Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für verfassungswidrig gekippt. Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs verletze das Recht auf selbstbestimmtes Sterben.

„Die Entscheidung im vorliegenden Verfahren, das wird niemanden in diesem Raum überraschen, nicht leichtgefallen“, leitete Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle die mündliche Urteilsbegründung ein. Allerdings habe das Gericht nicht über ethisch-moralische Überzeugungen zu entscheiden gehabt. Gegenstand des Verfahrens war allein die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Paragrafen 217.

Die Verfassungsrichter halten die Vorschrift, die insbesondere Sterbehilfevereinen verbietet, Sterbewilligen ihre Dienste anzubieten, für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Sie ordneten daher ihre Nichtigkeit an. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Es läge in der freien Selbstbestimmung jedes Einzelnen, den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem er freiwillig aus dem Leben scheiden wolle. Staatliche Eingriffe seien daher unzulässig.

Damit ging das Gericht über eine frühere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hinaus. Die Leipziger Richter hatten 2017 entschieden, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte müsse Schwerstkranken in Ausnahmefällen den ansonsten verbotenen Erwerb tödlich wirkender Medikamente gestatten. Die Entscheidung wird in der Praxis aus politischen Gründen bislang allerdings nicht umgesetzt.

Paragraf 217 stellte nicht den Suizid an sich unter Strafe. Die Selbsttötung ist in Deutschland straffrei. Die Karlsruher Richter weisen in ihrem Urteil darauf hin, dass die Strafvorschrift die Möglichkeiten von Sterbewilligen, Hilfe bei der Selbsttötung in Anspruch zu nehmen, zu stark einengen würde. Nach der Norm sollten lediglich Angehörige und dem Suizidenten nahestehende Personen straffrei bleiben.

Viele Mediziner lehnen die Begleitung von Selbsttötungen aus ethischen Gründen ab. In zehn Bundesländern droht Ärzten berufsrechtlich der Entzug der Approbation, sollten sie bei einem Suizid assistieren, indem sie etwa tödlich wirkende Medikamente verordnen.

Mit dem heutigen Urteil ist die Beihilfe zum Suizid wieder legal. Die Sterbehilfeorganisationen können ihre Arbeit in Deutschland wieder aufnehmen. Die aktive Sterbehilfe ist nach wie vor verboten. Die Tötung auf Verlangen steht in Paragraf 216 des Strafgesetzbuchs unter Strafe.

Der Verordnung tödlich wirkender Medikamente stehen das Betäubungsmittelgesetz und die Blockadehaltung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte entgegen. Wie sich das Karlsruher Urteil in der Praxis auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Der Leipziger OBM-Wahlkampf in Interviews, Analyse und mit Erfurter Begleitmusik

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