Wenn Bürokraten nicht wollen, dass sich die Welt ändert, dann finden sie eine Menge Ausreden und drehen sich die Paragraphen, wie sie wollen. Und so erleben es jetzt auch Bernward Rothe aus Halle und Roland Mey aus Leipzig: Am 30. September lehnte das Bundesinnenministerium ihren Antrag auf einen Volksentscheid zur Länderfusion in Mitteldeutschland rundweg ab.

Das Schreiben, in dem das Ministerium erklärt, warum gleich alle drei Anträge abzulehnen sind, ist zwar sehr lang und mit Verweisen gespickt. Im Kern aber enthält es nur eine Aussage: Das Grundgesetz zählt für uns nicht.

Man kennt den Passus dort wohl, zitiert ihn auch, aber begründet die Ablehnung mit einem Formblatt, das der Bundesinnenminister 1984 erlassen hat. Das Formblatt macht logischerweise jedes Volksbegehren zu einer Länderfusion unmöglich. Darüber haben wir an dieser Stelle schon ausführlich geschrieben.

Die Autoren des Formblattes haben alles, was der § 29 des Grundgesetzes als überhaupt gangbaren Weg für ein Volksbegehren eröffnet, ad absurdum geführt und damit auch einfach mal das Grundgesetz außer Kraft gesetzt.

Aus dem “zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraum, dessen Teile in mehreren Ländern liegen und der mindestens eine Million Einwohner hat”, haben sie kurzerhand auch den Raum definiert, über den eigentlich nur entschieden wird, ob er nun ein eigenes Land bildet oder sich einem anderen Bundesland angliedert.

Obwohl im Artikel 4 des Grundgesetz-Paragraphen eindeutig steht, dass so ein einheitlicher Abstimmungsraum notwendig ist, damit überhaupt die Schwelle zum Volksentscheid genommen werden kann.

Den Artikel 1 übrigens lässt das Bundesinnenministerium in seiner langen Erläuterung gleich mal weg, obwohl das der eigentlich Wichtige ist: “Das Bundesgebiet kann neu gegliedert werden, um zu gewährleisten, daß die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. Dabei sind die landsmannschaftliche Verbundenheit, die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit sowie die Erfordernisse der Raumordnung und der Landesplanung zu berücksichtigen.”

Und darum geht es Rothe und Mey ja mit ihrem Anliegen, die drei Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu einem gemeinsamen Bundesland zu fusionieren. Doch der Justiziar, der ihnen aus dem Bundesministerium nun geantwortet hat, macht es sich einfach, macht aus einem Antrag einfach mal drei, obwohl Bernward Rothe seinen Versuch einer Neuformulierung aus dem August, als er auf das erste irritierende Schreiben aus dem Innenministerium reagierte, im September zurückgenommen hat.

Die Irritationen begannen freilich schon früher, denn Rothe hatte sich ja informiert und jenes seltsame Formblatt von 1984 zur Vorlage genommen und mit Mey zusammen erst einmal unter der wilden Annahme gesammelt, aus “der kreisfreien Stadt Leipzig, dem Landkreis Leipzig und dem Landkreis Nordsachsen des Landes Freistaat Sachsen, 2.) der kreisfreien Stadt Halle (Saale) und dem Landkreis Saalekreis des Landes Sachsen-Anhalt” könnte ein gemeinsames Bundesland “Sachsen – Sachsen-Anhalt – Thüringen” gebildet werden. Was natürlich Quatsch ist. Das merkten die beiden Unterschriftensammler dann auch nach 835 Unterschriften und setzten die logische Formulierung ein, für die angegebenen Kreise, in denen Unterschriften gesammelt wurden, “soll eine einheitliche Landeszugehörigkeit herbeigeführt werden, indem aus den Gebieten der Länder Freistaat Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein neues Bundesland Sachsen-Thüringen gebildet wird.”

Dafür haben sie über 8.000 Unterschriften gesammelt, deutlich mehr, als für einen Volksentscheid notwendig gewesen wären.

Aber da sind sie wohl auf den begabtesten Verhinderer gestoßen, den das Bundesinnenministerium aufzuweisen hat. Er hat sich alle Mühe gegeben, auch noch mit Zahlen zu beweisen, dass der Raum Halle-Leipzig kein einheitlicher Wirtschaftsraum ist.

Und dann dreht er die Formeln des Formblatts von 1984 so, dass vom Paragraph 29 des Grundgesetzes nichts übrig bleibt.

“Der Antrag zu b) ist nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form gestellt. Er ist nämlich auf eine Rechtsfolge gerichtet, die gesetzlich nicht vorgesehen ist. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber hat festgelegt, dass ein Antrag nach Art. 29 Abs. 4 GG entweder darauf gerichtet sein muss, aus dem Neugliederungsraum ein neues Land zu bilden oder diesen Raum in ein vorhandenes Land einzugliedern. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der nach § 40 Nr. 10 G Artikel 29 Abs. 6 erlassenen NeuGlV, dort aus dem Anhang zu §§ 47 und 49 NeuGlV. Dort hat der Gesetzgeber die beiden zulässigen Formulierungsvarianten abschließend aufgeführt: ‘Für den zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraum (…) soll eine einheitliche Landeszugehörigkeit herbeigeführt werden, indem aus den (oben genannten Gebietsteilen) ein neues Bundesland (…) gebildet wird die (oben genannten Gebietsteile) aus dem Land/den Ländern (…) ausgegliedert und in das Land (…) eingliedert werden 7).’ Die Ausschließlichkeit dieser Varianten ergibt sich aus dem weiteren Wortlaut der Anlage, nämlich aus den “Anmerkungen zur Anlage, in der es heißt: ‘Der Zulassungsantrag darf nur eine der beiden Neugliederungsmöglichkeiten enthalten.'”

Damit hat der Mann (kann auch eine Frau sein – das verrät der von Bernward Rothe veröffentlichte Text nicht) den Paragraphen 29 des Grundgesetzes und seine in Absatz 1 deutlich formulierte Intention völlig umgekrempelt und außer Kraft gesetzt.

Da schaute nicht nur Bernward Rothe bedrippelt aus der Wäsche, weil er den Angestellten im Ministerium so viel Unverfrorenheit tatsächlich nicht zugetraut hatte. Dem deutlich kampflustigeren Roland Mey platzte regelrecht die Hutschnur, denn einen Artikel aus dem Grundgesetz einfach mit solcher Kühnheit außer Kraft zu setzen, das steht tatsächlich keinem Ministerialbeamten zu, das darf nur der Bundestag mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Das ist 1984 nicht geschehen.

Und was nun?

“Wir ziehen vors Bundesverfassungsgericht”, sagt Mey. “Das lassen wir uns nicht gefallen.”

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Es gibt 6 Kommentare

Wird dieser Vorgang nicht geklärt, werden wir uns von Ihnen hier im Leserclub verabschieden. Vertrauen Sie darauf, dass diese Ansage eingehalten wird, sollten Sie sich nicht bei dem anderen User entschuldigen.

Wer sind denn wir? Für was soll ich mich entschuldigen? Dafür, dass ich mir erlaubt habe Herrn Julke in Schutz zu nehmen, weil es doch vollkommen uninteressant ist, ob er Artikel oder Paragraph geschrieben hat? Es geht um den Sachverhalt bzw. die Aussage der jeweiligen Darlegungen. Dagegen gibt es nichts auszusetzen.

Hätte Stefan lediglich den ersten Satz geschrieben, wäre von mir auch kein Kommentar erfolgt. Das hat aber anscheinend nicht gereicht. Es musste ja noch “Es gibt keine Paragraphen im Grundgesetz. Lernt man in der Schule, und man bekommt es zum Schulabschluss zum Angucken und Staunen.” angefügt werden.

Für mich wurde damit Herr Julke als dummer Junge hingestellt, der in der Schule nicht aufgepasst hat. Also immer schön noch eins drauf, selbst bei jeden kleinsten völlig unbedeutenden Fehler.

Derjenige, der sich entschuldigen müsste, und zwar bei Herrn Julke, wäre Stefan.

Herr Freitag, ich empfehle Ihnen gut darüber nachzudenken, auf welches Glatteis Sie sich begeben.

Die L-IZ ist besonders gegenwärtig in Deutschland auf großes Interesse gestoßen. Das Interview zu meiner Serie “Ist denn die Kontrolle unserer Steuergelder tatsächlich ein Buch mit sieben Siegeln?” und besonders die Folge 1 “Bund der Steuerzahler – eine Mogelpackung” sind sogar bei den großen deutschen Zeitungen (u.a. Spiegel, Stern, Focus) im Gespräch. Dafür habe ich gesorgt. Sogar mit der hervorragenden Sendung “Monitor” laufen Gespräche.

Mit Spannung werden die nächsten Folgen erwartet, in vielen Teilen Deutschlands.

Bei allen Kontakten, die wesentlich über die von mir genannten Beispiele hinaus gehen, habe ich auf die durchaus beachtliche L-IZ, eingeschlossen der guten Arbeit des Herrn Julke, hingewiesen, was ich auch weiter tun werde. Schließlich haben wir (Herr Julke als Vertreter der L-IZ und ich) u. a. vereinbart, dass von mir etwa 20 Beiträge kostenlos (!!) im Abstand von 4 bis 6 Wochen geliefert werden. Ich bin es gewohnt Wort zu halten, was ich auch von meinen “Geschäftspartnern” erwarte. Ich habe gegenwärtig keinen Anlass, daran zu zweifeln.

Bei unseren Gesprächen, welche sehr angenehm waren, habe ich mich mit Herr Julke verständigt, dass er meine Beiträge ohne weitere Absprache um solche Sachverhalte kürzt, die nach seiner Ansicht zu juristischen Auseinandersetzungen führen könnten. Bei der Folge 1 hat das hervorragende geklappt und wird auch weiter so sein. Ich werden mich darum bemühen, dass keine Notwendigkeiten zur Streichung von Formulierungen bestehen werden. Es ist für mich besonders deshalb ein Lernprozess, weil ich hochbrisante Thematiken bearbeite, die so überwiegend erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert werden. Außerdem bin bzw. war ich Finanzrevisor und kein Jurist bzw. Journalist.

Ja, leider gibt es immer mehr Menschen vom Typ “Klaus”. Es ist sehr traurig, wie unsere Gesellschaft sich entwickelt. Die wahre Gesinnung kommt in Beiträgen eines Herrn “Pfiffig” in der LVZ zu Tage. Das ist die gleiche Person, wie hier. Am besten, man lässt Menschen, die sich nicht benehmen können, links liegen. Als intelligenter Mensch sollte man eine sachliche Diskussion führen können, ohne zu beleidigen, auch wenn man nicht gleicher Meinung ist – das ist Demokratie.

Ach Klaus. Genau das meinte ich letztens. Sie werfen anderen ständig schlechtes Benehmen oder Einmischung vor – wie würden sie denn jetzt ihr eigenes Benehmen nennen? Wenn das gute Kinderstube sein soll haben sie da irgendwas falsch verstanden.
Hätten sie ihrer vielzitierten Oma doch mal genauer zugehört. Damals wusste man sich oft besser zu benehmen
Ich weiß, sie werten auch das wieder als Angriff. Ist es aber nicht. Sie tun mir ehrlich leid, weil sie so weit entfernt von jeglicher Realität sind dass es schon peinlich wirkt.
Ich wünsche ihnen wirklich, dass sie mal über ihr eigenes Verhalten nachdenken. Nicht für andere, nur für sich selbst. Das Leben wär so viel leichter.

Lieber Klaus,

hier ist nun endgültig eine weitere Grenze überschritten. Ich muss Sie nunmehr bitten, sich zu entschuldigen. Die Herabwürdigung anderer Personen wird auf der L-IZ.de nicht stattfinden. Und falls über meine Berechtigung, Sie dazu aufzufordern und die Konsequenzen auch durchzuführen, Zweifel bestehen, möchte ich Ihnen heute folgendes mitteilen:

Wird dieser Vorgang nicht geklärt, werden wir uns von Ihnen hier im Leserclub verabschieden. Vertrauen Sie darauf, dass diese Ansage eingehalten wird, sollten Sie sich nicht bei dem anderen User entschuldigen.

Herzlichst
Ihr M.F.

Sie Klugschwätzer!!!!!!!!!!!

Welchen Abschluss haben Sie eigentlich? Nimmt man Ihre Kommentare als Maßstab, dann kann es nicht viel sein.

Angenehmes Wochenende

Man ersetze “Paragraph” durch “Artikel” und “Artikel” durch “Absatz”. Das § durch “Art.”

Es gibt keine Paragraphen im Grundgesetz. Lernt man in der Schule, und man bekommt es zum Schulabschluss zum Angucken und Staunen.

Das Grundgesetz kennt nur Artikel, die Dinger, die da mit eingeklammerten Ziffern beginnen, heißen Absätze.

Soviel Stabü-Bildung muss sein…

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