Bereits seit einigen Wochen wurde in Halle und darüber hinaus um einen Auftritt des umstrittenen Kabarettisten am gestrigen Freitag gestritten. Aktivisten werfen ihm vor, „extrem rechte“ Inhalte zu verbreiten und mit Rechtsradikalen gemeinsame Sache zu machen.

Steimles Fans hatten sich den abendlichen Gang ins Hallesche Steintorvarieté sicherlich anders vorgestellt. Begrüßt wurden sie von etwas mehr als 200 Demonstrierenden, die ihrem Unmut über den Auftritt des sächsischen Komikers Ausdruck verliehen. Zum Protest aufgerufen hatte das Bündnis „Halle gegen Rechts“ (HgR). Dieses wirft Steimle in einem längeren Positionspapier vor, in seinen Bühnenprogrammen antidemokratische, antisemitische und rassistische Positionen zu vertreten.

Skurril angesichts solcher Vorwürfe, da das Steintorvarieté als städtische Firma aktuell Rudenz Schramm, dem Vorsitzender der halleschen Stadtratsfraktion von Die Linke, untersteht. Die Stadtratsfraktion und Schramm selbst schweigen bis heute zu dem Sachverhalt, allerdings beteiligten sich mehrere Mitglieder am Gegenprotest.

Einige Tage vor Steimles Auftritt äußerte sich auch der stellvertretende Oberbürgermeister Egbert Geier (SPD). Unter Verweis auf „Halle [als] tolerante und weltoffene Stadt“, mahnte er ein „Höchstmaß an Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein, wenn es darum geht, Menschen ein Podium zu bieten, die die Spaltung der Gesellschaft weiter vorantreiben“ an. Statt fand Steimles Auftritt trotzdem; am Freitag Nachmittag waren nur etwa zwei dutzend Plätze im Steintor frei.

Der Gegen-Gegenprotest

Gegen die Demonstration von HgR schrie gewohnheitsmäßig der hallesche Neonazi Sven Liebich an. Der Auftritt des Satirikers zog zudem ein Publikum aus bekannten Gesichtern der örtlichen Querdenken-Szene an, darunter auch bekannte Gewalttäter und rechte Content Creator.

Gegen Ende der Versammlung wurde ein Teilnehmer aus dem Lager Liebichs festgenommen, nachdem er sich mehrmals aggressiv der Demonstration genähert hatte. Ein anderer trug ein Plakat mit der in rechten kreisen für die Bombardierung Dresdens am Ende des zweiten Weltkriegs geläufige Bezeichnung „Bombenholocaust“ mit sich.

Neben Redebeiträgen und Musik verteilten die Teilnehmer der Demonstration von HgR auch Flyer an das wartende Publikum, in denen sie ihre Kritik an Steimle deutlich machten. Auch positionierte sich eine Gruppe mit mehreren Transparenten entlang der Einlassschlange. Bündnissprecher Valentin Hacken zog eine positive Bilanz.

Bisher habe es kaum Proteste gegen Steimle gegeben, gerade deshalb sei man mit den mehr als 200 Teilnehmenden sehr zufrieden.

„Ich glaube, das hier ist eher der Startpunkt einer Auseinandersetzung“, so der Sprecher weiter. Zudem bekräftigte er erneut, dass die Leitung des Varietés mit der Einladung Steimles einen „Hotspot für Rechtsextreme geschaffen“ habe.

Enge Verbindungen nach rechts

Uwe Steimle begann seine Kabarettkariere 1989. Bereits 1992 prägte er mit seinem gleichnamigen Programm das Wort Ostalgie, das bis heute Verwendung findet. Neben seinen Bühnenauftritten war Steimle auch in seiner Rolle als Hauptkommissar Jens Hinrichs in der Serie Polizeiruf 110 bekannt.

Ab 2013 präsentierte er im MDR die Serie Steimles Welt, bei dem er durch Ostdeutschland fuhr und – ganz volkstümlich – Schicksale einzelner Menschen nach dem Ende der DDR porträtierte. 2019 allerdings sah sich der Sender trotz großer Beliebtheit gezwungen, sich von Steimle zu trennen. Grund war dessen wiederholtes Anzweifeln der politischen Unabhängigkeit des MDR.

Da war Steimle, der sich nach wie vor als Linker bezeichnet, aber schon eine Weile auf stabilem Kurs Richtung Querfront: Seit 2015 äußerte er Sympathien für PEGIDA, 2018 war er zusammen mit Mitstreitern wie Thilo Sarrazin, Max Otte (bis vor Kurzem Vorsitzender der „Werteunion“), dem Springer-Autoren Henryk M. Broder und anderen reaktionären Erstunterzeichner der „Gemeinsamen Erklärung 2018“, die sich gegen eine „Beschädigung Deutschlands“ durch „illegale Masseneinwanderung“ wandte – allerdings ließ sich Steimle später wieder streichen.

Ebenfalls 2018 gab er der rechten Tageszeitung junge Freiheit ein Interview, in dem er die BRD als „Besatzungsgebiet der USA“ bezeichnete. Später trat er dann bei der Demonstration der Querdenken-Bewegung am 7. November 2020 in Leipzig auf; 2021 auch im thüringischen Schmalkalden, wo es einen Monat zuvor zu teils heftiger Gewalt kam.

Die Aufzählung Steimles rechter Umtriebe ließe sich noch eine Weile fortsetzen. Seit seiner Trennung vom MDR sendet er alle paar Wochen über seinen YouTube-Kanal ein etwa zwanzigminütiges Format, in dem er aktuelle Themen meist aus einer seiner Ostalgiesicht heraus satirisch abfrühstückt. Sein Kanal hat rund 85.000 Abonnenten.

Die hörten sicherlich auch in seiner letzten Sendung gern, dass im Gegensatz zu allen anderen Orten auf der Welt nur Berlin vor Afrika liegt – „noch“, wie Steimle verschmitzt doppeldeutig „Einwanderungskritik“ übt.

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Es gibt 8 Kommentare

Manchmal finde ich die Aussagen von Steimle schon recht plakativ ja sogar banal. Gleichzeitig sollte das dann schon dazu einladen sachlich dagegen zu argumentieren. Aber das fällt den selbstgerechten Rechten oder Linken dann doch wieder schwer oder ist eben nicht ihr Niveau. Dann lieber einfach abkanzeln als Schwurbler, Rechter oder Verschwörer. Dann ist man aber weit unterhalb vom Steimle, womit er gut leben kann.

Auch dieser Fall zeigt mal wieder das uns die Diskussionsfähigkeit abhanden gekommen ist, schade.

Na dann herzlich Willkommen! Dies ist ein Medium “mit Haltung”, insofern progressiv, der radelnden Jugend zu-, und dem Auto abgewandt…

Bei Steimle gibts wieder ein schönes Beispiel für die schwierige Anwendbarkeit von Kategorien. Ein Radweg steht für “grün”, aber wenn er asphaltiert im Wald gebaut wird, finden das Einige gar nicht grün. Viele Schutzbedürftige aufzunehmen gilt als christlich, aber wenn man mehr aufnimmt als man anständig betreuen kann, wird es mitunter unchristlich.
Uwe Steimle mag ein Linker sein, mag für einige neurechte Thesen stehen – ich würde mir einen Auftritt wahrscheinlich so und so nicht anschauen. Ich mag seinen Beitrag zur “Heimatpflege”, also zum Beispiel die “Nicki” Shirt-Serie, oder auch Teile der Sendung in der er mit dem Wartburg durch die Gegend fuhr und zum Beispiel die Komponistin von “kleine weiße Friedenstaube” besuchte.

Aber dort, wo es politischer, oder konkreter wurde, da verlässt ihn oft die Substanz. Es ist wie so oft in der jetzigen Zeit, wenn man die Landsleute hier auf Putins Krieg anspricht, dass Allgemeinplätze á la “Diplomatie muss her” oder “es gehören immer Zweie zum Streit” einem Nachfragen nicht standhalten. Ein diffuses Gefühl der NATO-Feindlichkeit und überhaupt des “gegen-den-Ami-seins” liegt in der Luft. Da sind diffuse Rückblicke auf Vietnam und den Irak plötzlich stichhaltige Argumente in der Reflexion über aktuelle Geschehnisse.
Als Uwe Steimle vor einigen Jahren in einer Talkshow mal wieder über “die Merkel” Stimmung machte, verwendete er beständig das Wort “unsere Bundes-Kabunzerlin”. Die Moderatorin fragte ihn irgendwann mal, was er denn damit meine oder aussagen wolle. Es kam – mal wieder – nichts konkretes, sondern nur: “Ich bin Kabarettist – ich kann sagen was ich will.”

Ich kann mich dem Kommentar von “Gohliser” unten nur anschließen. Muss man aushalten.
Besonders witzig war, als er wegen seiner Corona-Impfung von den gleichen Leuten angepfiffen wurde, die ihn vorher beklatscht haben. 🙂

Bin erst neu im LIZ-Forum. Mir wird aber gerade klar, angesichts des Artikel über Steimle, dass die Berichterstattung in der LIZ klar zwischen Rechts und Links unterscheidet. Bin dahingehend verwirrt, da ich eigentlich ein Medium suche, was diese Begriffszuordnung nicht mehr verwendet. Ich kann bei Steimle maximal eine verirrten Linken erkennen, was ich ganz interessant finde. Vor allem interessiert mich der Grund für seine Neuorientierung, zumal dieser ja das linke System der DDR kennt. Dass der MDR politisch nicht unabhängig ist, ist doch keine rechte Wertung sondern eine allg. Feststellung.

Das ist eine recht treffende Beschreibung dieses Menschen.

Einen Kabarettisten / Satiriker, der aneckt, finde ich gut, weil er offensichtlich präzise den Finger in Wunden legen kann. Allerdings muss er dann auch, falls propagierte Inhalte “falsch verstanden” werden können, Klarheit zu seiner Position schaffen und Thesen nicht zweideutig im Raum stehen lassen. Das tut er gern und viel.
Und das ist bei diesem Mann zusätzlich schwierig, als ich ihn tatsächlich noch recht links in Erinnerung habe, seine Aktivität in letzter Zeit aber eher rechts beschrieben werden muss (plus Verschwörungsaussagen). Und damit ist er nicht “vollständig”, wie er sich selber beschrieb, sondern eher konträr zu seiner vorherigen linken Haltung.

Wann muss man nun bei einer solchen Person attestieren, das Grenzen überschritten werden und der über Satire hinausgehenden Aktivität etwas entgegengesetzt werden muss? Offensichtlich jetzt.

Ja, er ist ein Spiegel. Das heißt aber auch, nicht nur ihm muss etwas entgegengesetzt werden, sondern auch den Menschen im Spiegelbild (in der Bevölkerung), die sich von Demokratie und Toleranz verabschieden wollen.

Uwe Steimle ist die Personifikation dessen, was wir aushalten müssen. Antisemit ist er nicht bzw. in genau dem Sinne, in dem nicht seine “gute alte DDR” antisemitisch war. Steimle verkörpert Widersprüche, doch statt sich differenziert dazu zu verhalten, wird von links wie rechts gebrüllt. Insofern ist Steimle ein Spiegel der Unmöglichkeit der neueren Diskussions”kultur”. Leider

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