Am Dienstag, 25. Februar, erschreckte die LVZ ihre Leser mit einer richtigen Horrornachricht: „Floßgraben verlandet – Wasserroute zum Cospudener See in Gefahr“. Der Zeitpunkt war nicht zufällig, denn am 21. Februar hat das Amt für Umweltschutz die neue Allgemeinverfügung zum Floßgraben und zum Schutz des Eisvogels für 2020 veröffentlicht. In der heißt es aus gutem Grund: „Mit maschinenbetriebenen Booten aller Art ist das Befahren grundsätzlich untersagt.“

Dennoch machte die LVZ eine Geschichte draus, in der Ranaboot-Chef Reiner Kehr zu Wort kam, der mit dem „gewässerangepassten Leipzig-Boot“ vielleicht durch den Floßgraben fahren dürfte, wenn er könnte. Aber er kann nicht mehr. Nicht weil der Floßgraben verlandet, sondern weil Leipzig 2015 mit dem Versuch gescheitert ist, den Floßgraben für Motorboote schiffbar zu halten.

Zuvor hat das Leipziger Amt für Umweltschutz immer wieder Sondergenehmigungen für das Leipzig-Boot ausgereicht. Aber auch das Leipzig-Boot kann nur fahren, wenn der Floßgraben Jahr für Jahr von seiner Unterwasservegetation befreit wird. Diese Entkrautungs-Aktionen sorgten 2015 zuletzt für riesigen Wirbel, weil sie eindeutig gegen die Schutzauflagen im Floßgraben und im Leipziger Auenwald verstoßen.

Der alte Traum der Leipziger „Wassertouristiker“, mit dem Leipzig-Boot einen besonderen Bootstyp entwickelt zu haben, der auch im Leipziger Auensystem fahren kann, war geplatzt. Leipzig musste die Entkrautungen endgültig einstellen.

Natürlich mit Folgen für Ranaboot: Die Unterwasservegetation, die so wichtig ist für die im und am Floßgraben lebenden Tier- und Insektenarten, verhindert jede motorgetriebene Durchfahrt. Das ist das Lied, das Reiner Kehr nun wieder in der LVZ anstimmen konnte. Was in gewisser Weise verständlich ist: Er hatte sich darauf verlassen, dass die Ansagen der Kanalplaner im Neuseenland zutreffen und sein Boot auf den Seeverbindungen auch fahren kann.

In die Tasche geschwindelt haben sich die Planer und „Wassertouristiker“, die – auch via LVZ – immer wieder suggerierten, man könne über den Floßgraben eine richtige Verbindung für Motorboote schaffen, auf der vom Stadthafen zum Cospudener See gefahren werden könne. Obwohl sie von Anfang an wussten, dass der Floßgraben im streng geschützten Leipziger Auensystem liegt und Motorbootbetrieb sich dort eigentlich komplett verbietet.

Erlaubt ist dort nur der Allgemeingebrauch. Dazu zählen nun einmal nur muskelkraftbetriebene Boote, die keine Probleme haben, in den gewährleisteten Zeiten durch den Floßgraben zu fahren.

Richtig sauer auf diesen ziemlich verqueren LVZ-Artikel reagiert jetzt der Ökolöwe. Denn der Floßgraben liegt nun einmal im streng geschützten Auwald. Hier hat die Natur das Vorrecht und nicht der Tourismus.

„Der Floßgraben ist kein Disney-Land“, sagt Friederike Lägel, umweltpolitische Sprecherin des Ökolöwen. „Dass sich die Natur den Floßgraben zurückerobert und den Motorbooten endgültig die Durchfahrt versperrt, ist das Beste, was den geschützten Arten passieren kann!“

Trotzdem werde die Durchfahrt von Motorbooten nun erneut durch den Betreiber Ranaboot und andere Akteuren diskutiert. Friederike Lägel findet das absurd: „Alle Akteure des Wassertourismus müssen endlich anerkennen: Motorisierter Bootsverkehr auf dem Floßgraben ist nicht mit dem Naturschutz vereinbar. Diese Haltung vertreten wir Ökolöwen schon seit Jahren.“

Für bedrohte Tierarten wie dem streng geschützten Eisvogel ist der Floßgraben ein Rückzugsgebiet, welches aus gutem Grund europäischen Schutzstatus genießt. Deswegen sind motorbetriebene Boote auf dem Floßgraben seit 2014 generell untersagt. Nun fordert der Betreiber von Ranaboot, den Floßgraben wieder schiffbar zu machen.

Lägel lehnt das klar ab: „Der Lebensraum des Eisvogels sowie die Unterwasserwelt sollen zerstört werden, nur damit sich Schiffsschrauben wieder frei drehen können? Das kommt nicht infrage – schon gar nicht in einem Schutzgebiet!“

Für Kajaks und Kanus ist der Floßgraben generell befahrbar. Ab dem 1. März bis 30. September gelten hier mit der am 21. Februar veröffentlichten Allgemeinverfügung besondere Regelungen bezüglich der Uhrzeiten. Uferbereiche dürfen nicht befahren oder betreten werden. Wer diesen Regeln zuwiderhandelt, begeht eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat.

Noch immer weiß kein Mensch, wie viel gewerblichen Bootsverkehr der Floßgraben verträgt

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Der Leipziger OBM-Wahlkampf in Interviews, Analyse und mit Erfurter Begleitmusik

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Es gibt 6 Kommentare

Die Bergbaufolgelandschaften werden uns sicher noch viele Jahrzehnte, wahrscheinlich eher sogar noch Jahrhunderte, beschäftigen.

Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass es aus ökologischen Gründen besser wäre, man verzichtet auf solche Spielereien wie den Harth-Kanal.

Und ich meine mit ökologisch besser nicht nur besser für die Natur, sondern auch für uns Menschen.

Immerhin ist Wasser für uns lebenswichtig. Und mit Grundwasser sollte man nicht spielen. Denn irgendwo und irgendwann entsteht daraus wieder Trinkwasser. Fließgewässer stehen dabei in Verbindung mit dem Grundwasser. Was heute in einem Fluss landet, sei es Plastikmüll, Medikamentenreste aus Kläranlagen oder irgendwelches übles Wasser aus einer verkorksten Bergbaufolgelandschaft: das landet alles unter Umständen in ihrem oder meinem Wasserglas bzw. den Wassergläsern der Menschen nach uns.

Außerdem kostet dieses WTNK jetzt schon unglaubliche Mengen an Steuergelden. Die man besser verwenden sollte für die Allgemeinheit und nicht die Wunschträume einer Minderheit.

Richtige Wasserwanderer können übrigens auch ohne irgendwelche Kanäle wandern, nur so nebenbei bemerkt. Man kann Boote umtragen und es gibt Hilfsmittel aller Art. Das bedeutet: echte Sportler bräuchten keinen Kanal, die kämen auch so dort rüber.

Danke, lieber J., für die Details.
Ja, kaum ein Leipziger hat ein Motorboot, aber diverse Tourismusfanatiker wollen gern mit dem Boot von Leipzig bis zu den Seen fahren…

Interessant wird es, wenn der Harthkanal fertig werden sollte.
Dann verändert sich nämlich die Wasserqualität des Cospudener Sees, und der läuft in den Floßgraben…

Also zwischen den 70er und 80er Jahren wurde der Batschke der ganze Mittelteil weggebaggert. Seit Ende der 90er kommt wieder Wasser über den Grenzgraben.

Also war die Batschke nicht mehr als zwei Jahrzehnte ohne Wasserdurchfluss, aber davor und danach schon.

Lieber Christian, der Graben ist kein Graben. An dieser Stelle verläuft der Floßgraben im Bett der Batschke. Die Batschke dürfte es mit Sicherheit schon über tausend Jahre und mehr geben. Und die floss auch mit Wasser und allem drum und dran, von Zwenkau bis zur Pleiße, bis man sie zur Hälfte wegen der Braunkohle zerstört hat. Ich schau gleich nach, wann das war, muss im 20. Jahrhundert gewesen sein.
Solange wird es da auch Eisvögel geben, nur war nie einer da, der sie gezählt hat.
Ansonsten gab es doch mal eine Umfrage zum Thema Stadtgrün, was die Leipziger vom Auwald erwarten: Motorboot fahren wird nicht wirklich gewünscht. Es hat auch kaum ein Leipziger ein Motorboot.

Danke für den Artikel als Antwort auf den furchtbaren LVZ-Beitrag!

Er widerspricht sich in Teilen selber (z.B. Sondergenehmigungen) und enthält viel Unfug, den nicht so kundige Leser für bare Münze nehmen werden.
Der Graben war auch schon immer da, nur halt ohne Wasserdurchfluss; liebe “Expertin”.
Und LTM verdreht Ursache und Wirkung: der Eisvogel ist da, weil bisher eine dekadentere Nutzung des Grabens verhindert werden konnte. Nicht, weil er so gut zum forcierten Geldverdientourismus passt.

Offenkundig enthält der Artikel die Message, dass doch der Tourismus gefälligst Vorrang zu haben hat, jetzt, wo die armen Messebesucher doch so gern Motorboot fahren wollen und Leipzig ja als Startpunkt extra den Stadthafen gebaut hat.

Aussagen wie “touristisch nicht befriedigend” oder “falsch verstandener Naturschutz” sind inakzeptabel und zeugen von befremdlichen Weltbildern, in denen die Umwelt keine Rolle spielt, nur der Benefit auf Kosten der Natur.
.

Nur zur Erinnerung: 2012 meinte der auch jetzt in dieser Potition verantwortliche GF des Ökolöwen, dass der Floßgraben für sie kein Thema sei, er stünde bei ihnen nicht auf der Agenda, man wolle keinen Ärger mit der Stadt…
Es war NuKLA, der via Beschwerde bei der Landesdirektion dafür gesorgt hat, dass die Naturschutzbehörde der Stadt Leipzig ihre Genehmigung zur jährlichen Krautung (und damit dem regelmäßigen Zerstören der naturnahen Struktur des Gewässergrundes, damit Motorboote den geschützten Floßgraben befahren können) nicht mehr ausreichen konnte: Jetzt, wo andere Recht durchgesetzt haben, kommt der Löwe um die Ecke und brüllt.

Und die Frage, wie viele Boote der Floßgraben “verträgt” kann nur mit “gar keine” beantwortet werden, wenn man die Naturschutzgesetzgebung ernst nimmt. Denn womit sollte den verglichen werden, um feststellen zu können, bei welcher Nutzung der Floßgraben Schaden nimmt?? Doch nur bei Null Befahrungen. Und die hat es nie gegeben. Die Ausgangsdatenlage ist immer schon eine (durch Nutzung und Eingriffe) verzerrte gewesen. Man müsste den Floßgraben also erstmal über 5 Jahre komplett sperren (und das auch kontrollieren), inkl. der Uferbereich. Dann, und nur dann kann man valide Aussagen dazu treffen, was an Bootsdurchfahrten möglich ist, ohne dass es eine Verschlechterung seines Zustandes gibt.

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