Da war sich der Stadtrat der Leipziger Linksfraktion Siegfried Schlegel ganz sicher: Ein Wassergraben muss genauso gemäht werden wie eine Alm. Erst recht, wenn man die Durchlassfähigkeit für Boote erhalten will. Da war ihm auch der Natur- und Eisvogelschutz im Leipziger Auwald schnurz, als der Bauexperte sogar die Landesdirektion öffentlich angriff. Die hatte zuvor die Stadt Leipzig gerügt für die Entkrautungsaktion des Floßgrabens im Winter.

Die eben nicht nur – wie Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal im März im Stadtrat erklärte – irgendwie aus dem Ruder gelaufen war. Die Landesdirektion wies den Bürgermeister darauf hin, dass solche Eingriffe in einem Naturschutzgebiet gänzlich zu unterlassen sind. Der Floßgraben ist keine Wasserstraße, die “unterhalten” werden muss.

Der Vorsitzende des NuKla e.V., Wolfgang Stoiber, hatte Siegfried Schlegel in dieser Woche schon eine recht deutliche Antwort geschrieben.

Warum ist der Floßgraben keine Alm?

Jetzt meldet sich auch der Leipziger Ökolöwe zu Wort, der dem doch eher für Stadtentwicklung und Bau kompetenten Stadtrat erklärt, warum man den Floßgraben nicht ausmähen muss, um ihn schön zu erhalten.

Das mag einleuchtend klingen, in der Praxis jedoch belegen Fachliteratur und Gutachten, die eigens für den Floßgraben bereits 2010 und 2012 angefertigt wurden: Die Entkrautung des Flüsschens schadet ihm eher, als dass sie ihm nützt, stellt der Ökolöwe fest. Beide Gutachten liegen dem Leipziger Amt für Umweltschutz vor. Man wusste dort also schon vor der Beauftragung der Grabenmahd im Winter, dass der Eingriff gegen die Regeln des Naturschutzes verstieß.

Notwendig können Erhaltungsmaßnahmen durchaus werden, und da habe Schlegel Recht,  gesteht der Ökolöwe zu. Nämlich dann, wenn durch die Wasserpflanzen der Gemeingebrauch behindert wäre oder aber der Abfluss. Aber unter Gemeingebrauch wird bei Gewässern eben nicht die Benutzung mit Motorbooten verstanden, auch wenn das selbst in den Kommentarspalten der L-IZ immer wieder als selbstverständlich behauptet wird: Wer mit einem motorisierten Boot ein für den Gemeingebrauch zur Verfügung stehendes Gewässer nutzen will – und dazu gehören alle Gewässer im Gewässerknoten Leipzig, von der Weißen Elster bis zum Karl-Heine-Kanal – der braucht eine Sondergenehmigung.

Gemeingebrauch, das ist alles, was ohne motorisierten Aufwand zu Wasser geht – Ruderboote, Kanus, Paddelboote.

„Beides war und ist nicht der Fall”, stellt Anja Werner vom Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e. V. fest. “Kanuten stören die Pflanzen bekanntlich nicht, der Abfluss ist nicht behindert, was aus einem nautischen Gutachten von 2010 hervor geht. Hierin wurde deutlich, dass der Floßgraben in Breite und Tiefe einen zu großen Abflussquerschnitt bietet, als dass eine Verlandung wahrscheinlich wäre.”

Also besteht auch keine Verlandungsgefahr, wenn der Floßgraben nicht von Wasserpflanzen bereinigt wird. Dass der Floßgraben vor seiner Wiedernutzbarmachung 2005 an einigen Stellen verschlammt war, lag schlicht daran, dass er lange Zeit kein fließendes Gewässer mehr war. Zumindest nicht bis zur Fertigstellung des Cospudener Sees im Jahr 2000. Vorher war er durch den Tagebau Cospuden über Jahrzehnte von einer Wasserzufuhr, die den Namen verdient hätte, abgeschnitten. Das Wasser stand und war im Bereich des Klärwerks Markkleeberg auch noch regelrecht mit Nährstoffen angereichert.

Erst seit der Cospudener See wieder Wasser an den Floßgraben abgibt, hat der Graben auch wieder eine kleine Strömung und durch die Arbeiten vor zehn Jahren wurden auch die entstandenen Untiefen wieder beseitigt. Seitdem hat er wieder einen wahrnehmbaren Wasserdurchfluss (den die Stadt Leipzig sogar noch gern verstärken möchte), aber vom Cospudener See werden keine Sedimente eingetragen, wie Schlegel in seiner Kühnheit behauptete. Und weil der Graben eben kein stehendes Gewässer mehr ist, entstehen auch keine sauerstofflosen Zonen.

Noch nicht einmal die theoretisch mögliche Verringerung der Sauerstoffwerte des Wassers durch Pflanzen konnte – im limnologischen Gutachten von 2012 – nachgewiesen werden, stellt der Ökolöwe fest. Denn hierfür spielen die Pflanzen eine vernachlässigbare Rolle.

Pflanzen und Tiere im Floßgraben werden beeinträchtigt

Aber dann wird auch der Ökolöwe etwas bissiger: “Nun also fragt sich: Wieso dann Entkrauten? Und die Antwort ist nur schwer ergründlich. Denn es gibt weitere erhellende Ergebnisse des Gutachtens. So verschlechtert sich durch die Krautung beispielsweise der gute ökologische Zustand des Floßgrabens – was gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie verstößt. Auch führt die Entnahme von Pflanzen mitsamt den Tieren daran zu einem Verlust an Biodiversität – was gegen das Umweltschadensgesetz verstößt. Die Regeneration der Lebensräume nach der Krautung dauert ein bis zwei Jahre. Das heißt: Wenn jedes Jahr gekrautet wird, verschwinden diese Arten ganz. Was insbesondere für das streng geschützte Auwaldtier des Jahres 2014 problematisch ist: die Grüne Keiljungfer, eine Libelle. Verliert sie ihren Lebensraum oder wird gar selbst beim Krauten getötet, verstößt das gegen die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU (EU-FFH-Richtlinie). Und wäre das nicht genug, verbessert die Krautung auch den Lebensraum für das Ährige Tausendblatt, welches die Besiedelung durch andere Pflanzen und Tiere erschwert – die Entwicklung einer naturraumtypischen Diversität wird damit verhindert. Was erneut gegen die EU-FFH-Richtlinie verstößt.”

Die Landesdirektion hat also genauso reagiert, wie es die Naturschutzauflagen im südlichen Auwald erfordern: Sie hat sich die Entkrautungsaktionen durch die Leipziger Stadtverwaltung verbeten und will solche Aktionen im Floßgraben nicht wieder erleben.

Was natürlich auch das Ende der motorisierten Bootsfahrten im Floßgraben einläutet, denn nur für sie macht die Entkrautung Sinn. Ganz davon zu schweigen, wie der Ökolöwe feststellt, dass auch die Motorbootsdurchfahrten die Lebensbedingungen im Floßgraben verschlechtern: Die Gutachter von 2012 merken zuletzt an, dass die Pflanzen und Tiere des Floßgrabens zusätzlich beeinträchtigt werden durch die Bootsschrauben von Motorbooten.

„Alles in Allem ein recht verheerendes Ergebnis, das sich aus der Entkrautung und der dadurch möglichen Benutzung des Floßgrabens mit Motorbooten ergibt”, zieht Anja Werner Bilanz. “Sowohl für Flora und Fauna, als auch für die rechtliche Situation der Stadt Leipzig.”

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