So geht das nicht wirklich. Als das Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule im Mai die Vorlage zum Erweiterungsbau der Apollonia-von-Wiedebach-Schule öffentlich machte, fielen nicht nur die Anrainer aus allen Wolken. Das neue Projekt hatte mit den Auskünften und Ankündigungen aus den Vorjahren nichts mehr zu tun. Am 10. Juni soll eigentlich die Ratsversammlung über den Bau entscheiden. Aber jetzt gibt es auch eine Petition.

Frisch eingestellt auf der „Bürgerservice“-Seite der Stadt listet sie alle Argumente auf, die gegen den geplanten Bau sprechen.

Die Begründung der Petition.

Ursprünglich geplant war der Erweiterungsbau an der Nordseite der Schule zur Scheffelstraße hin. Aber da gab es Einspruch vom Denkmalschutz, da würde die Stirnseite des Schulgebäudes zu sehr beeinträchtigt. Doch noch 2019 betonte die Stadt, dass der Erweiterungsbau dort erfolgen sollte. Und auch im April noch wurde den Stadträten in der Liste mit den geplanten Schulerweiterungsbauten ein Erweiterungsbau an der Nordseite offeriert.

Doch im Mai war auf einmal alles anders, war ein viel größerer Erweiterungsbau nun mitten auf den von großen Bäumen bestandenen Schulhof gesetzt worden, deutlich teurer als die erste Variante, aber augenscheinlich schon im August 2019 so geplant, denn da wurde schon der entsprechende Förderantrag gestellt.

Und nun sollte das Projekt quasi im Schweinsgalopp durch die Gremien gejagt werden.

Der Schulhof der Apollonia-von-Wiedebach-Schule am 28. Februar. Foto: Ralf Julke
Der Schulhof der Apollonia-von-Wiedebach-Schule am 28. Februar. Foto: Ralf Julke

Der Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau wurde sogar fast als Letzter auf die Terminliste gesetzt. Am Dienstag, 2. Juni, sollte er Stellung beziehen zu dem Bauvorhaben. Am nächsten Tag war der Stadtbezirksbeirat Süd dran. Der stimmte dem Bauvorhaben zu. Denn geändert hat sich ja an der Tatsache, dass der Erweiterungsbau gebraucht wird, nichts. Und die Stadt hat ja schon Tatsachen geschaffen.

Schon im Februar wurden auf dem Schulhof 20 alte und teilweise unter Schutz stehende Bäume mit kurzfristiger Genehmigung des Umweltschutzamtes gefällt, zwei Tage vor Ende der Fällsaison, denn nachdem sich jahrelang nichts getan hatte, will man jetzt in den Sommerferien mit dem Bau beginnen.

Das kam im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau gar nicht gut an. Dort ist man es mittlerweile gewohnt, dass wichtige Beschlussvorlagen erst mit jahrelanger Verspätung zur Beratung kommen, dann sind sie oft nicht durchdacht, fehlen wichtige Aspekte und entscheidende Fragen sind nicht geklärt.

Das trifft auch auf die Vorlage zum Erweiterungsbau der Appolonia-von-Wiedebach-Schule zu. Und besonders sauer stieß im Ausschuss die Tatsache auf, dass es zu diesem Bau keine Bürgerbeteiligung gab, von einer frühzeitigen Information aller Beteiligten ganz zu schweigen.

Auch das ein Muster, das sich bei wichtigen Bauvorhaben in Leipzig eingeschlichen hat: Bürgerbeteiligung wird einfach ausgehebelt, indem Vorlagen so spät in die Beratung kommen, dass vor dem geplanten Baubeginn gar keine Beteiligungsprozesse mehr organisiert werden können.

Die Ergebnisse sind in der Regel fatal: Es werden Bäume gefällt und jahrzehntealte Biotope zerstört, ohne dass die Umweltverbände auch nur prüfen können, ob damit wichtige Schutzgüter vernichtet werden. Es werden Flächen unter der Behauptung versiegelt, man brauche sie unbedingt als Parkplatz – auch wenn sie hinterher gar nicht gebraucht werden. Und die Architektur stammt aus dem Baukasten und passt nicht ansatzweise ins Straßenbild. Mittlerweile kommen auch fehlende Mehrfachnutzungen hinzu, seit in Leipzig Freiflächen für Neubau fehlen.

Letzteres hat man beim geplanten Neubau der Apollonia-von-Wiedebach-Schule zumindest beachtet. Aber gleichzeitig verbaut man einen Schulhof, der für die wachsende Schülerzahl (von 500 auf 800) dringend gebraucht wird. Die Schulleitung will das mit getakteten Pausenzeiten für die Schüler/-innen lösen.

Auch der Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau zweifelt nicht daran, dass ein Erweiterungsbau dringend notwendig ist. Aber die Vorlage zeigte nur zu offensichtlich, dass sich hier die Planer nicht einmal Gedanken darüber gemacht hatten, Stadträte und Bürger möglichst frühzeitig einzubinden. Das späte Einbringen ins Verfahren erzwingt geradezu eine überstürzte Akzeptanz des Vorhabens.

Aber das ließen sich die Ausschussmitglieder so nicht gefallen: Die meisten enthielten sich bei der Abstimmung über die Vorlage, fünf stimmten dagegen.

Das sieht nicht danach aus, dass die Vorlage am 10. Juni im Stadtrat eine unhinterfragte Zustimmung bekommt.

Die Stadt will die Apollonia-von-Wiedebach-Schule schon ab dem Sommer sanieren und um einen Neubau im Schulhof erweitern

Die Stadt will die Apollonia-von-Wiedebach-Schule schon ab dem Sommer sanieren und um einen Neubau im Schulhof erweitern

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