, wie man sie jetzt noch im Auwald bewundern kann. Man lese einfach die Waldbücher von Peter Wohlleben, um dies zu verstehen.

Höchstwertige Altbeständen mit unzähligen Alteichen und Alteschen (in einem Naturschutzgebiet!) würden nicht zu Mittelwäldern degradiert, in denen v.a. der Ahorn dominiert, eine Art, die man angeblich bekämpfen will. Damit will man angeblich die Artenvielfalt erhöhen. In Peter Wohllebens Büchern kann man nachlesen, was das für ein Unsinn ist, sich möglichst viele Offenlandarten in den Wald zu holen (Offenlandarten im Offenland fördern, Waldarten im Wald förden, so einfach ist das eigentlich).

Und Wissenschaftler wĂĽrden waldökologisch forschen dĂĽrfen (wie an den Unis Bonn und Aachen), um aus dem vorgeschädigten Wirtschaftswald einen tatsächlichen Auwald mit Vorbildcharakter entwickeln zu können. In Leipzig zählt man aber lieber ziellos Insektenarten, die man mit Gift aus den Baumkronen sprĂĽht oder in unzähligen Todesfallen fängt, um dann zu erzählen, dass man auf Eichen die meisten Arten einiger Tierklassen findet, leider aber völlig verkennend, dass eine Eiche nur dann eine hohe ökologische Funktion (und somit auch waldökologisch relevante Biodiversität) aufweisen kann, wenn sie in einem intakten Waldökosystem wächst. Auch hier empfiehlt sich die LektĂĽre von Peter Wohllebens BĂĽchern, um solche Zusammenhänge zu erkennen und die Fehlplanungen der Forstwirtschaft sofort zu entlarven. Mir ist klar, dass auch mehrere Leipziger Wissenschaftler gerne in diese Richtung forschen wĂĽrden, aber anscheinend dĂĽrfen sie nicht, dĂĽrfen nur erforschen, was den derzeitigen forstwirtschftlichen Zielen nicht in die Quere kommen kann. Noch sind sie ruhig, eingenordet und gekauft, aber einige mucken schon auf…

Und es würden keine Altdurchforstungen als sogenannte Sanitärhiebe deklariert werden, nur um auf die avisierte Festmeteranzahl zu kommen.

Und so weiter und so fort…Aber Wunsch bleibt Wunsch, Traum bleibt Traum und Realität bleibt harte Realität (?) Oder vielleicht doch nicht? Immerhin gibt es dank NuKla eine Besinnungsphase, die hoffentlich genutzt werden wird. Wenn nicht, wird es in einigen Jahrzehnten im Leipziger Auwald so aussehen, wie es im HĂĽmmel aussehen wĂĽrde, wenn nicht Peter Wohlleben dieses Revier ĂĽbernommen hätte.

Die BĂĽcher Peter Wohllebens und sicherlich auch die Lesung am 22. Januar bei Hugendubel, eine absolute Empfehlung!

Zitat L-IZ: Vom Ökolöwen holte man sich extra Fachkompetenz, um wertvolle Starkbäume auszusieben und von Fällungen zu verschonen. Denn alte Starkbäume sind Lebensort für hunderte Tier- und Pflanzenarten.
So in dem Artikel zu lesen.
Wer aber legt fest was wertvolle Starkbäume sind?
Wer ist denn “DIE” geholte Fachkompeten?
Jemand aus dem bekannten 11 Wissenschaftlerbereich?
Kann es auch sein, das keine Starkbäume dennoch wertvolle Biotopbäume sind?
Ist der Ökolöwe (wie die LVZ berichtete) der heheimnisvolle Sprayer im Auwald, der mit den Fachexperten?
Graffiti auf etlichen Bäumen – welche Riesen müssen nun gefällt werden? Naturschutzexperten markierten im Rahmen der Forstbewirtschaftung Bäume die bei einer anstehenden Fällung verschont bleiben sollen – besonders schützenswerte. Graffitisprayer haben viele weitere besprüht. Unklar ist nun, welche Bäume gefällt werden müssen.
wie nun weiter?
Danke, Peter Wohlleben, Leipzig freut sich auf den 22. Januar…

Schreiben Sie einen Kommentar