Seit Montag, 20. April, sorgt ein Thema im Stadtrat für Furore, das zwar folgerichtig war, nachdem die Verwaltung vorgeschlagen hatte, das neue (Technische) Rathaus auf dem ehemaligen Markthallengrundstück zu bauen. Aber dazu muss ein sieben Jahre alter Verkaufsbeschluss aufgehoben werden. Am Montag preschte die Freibeuter-Fraktion dazu vor. Jetzt gibt es auch noch eine Petition.

Der Verkaufsbeschluss stammt von 2013. Darin hieß es: „Der Oberbürgermeister wir beauftragt, Grundstücksverhandlungen mit dem Höchstbietenden der Markthalle GmbH zum Gebot von 2.500.000 Euro aufzunehmen.“ Wenn das nicht klappte, sollte das Angebot der EDEKA Nordbayern Bau- und Objektgesellschaft von 2,475 Millionen Euro angenommen werden.

Aber zum Verkauf ist es all die Jahre nicht gekommen. Und das, obwohl dieser angepeilte Kaufpreis nicht einmal im Ansatz dem Wert des Grundstücks entspricht.

Sven Morlok (FDP), Fraktionsvorsitzender der Fraktion Freibeuter, zeigte sich am Montag sogar überrascht in Bezug auf die Alternativpläne der Stadtverwaltung mit dem Grundstück: „Vom Verkauf des Markthallengrundstücks am Leuschner-Platz abzusehen, ist angesichts der schleppenden Verhandlungen mit dem bisherigen Interessenten und angesichts der Bedeutung des Grundstücks konsequent. Es gibt jedoch ein mit dem Stadtrat abgestimmtes Verfahren zur Standortsuche für die Verwaltung. Dies darf nicht durch die Entscheidung zur Beendigung der Verkaufsverhandlungen ausgehebelt werden. Überlegungen zu Verwaltungsunterbringung haben in der Vorlage nichts zu suchen.“

Stimmt alles.

Weshalb die Leipziger Stadtverwaltung auch gleich noch eine Rechtsaufsichtsbeschwerde kassiert. Denn diesen Tanz um die wertvollen Grundstücke am Wilhelm-Leuschner-Platz beobachten eine Menge Menschen. Und der Tanz war von Anfang an seltsam, wurde erst 2012 einigermaßen in rechtliche Bahnen gelenkt, als der Stadtrat damals eine Bebauungsplanung beschloss. Erst auf dieser Grundlage konnte überhaupt ein rechtmäßiger Verkauf der Grundstücke in die Wege geleitet werden.

Aber auch das nur für gewisse Zeit, denn immer wieder änderte die Verwaltung ihre Pläne. In der Rechtsaufsichtsbeschwerde heißt es dazu: „Bürgermeisterin Dubrau hat im Verlaufsprotokoll vom 19.11.2019 auf eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bestätigt, dass der im 3. und 4. Quartal 2012 (!) ausgelegte Entwurf mehrfach angepasst worden ist und sich die Rahmenbedingungen seit der Auslegung wesentlich verändert haben. Im September 2017 wäre eine neue Grundlage für die Bauleitplanung bestimmt worden. Der Bebauungsplan sollte im ersten Quartal 2020 in der Ratsversammlung zur Billigung und Offenlage vorgelegt werden.“

Nur hat es für den jetzt neu vorzulegenden Bebauungsplan keine Öffentlichkeitsbeteiligung gegeben. Der B-Plan ist damit so eigentlich nicht beschlussfähig, stellt der Diplom-Volkswirt Antonio Moscato fest. Denn die Bürgerbeteiligung zum B-Plan von 2012 kann ja nicht einfach für den B-Plan von 2020 geltend gemacht werden.

Und natürlich sind mittlerweile auch alle Beschlüsse, auf Grundlage des B-Plans von 2012 einzelne Grundstücke zu verkaufen, rechtlich nicht mehr belastbar.

Weshalb die Petition, die Moscato eingereicht hat, jetzt als Beschluss im Stadtrat (ganz ähnlich wie der Freibeuter-Antrag) vorschlägt: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die in 2013 erfolgte Ausschreibung des Grundstückes Grünewaldstraße ohne Hausnummer in 04103 Leipzig, Teilfläche von Flurstück 1182a der Gemarkung Leipzig mit sofortiger Wirkung aufzuheben.“

Und dafür ist nicht nur der mehrfach „angepasste“ Bebauungsplan grundlegend. Es geht auch um richtig viel Geld.

Der Begründungstext: „Die Veräußerung von Grundstücken unter dem Verkehrswert muss im Freistaat Sachsen durch klare und nachvollziehbare Beschlüsse des Gemeinderates begründet werden. Dies setzt in jedem Fall zunächst die Feststellung des vollen Wertes und sodann die Begründung der politischen Entscheidung zur Absenkung des Kaufpreises auf eine vom Gremium gewollte Höhe voraus. Ferner soll die Angemessenheit von Nachlässen an Kriterien ausgerichtet sein, die eine Übertragung auf vergleichbare Fälle zulassen. Nach den Grundsätzen der Haushaltsklarheit und -wahrheit sind die durch die Nachlässe gewährten Subventionen in den Haushalt einzustellen (§ 90 SächsGemO, VwV kommunale Grundstücksveräußerung).

Das Markthallengrundstück hat gemäß Bodenrichtwert 2019 einen aktuellen Wert von mindestens 14.600.000 € (7.300 m² x 2.000,00 €/m²). Der Abschluss eines Kaufvertrages ist nicht genehmigungsfähig. Für innerstädtische Kerngebietsflächen wurden im Grundstücksmarktbericht 2011 als Grundlage für die Wertermittlung Preise von 1.500 bis 4.000 €/m² angegeben. Aufgrund der vorliegenden Informationen und den geltenden Vorschriften konnte der Gutachter im September 2012 keinen Bodenwert unter 1.500 €/m² für das Grundstück ermitteln. Das Markthallengrundstück hatte im Zeitpunkt der Ausschreibung mindestens einen Wert in Höhe von 10.950.000 € (7.300 m² x 1.500,00 €/m²). Der Gutachter hatte 2.450.000 € ausgewiesen.“

Und zwischen 2,5 Millionen und 14,6 Millionen Euro besteht nun einmal ein gewaltiger Unterschied. Der Stadtrat wäre also gut beraten, seinen Verkaufsbeschluss von 2013 aufzuheben, auch vor dem Hintergrund, dass ja die Stadt auf dem Grundstück wenigsten mit dem Gedanken spielt, einen Verwaltungsbau für 500 Mitarbeiter/-innen zu errichten – über einer möglichen Markthalle, die man ja trotzdem braucht.

Die Markthalle soll kommen und auch für Pflanzen und Tiere soll es ein Eckchen geben

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