Es gibt politische Ideen, für die muss man strampeln, wenn man sie für richtig hält. Auch wenn man dabei fast den kompletten politischen Mainstream gegen sich hat. Wie in der Frage nach einer Fusion der Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Was man so landläufig unter "Mitteldeutschland" fasst, auch wenn der Name gründlich irreführend ist.

Denn natürlich liegen die drei Bundesländer heute im Osten der Bundesrepublik, Südost klänge auch nicht schlecht. Aber es geht ja nicht um die Lage, sondern um wirtschaftliche Schlagkraft, gemeinsame Strukturen und Projekte und vor allem eine gemeinsame politische Stimme. Aktuell reden alle drei Bundesländer auf Bundesebene mit unterschiedlicher Stimme, arbeiten wirtschaftlich in Konkurrenz, wenden völlig unterschiedliche Strategien in der politischen Arbeit an und verspielen dadurch nicht nur Zeit und Kraft, sondern auch Ressourcen. Und sie spielen in der Bundesliga nicht wirklich mit. Den Ton geben dort die großen Bundesländer aus dem Süden an, allen voran Bayern, das nicht einmal Skrupel kennt, in der Bundespolitik zu holzen, als wäre es eine Gnade, dass der Freistaat überhaupt noch mitspielt in dieser Republik.

Aber auch Bundesländer wie Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben bundespolitisch größeres Gewicht. Auch über die stärkeren Parteiverbände, die die Kür der Kandidaten für die bundesrepublikanischen Spitzenämter oft schon im regionalen Kreisverband durchziehen. Was unter anderem eine desolat schlechte Repräsentanz ostdeutscher Politiker in der Bundespolitik mit sich bringt. Sie haben erst da eine Chance, wo sich die großen westdeutschen Parteienverbände gegenseitig paralysieren. Dann darf’s auch mal die Bundeskanzlerin sein.

Sachsen in der Bundespolitik? – Fehlanzeige, wenn man von den tapferen Reden des sächsischen Wirtschaftsministers Sven Morlok (FDP) im Bundestag absieht (der aber eigentlich aus Schwaben kommt) oder dem wandelbaren Innenminister Thomas de Maizière, der aber eigentlich aus NRW stammt, sich aber in Meißen in den Bundestag wählen ließ. – Spielt das eine Rolle, könnte man sagen? – Natürlich. Denn ostdeutsche Interessen finden so nur vertretungsweise statt. Aber über die mediale Wahrnehmung Ostdeutschlands braucht man da kein Wort mehr zu verlieren. Da ist keiner, der die Größe hat, ostdeutsche Themen auf die bundesdeutsche Wahrnehmungsschwelle zu hieven.Aber was kann man tun, wenn die drei Landesregierungen gar nicht daran denken, eine Fusion der drei Länder ernsthaft anzugehen? Immerhin hängen über 300 Landtagsmandate dran, etliche Ministerposten, Referenten, Fraktionen, Pensionen, Diäten, Einflussmöglichkeiten. Wer will da verzichten? Gar noch freiwillig?

Weiß ich doch, sagt Roland Mey, der Anfang der 1990er Jahre das politische Spiel im Leipziger Stadtrat kennen gelernt hat. “Ich kenne meine Pappenheimer.”

Als der SPD-Landtagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt Bernward Rothe begann, die Drei-Länder-Fusion zu seinem Thema zu machen, war der Leipziger SPD-Anhänger sofort dabei. Im vergangenen Jahr starteten die beiden mit Infoständen und dem Sammeln von Unterschriften. Für die große Werbetrommel haben sie nicht das Geld. Eine groß angelegte Flyeraktion bezahlen sie aus eigener Tasche. Und gehen auch selber los, um die Handzettel in Briefkästen zu verteilen. Gerade erst war Roland Mey im Kolonnadenviertel, in Großzschocher und in Paunsdorf unterwegs. Paunsdorf – das ist sein Wahlkreis. Bei der Listenaufstellung der SPD für die Kommunalwahl am 25. Mai rutschte er im Wahlkreis Paunsdorf als Nummer 20 mit auf die Liste. “Weil da nicht genug ältere Leipziger drauf standen”, sagt er, der eigentlich ein Connewitzer ist. Aber wenn’s um die Sache geht, ist ihm der Wahlkreis egal. “Auch als Nummer 20 kann ich die Klappe aufmachen.”

Rothe und Mey haben ihr Volksbegehren zwar mit “Mitteldeutschland” betitelt, finden aber selbst, es solle besser “Sachsen-Thüringen” heißen. Das spart dann auch Druckerschwärze. Denn natürlich geht es in Zeiten, in denen eine sächsische CDU forsch eine “Schuldenbremse” beschließen lässt, ums Geld. “Bremsen” beschließen kann jeder – aber ernsthaft wird Politik erst, wenn wirklich gespart wird. “Der Föderalismus soll bezahlbar und damit zukunftsfähig bleiben”, sagt Mey. “Wir wollen nur noch starke Länder, die sich gegenseitig nicht ‘anbetteln’ müssen. Die von neutralen Finanzwissenschaftlern berechnete Kosteneinsparung würde jährlich etwa 1,5 Milliarden Euro betragen.”

Das gesamte Gebiet der drei Bundesländer schaffen die Akteure des Volksbegehrens natürlich nicht. Deswegen beschränken sie sich bei ihrer Unterschriftensammmlung, die am 26. September 2013 startete, auf den Ballungsraum Leipzig/Halle, wo das Thema “Mitteldeutschland” sowieso schon länger brennt und wo über 1 Million der betroffenen Menschen wohnen. Denn die kleinkarierte Politik in den exzentrischen Landeshauptstädten schwächt vor allem den so wichtigen wirtschaftlichen Kern der Region. Nirgendwo ist das Interesse an einem einzigen, klar strukturierten Bundesland größer.

Deswegen hat Mey auch schon die nächste Aktion vorbereitet, die er mit Absicht in den Wahlkampf zum Leipziger Stadtrat gelegt hat: Ab dem 1. Mai will er 10.000 Handzettel zum Volksbegehren Mitteldeutschland in seinem Wahlkreis 2 in Paunsdorf verteilen. Dabei hat er nicht mal die Absicht, am Wahltag die meisten Stimmen im Wahlkreis zu bekommen. “Ich bin da so reingerutscht”, sagt er.

Volksbegehren Mitteldeutschland: www.neugliederung-bundesgebiet.de/volksbegehren-mitteldeutschland/

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