Die Landesdirektion Sachsen hat das Ergebnis der Leipziger Kommunalwahl vom Mai noch immer nicht bestätigt. Das bedeutet: Der alte Stadtrat muss nachsitzen und trifft sich am 4. September auch wieder in alter Zusammensetzung. Und für Piraten-Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann ergibt sich die schöne Gelegenheit, noch einmal viele Anfragen und auch den einen oder anderen Antrag zu stellen. Zum Beispiel gegen die immer wieder diskutierte Bebauung des Johannisplatzes.

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den Bebauungsplan des Johannisplatzes dauerhaft so zu gestalten, dass eine Bebauung mit einem aufragenden Gebäude und insbesondere die Abholzung der Kirschbäume ausgeschlossen ist“, schreibt die Piraten-Stadträtin, die im neu gewählten Stadtrat nicht mehr vertreten sein wird, in ihrem Antrag.

Ursprünglich stand auf dem Johannisplatz auch die Johanniskirche, in der sich bis zu den Kriegszerstörungen im 2. Weltkrieg auch die Grüfte von Johann Sebastian Bach und der beiden Gellert-Brüder befanden. Die Gebeine von Johann Sebastian Bach wanderten ja bekanntlich in die Thomaskirche. Die Gebeine der Gellert-Brüder sind heute auf dem Südfriedhof bestattet.

Zerstört wurde in den Bombennächten des 2. Weltkriegs vor allem das Schiff der Johanniskirche. Der barocke Kirchturm war eigentlich unversehrt und sollte auch wieder saniert werden. Doch 1963 wurde er gesprengt, quasi als „Generalprobe“ für die Sprengung der Paulinerkirche durch die SED-Machthaber. Jahrelang kämpfte der Johanniskirchturm e. V. um die Wiederherstellung des Turmes.

Und noch etwas fehlt heute auf dem Platz: das Luther-Melanchthon-Denkmal, das im 2. Weltkrieg abgebaut und eingeschmolzen wurde. Auch um dessen Wiederaufstellung kämpfte der Verein jahrelang, scheiterte aber an der Haltung der Stadtverwaltung, keine Replik des Denkmals am alten Standort aufstellen zu wollen. Stattdessen gab es einen Wettbewerb für ein neues Luther-Melanchthon-Denkmal, das jetzt in den Grünanlagen westlich des Neuen Rathauses aufgestellt werden soll. Im Grunde wird es nur eine Neuinterpretation des Denkmalssockels geben, die vor allem an das Verschwinden des Denkmals erinnern soll.

Was aber nicht ausschließt, dass es immer wieder Bestrebungen gibt, die kirschbaumgesäumte Rasenfläche vor dem Grassi-Museum zum Beispiel auch mit modernen Ergänzungen für den Grassi-Museumskomplex zu bebauen.

Bitte nicht, meint Ute Elisabeth Gabelmann. Und begründet es auch: „Immer wieder gibt es öffentliche Diskussionen zu der Frage, ob der Johannisplatz – insbesondere die Freifläche vor dem Grassi-Museum – zu bebauen sein soll. Erst kürzlich gab es hierzu einen Ideenwettbewerb. Obwohl es wünschenswert ist, die vor den Luftangriffen des II. Weltkriegs vorherrschende Stadtstruktur wiederherzustellen bzw. sich an ihr zu orientieren, da sie organisch gewachsen und einzigartig war, so ist doch festzuhalten, dass sich mittlerweile der Johannisplatz in seiner jetzigen Form zu einer eigenen städtebaulichen Figur entwickelt hat. Er ist geschätzter Treffpunkt für Einheimische, Liegewiese für Sonnenanbeter, Touristenmagnet und beliebtes Fotomotiv – gerade zur Kirschblütensaison.“

Für sie würden eine aufragende Bebauung wie ein Gebäude oder die Wiederherstellung des Kirchturmes „den Blick auf das Grassi-Museum mit seiner charakteristischen Dachkonstruktion bzw. umgekehrt den Blick auf das sich öffnende ,Tor zu Stadt‘ in Form der Augustusplatz-Bebauung verdecken, Sichtachsen behindern und das ästhetische Empfinden stören.“

Es sind tatsächlich die im Frühjahr rosablühenden Kirschbäume, die dem Platz eine unverwechselbare Note geben.

Gabelmann: „Der Johannisplatz gilt als einer der schönsten Plätze, um in Deutschland die japanische Kirschblüte (Sakura) mitzuerleben, welche traditionell bedeutsam ist. Eine Bebauung, welche die Kirschbäume erhalten würde, wäre – abgesehen von einer sicher komplizierten Umsetzung – ebenso zu kritisieren, da dadurch die eigentlichen ,Stars‘ des Platzes – die vollständige Bepflanzung mit japanischen Kirschbäumen – an den Rand gedrängt würden.“

Der Johannisplatz als Knotenpunkt für die Leipziger Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts

Der Johannisplatz als Knotenpunkt für die Leipziger Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts

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In Hinblick auf das Insektensterben wären heimische Kirschen oder andere Obstbäume besser geeignet, denn diese produzieren wenigstens Nektar (und Pollen). Gewöhnliche Eberesche (Vogelbeere) wäre auch schön.

Grundsätzlich sollte man darüber nachdenken, auf der Fläche – wenigstens teilweise – eine Blühwiese anzulegen. Aktuell ist die “Wiese” ökologisch tot.

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