Wenn schon, dann richtig, dachten sich die Fraktionen von Linken, Grünen und SPD, als sie den 2. Änderungsvorschlag des Umweltdezernats zum Planungsbeschluss „,Lebendige Luppe‘ – Projekterweiterung und Kostenentwicklung“ lasen. Denn wenn die Projektmitarbeiter von „Lebendige Luppe“ jetzt ein „Integriertes Auenentwicklungskonzept für die Nordwestaue“ erarbeiten sollen, dann hat das Auswirkungen – auch auf die Politik der Stadtverwaltung.

Im Beschlussvorschlag des Dezernats Umwelt, Ordnung, Sport wird eher beiläufig auf das Auenentwicklungskonzept eingegangen, obwohl das die zentrale Veränderung zum Planungsbeschluss „Lebendige Luppe“ von 2012 ist. Denn aus den damals beschlossenen Planungen sind tatsächlich nur der Zschampert und der Burgauenbach umsetzbar.

Für den eigentlich zentralen Kern – die Wiederbespannung der alten Flussläufe, insbesondere der Alten Luppe, fehlt das Wasser. Und das Wasser fehlt, weil an den Deichen im Gebiet nicht gerüttelt wird, solange es kein belastbares Auen-Revitalisierungskonzept gibt.

Also ungefähr das, was das Projekt „Lebendige Luppe“ jetzt bis 2022 erarbeiten soll. Aber schon jetzt ist klar, dass das ohne sorgfältige Planungen für sämtliche Bauwerke der Stadt in der Nordwestaue nicht geht. Das muss alles mitgedacht werden, sonst hat man hinterher wieder lauter „sensible Infrastrukturen“, die eine Öffnung der Aue für ganz normale Hochwasser und natürliche Flussläufe unmöglich machen.

Und genau das schreiben jetzt die Fraktionen von Linken, Grünen und SPD in ihrem Änderungsantrag, der in der heutigen Ratsversammlung (15. Juli) im Kongresscenter zur Abstimmung kommen soll. Dabei beziehen sie sich direkt auf das im Mai zur Kenntnis genommene (neue) integrierte Auenentwicklungskonzept, mit dem ja endlich das passiert ist, was eigentlich auch schon 2012 dran war: Planungen für die gesamte Nordwestaue (und die Südaue) anzugehen, um sie nach und nach wieder zu öffnen und zu einer lebendigen Flusslandschaft zu machen.

Das Projekt „Lebendige Luppe“ wird dabei ganz zentral, wie die drei Fraktionen feststellen: „Die Maßnahmen des Projektes Lebendige Luppe müssen als zentrale Weichenstellung für eine mittelfristige bis langfristige Umsetzung des integrierten Auenentwicklungskonzeptes wirken.“

Aber: Es muss alle Pläne, die sonst noch die Elster-Luppe-Aue betreffen, mit berücksichtigen, also – wie im Antrag formuliert – „ein aktives Offenhalten von Randbedingungen für das Gesamtkonzept z. B. der Mitwirkung von tangierenden Verfahren (z. B. Erweiterung Klärwerk), Infrastrukturmaßnahmen (z. B. Brücken) oder beim NATURA 2000-Gebietsmanagement“ ermöglichen.

Und damit das nicht wieder in diversen Ämtern versackt, heißt der nächste Antragspunkt: „Entsprechende Abstimmungen zum integrierten Auenentwicklungskonzept mit passender Ausrichtung der Projektmaßnahmen Lebendige Luppe sind mit dem Fördermittelgeber BfN sowie dem Freistaat Sachsen (SMEKUL/LTV/LfULG) zu führen.“

Und 2022 soll die Arbeit an dem Konzept nicht enden. Das wäre katastrophal, wenn es sich dann in einen Papiertiger verwandelt, den keiner wirklich ernst nimmt. Also: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, Gespräche mit dem BfN u. a. Fördermittelgebern sowie dem Freistaat Sachsen projektbegleitend weiterzuführen, um das Projekt Lebendige Luppe nach 2020/23 in ein Naturschutzgroßprojekt für das gesamte Auwaldgebiet zu überführen.“

Dahin, wo es das Umweltministerium eigentlich schon seit geraumer Weile haben möchte. Denn das Naturschutzgebiet „Leipziger Auensystem“ ist zwar in Sachsen einzigartig und sollte das erste große Auen-Revitalisierungsprojekt des Freistaats werden. Nur passiert ist nichts. Was dann meist auch wieder als Begründung dafür herangezogen wird, dass man ja deshalb einen Forstwirtschaftsplan aufstellen und den Auenwald durch Bewirtschaftung „retten“ müsste. Und da Leipzigs Umweltdezernat vor 2050 keine Änderung bei diesem Zustand sah, schienen im Herbst 2019 noch alle Türen offen, genau so immer weiterzumachen.

Mit der Beauftragung des Projekts „Lebendige Luppe“, bis 2022 ein Auenentwicklungskonzept zu erstellen, wird der erste Schritt getan, endlich eine To-do-Liste aufzumachen, was zuallererst in der Nordwestaue verändert und rückgebaut werden muss, damit hier wieder ein natürliches Flussregime entstehen kann und der Mensch sich endlich als Regulierer und Flussverwalter zurückzieht. Was übrigens langfristig auch die Kosten für die Infrastrukturen verringert und die Aufnahmekapazität der Aue für Hochwasser deutlich erhöht.

Denn eins ist sicher: Auch Sachsen wird künftig nicht mehr die Milliarden zur Verfügung haben, um auf jedes Hochwasserereignis mit immer neuen Bauwerken und Reparaturen zu reagieren. Die Flüsse brauchen möglichst wieder ihre ursprünglichen Auen (und damit Überflutungsbetten) zurück. Kanalisierungen und Einengungen müssen zurückgebaut werden, wenn künftige Starkregen nicht jedes Mal zu wilden Alarmaktionen werden sollen.

Und auch etliche private Bauten müssen aus der Aue wieder verschwinden. Sie haben dort nichts zu suchen. Auch diesen Rückzug muss man mittelfristig organisieren.

Was Leipzig dafür bekommt, ist eine Auenlandschaft, die sich wieder selbst erhalten kann – auch mit ungestörten Räumen, in denen sich Pflanzen- und Tierwelt wieder erholen können. Ob das dann der von der Leipziger Forstwirtschaft anvisierte Baumbestand ist, ist völlig offen. Denn der Mensch tut gut daran, Wälder nicht mehr mit Eingriffen dazu zwingen zu wollen, so zu sein, wie man sich das am Schreibtisch ausgedacht hat. Wenn die alten Flussläufe wieder ganz natürlich durchflutet werden, wird sich auch genau die Artenvielfalt wieder einstellen, die in eine solche Aue gehört. Und sie wird umso stabiler sein, je weniger sich der Mensch weiterhin als „Herr der Schöpfung“ einmischt.

Ökolöwe zur Zukunft des Auenwaldes: Die Leipziger Aue braucht exklusiven Schutz

Ökolöwe zur Zukunft des Auenwaldes: Die Leipziger Aue braucht exklusiven Schutz

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 2 Kommentare

Da wird man ja höllisch aufpassen müssen, damit nicht am Ende ein paar Maßnähmchen wie z.B. Minibasteleien am Burgauenbach (der NaBu hat ja auch die Sanierung eines kleinen Bauwerks an den Papitzer Lehmlachen als größere Naturschutzmaßnahme verkauft) als Auenrevitalisierung verkauft werden und das große Auenentwicklungskonzept in der Schublade verschwindet. Schön reden alleine genügt nicht, das vergessen Politiker nur zu gerne…

Zum Offenhalten der Randbedingungen: Dazu zählen dann ja wohl auch ganz zwingend alle forstlichen Planungen, sprich eine zunächst mindestens 10jährige Hiebsruhe im Leipziger Auwald (bis auf Sicherungsmaßnahmen an Wegen u.ä.). Das ist Pflicht! Dafür müssen die Politiker dann auch einstehen! SPD, Grüne und Linke müssten glaube ich auch eine Mehrheit im Stadtrat haben, man wird sehen, ob sie das einfordern werden!

Richtig: die einzige Lösung kann nur ein groß angelegtes Naturschutzgroßprojekt sein, das muss her! Das war ja schon 2014 von NuKla als Aula-Projekt das zentrale Thema (Das Auenband der Weißen Elster)!
https://www.nukla.de/die-idee/aula-projekt-2030/
Zitat: “Unser Ansatz ist die Idee eines Großen Naturschutzprojektes für die Auengebiete von Zeitz bis Halle/ Saale mit dem einzigartigen urbanen Leipziger Auwald und einem renaturierten Leipziger Gewässerknoten als Kern. Wir wollen erreichen, dass unsere Bemühungen zum Schutz dieser wertvollen, von hoher Biodiversität geprägten Lebensräume breiten Rückhalt finden in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Vereinen und bei den Bürgern.”

Einen guten Erfolg hat NuKla ja schon erreicht. Nunmehr 2 Jahre Atempause für den Leipziger Stadtwald von den Harvestern und Kettensägen des Stadtforstamtes und seiner Beauftragten. Früher hätte die L-IZ das auch erwähnt.

Sehr schön: dass die Fraktionen der SPD, GRÜNE und LINKE sich jetzt (2020) gedacht haben, dass sie auf den 2. Änderungsantrag des Umweltdezernats zum Planungsbeschluss „,Lebendige Luppe‘ – Projekterweiterung und Kostenentwicklung“ mitdenkend reagieren, 1 und 1 zusammenzählen und monieren, was die Leipziger Verbände mit ihrer gemeinsamen Stellungnahme bereits Anfang 2018 empfahlen: aus dem Projekt Lebendige Luppe ein richtiges Naturschutzprojekt für die gesamte Burgaue unter Berücksichtigung der Potentiale (Wasserdargebot) des komplett verbauten Leipziger Gewässerknotens zu machen. Es lässt hoffen, dass demokratische Proesse, wenn auch mit einer Inkubationszeit von 2,5 Jahren und nach zahlreichen Auszeichnungen für das in seiner ursprünglichen Form völlig fehlgeplante Projekt Lebendige Luppe doch zu einem der Sache (umfassende Revitalisierung der Leipziger Auengebiete, da wo das Potential dafür vorhanden ist) dienlichen Ende geführt werden könnten (sic!: denn ob es zu einem solchen kommt, wird sich erst noch zeigen müssen). Man darf gespannt bleiben.

Schreiben Sie einen Kommentar