Nicht nur die Grünen haben so ihre Bauchschmerzen mit dem Bebauungsplanentwurf, den die Stadt Leipzig da für den östlichen Wilhelm-Leuschner-Platz vorgelegt hat. Er verkörpert noch immer alle Untugenden eines rein von Masse und Kubatur bestimmten Bauens, wie es das ausgehende 20. Jahrhundert dominierte. Klimaschutz und Artenvielfalt kommen dabei völlig unter die Räder. Das kritisiert auch Karolin Tischer in ihrem Offenen Brief.

Sie hat das Bild mit dem Titel „Bauen und Natur erhalten und entwickeln am Wilhelm-Leuschner-Platz“ des Künstlers Juan Avellanosa zum Anlass genommen darüber nachzudenken, warum dieser Platz nicht ein Platz voller Grün und Vogelgezwitzscher werden kann. Können Leipzigs Planer nicht mehr anders als groß, eckig und gepflastert? Gibt es nicht schon genug unheilvolle Platzlösungen, wo irgendwer sein Veto gegen „zu viel Grün“ eingelegt hat und im Sommer die Sonne brät?

Der Offene Brief mit dem Bild von Künstler Juan Avellanosa als PDF.

Offener Brief an den Oberbürgermeister, Baubürgermeister und Umweltbürgermeister und die Stadträte,

es wäre so einfach und so fortschrittlich, auf dem Wilhlem-Leuschner-Platz zu bauen und die Grünfläche aus Bäumen, Hecken, Wiese und Rohböden nicht nur zu erhalten, sondern auch zu entwickeln. Dazu braucht es nur etwas Phantasie … wie auf diesem Bild mit dem Titel „Bauen und Natur erhalten und entwickeln am Wilhelm-Leuschner-Platz“ vom Künstler Juan Avellanosa, welches eine naturverträgliche Variante für den zukünftigen Wilhelm-Leuschner-Platz zeigt.

In dieser Version sind neben dem Naturkundemuseum im bereits vorhandenen ehemaligen Bowlingzentrum nur das nördliche und das mittlere Baufeld kleiner und eingerückt bebaut, sodass die umgebenden Gehölze vollständig integriert werden können. Die Gebäude sind organisch geformt und vollständig mit exten- und intensiver Dach- und Fassadenbegrünung ausgestattet.

Der Rest des Platzes erfährt eine Aufwertung durch Entsiegelung und Bepflanzung mit verschiedenen Gehölzen als auch Blüh- und Langgraswiesen. Gleichzeitig erhält der westliche Teil des Platzes einen Bereich mit großer Aufenthaltsqualität, auf welchem Konzerte oder andere kulturelle Aktionen möglich werden. Genauso eine Zukunft brauchen wir in Leipzig insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel, auf den uns die letzten drei Dürresommer einen Vorgeschmack gegeben haben.

Im Augenblick können wir nämlich, was die Menge und Qualität der vorhandenen Grünflächen angeht, genau den entgegengesetzten Trend beobachten – Leipzig schrumpft. Hier eine Karte zum ehrenamtlich erfassten Grünflächenschwund des NABU Leipzig. Seit 2016 wurden dabei 300 Flächen erfasst, welche als Lebensraum ersatzlos verschwunden sind. Bei allem stellt sich mir immer wieder die Frage, ist ein stummer Frühling vielleicht gar nicht mehr so fern?

Karte des NABU Leipzig zum Grünflächenschwund in Leipzig.

Mehr Hintergrundinformationen des NABU Leipzig zum Artensterben in Leipzig.

Ebenso im Hinblick auf unser aller Gesundheit brauchen wir die Grünflächen und das vorhandene Arteninventar in unserer Stadt. Bereits im April 2020 rief Bundesumweltministerin Svenja Schulze zu mehr Natur- und Artenschutz auf, um künftige Pandemien zu verhindern. Denn die Verringerung der Artenvielfalt, ausgelöst durch die Zerstörung von Ökosystemen, befeuert die Entstehung neuer für den Menschen gefährlicher Infektionskrankheiten.

Mit Ihren Entscheidungen tragen Sie maßgeblich zu unser aller Gesundheit und Wohlbefinden bei. Wir brauchen eine Kehrtwende und einen Transformationsprozess in allen kommenden politischen Entscheidungen und auf allen Verwaltungsebenen, die in die Gesellschaft ausstrahlen und die Mut machen. Seien Sie mutig in diese neue Richtung zu denken und zu handeln! Corona und weitere Krisen werden uns keine Wahl lassen, also beginnen wir lieber heute und nicht erst morgen.

Das notwendige Umdenken spiegelt sich im aktuellen Bebauungsplan nicht wider. Ich bitte Sie, den Bebauungsplan abzulehnen und entsprechende Änderungen zur Integration und Entwicklung des bestehenden Grüns zu erarbeiten!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Karolin Tischer

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