Die Region Mitteldeutschland steckt mittendrin in einer Veränderung, von der noch niemand weiß, wie das Ergebnis tatsächlich einmal aussehen wird. Zum Beispiel im Jahr 2035, wenn hier (spätestens) die letzten Kohlemeiler vom Netz gehen, die Auskohlung der Tagebaue endet und die Region trotzdem – mit alternativen Energien – wettbewerbsfähig sein muss. Die Metropolregion Mitteldeutschland Management GmbH hat dazu die Bewohner der Region in ihrem mittlerweile 6. Mitteldeutschland-Monitor befragt.

Die Menschen im mitteldeutschen Revier bewerten trotz spürbarer Herausforderungen ihre aktuelle Lebenssituation mehrheitlich positiv – die persönliche Zufriedenheit bleibt damit auf einem konstant hohen Niveau, allerdings ist durchaus eine gewisse Skepsis mit Blick auf die Zukunftsentwicklung der Region erkennbar.

Die repräsentative, länderübergreifende Bevölkerungsstudie ist ein gemeinsames Projekt der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland, der MAS Gesellschaft für Marktanalyse und Strategie, der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung (SAS) und der Stabsstelle „Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier“ des Landes Sachsen-Anhalt.

So bewertet die Mehrheit der Menschen im mitteldeutschen Revier ihre persönliche Lebenssituation positiv: 72 Prozent der Befragten vergeben die Schulnoten 1 bis 3. Besonders bemerkenswert ist der Anteil derjenigen, die mit den Noten 1 oder 2 eine (sehr) hohe Zufriedenheit angeben – er liegt 2025 bei 42 Prozent und erreicht damit den zweithöchsten Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 2020. Nur im ersten Befragungsjahr lag dieser Anteil noch höher. Diese Einschätzungen spiegeln sich auch in der Bewertung der allgemeinen Lebensqualität in der Region wider: 74 Prozent zeigten sich damit (besonders) zufrieden – ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr (2024: 72 Prozent).

Skeptischer Blick auf die Entwicklung des Reviers

Während die persönliche Lebenssituation positiv bewertet wird, bleibt der Rückblick auf die Entwicklung der Region deutlich verhaltener. Nur noch 23 Prozent der Befragten geben an, dass sich die Situation im mitteldeutschen Revier in den vergangenen fünf Jahren verbessert habe – ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Vorjahr (2024: 31 Prozent). 2020 lag dieser Wert sogar noch bei 43 Prozent.

Der Blick auf den notwendigen Strukturwandel in Mitteldeutschland. Grafik: Mitteldeutschland Monitor
Der Blick auf den notwendigen Strukturwandel in Mitteldeutschland. Grafik: Mitteldeutschland Monitor

Parallel dazu stieg der Anteil derjenigen, die eher eine Verschlechterung wahrnehmen von 11 Prozent im Jahr 2020 auf 30 Prozent im Jahr 2025. Ein recht starker Anstieg binnen fünf Jahren. Der aber ganz offensichtlich auch mit der seit zwei Jahren anhaltenden Konjunkturflaute zusammenhängt.

Ebenso ist die Zukunftseinschätzung des mitteldeutschen Reviers rückläufig: 44 Prozent der Befragten blicken optimistisch auf die kommenden Jahre in der Region – ein Rückgang um sieben Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Demgegenüber steht allerdings die weiterhin stabile Bewertung der gegenwärtigen Lage: 62 Prozent vergeben für die aktuelle Situation im Revier die Schulnoten 1 bis 3 – ein nur leicht geringerer Wert als im Vorjahr (64 Prozent).

Gesellschaftliche Faktoren prägen das Stimmungsbild

Zu berücksichtigen ist bei der Bewertung des Stimmungsbilds aber, dass die diesjährige Befragung in einer Zeit politischer und wirtschaftlicher Veränderungen im Frühjahr 2025 stattfand. Und dadurch deutlich sichtbar macht, welche gesellschaftlichen und politischen Themen die persönliche Einschätzung der Zukunft und die Sorgen der Bevölkerung beeinflussen, merkt die Metropolregion Mitteldeutschland an.

Was in den abgefragten Sorgen der Menschen aus der Region deutlich wird. An erster Stelle steht die Sorge vor anhaltender Inflation: 83 Prozent der Befragten sehen in Preissteigerungen einen (sehr) belastenden Einflussfaktor. Auf Platz zwei folgt mit 70 Prozent der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, dessen Bedeutung im Vergleich zum Vorjahr konstant hoch bleibt. Neu in der Liste der am häufigsten genannten Belastungen sind die Themen Migration (59 Prozent), wirtschaftliche Entwicklungen (53 Prozent), der Regierungswechsel auf Bundesebene (49 Prozent) sowie die geopolitische Lage (44 Prozent).

Was die Befragten genau am Regierungswechsel in Berlin besorgt, wurde freilich nicht abgefragt. Aber bei der Frage, was den Menschen wichtig ist, fällt auf, dass es bei der Frage nach dem „politischen Klima“ einen wahrnehmbaren Sprung gab: War das 2024 noch 17 Prozent der Befragten wichtig, betonten das 2025 nun 22 Prozent. Was wohl auch bedeutet, dass die Radikalisierung in Wahlkämpfen und im politischen Miteinander zunehmend auf Ablehnung stößt. Während die Zufriedenheit mit dem politischen Klima seit 2023 von 44 auf 41 Prozent gesunken ist.

Die Notwendigkeit der Energiewende in der Region. Grafik: Mitteldeutschland Monitor
Die Notwendigkeit der Energiewende in der Region. Grafik: Mitteldeutschland Monitor

Auch wenn die Zufriedenheit mit einigen anderen Punkten in der Anfrage noch viel stärker sank. Und da wird es sehr politisch, wenn etwa die Zufriedenheit mit wohnortnahen Angeboten der Verwaltung binnen eines Jahres um 6 Prozent fiel (von 67 auf 61 Prozent). Was eigentlich die simple Erkenntnis bestätigt, dass Demokratie vor Ort erfahren wird. Und eigentlich geht auch der Topos „Zufriedenheit mit den persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten“ in diese Richtung.

2024 hatte dieser Wert mit 66 Prozent einen Höhepunkt erreicht, fiel dann aber 2025 um satte 5 Prozentpunkte. Das hängt zwar vor allem mit dem sinkenden Angebot von Ausbildungsplätzen und guten Jobs zusammen.

Aber wenn dann auch noch die Zufriedenheit mit den (niedrigen) Lebenserhaltungskosten um 5 Prozent binnen eines Jahres zurückging und ebenso die Zufriedenheit mit dem Wohnraumangebot, dann ahnt man, warum immer mehr Menschen in der Region das Gefühl haben, dass es um die wirtschaftliche Lage in der Region nicht so rosig steht. Auch wenn sich scheinbar gar nicht viel verändert hat.

Noch. Denn dass sich die Region deutlich verändern wird, ist den meisten Befragten nur zu sehr bewusst.

Ausbau erneuerbarer Energien trifft auf breite Zustimmung

Anders als es einige vom fossilen Gestern begeisterte Parteien behaupten, sehen die Bewohner Mitteldeutschland die Zukunft eben nicht in der Kohle. Die Zustimmung zur Energiewende im mitteldeutschen Revier bleibt stabil und auf hohem Niveau, meldet die Metropolregion Mitteldeutschland: 47 Prozent der Befragten befürworten die übergeordneten Ziele der Energiewende, während 36 Prozent ihnen kritisch gegenüberstehen.

Noch ausgeprägter zeigt sich die Unterstützung beim Ausbau konkreter Technologien. So sprechen sich 83 Prozent der Befragten für den weiteren Ausbau der Solarenergie aus. Auch Erdwärme (77 Prozent), Bioenergie (71 Prozent), grüner Wasserstoff (65 Prozent) und Windenergie (64 Prozent) stoßen auf breite Zustimmung.

Befürwortung einzelner alternativer Eneregiequellen. Grafik: Mitteldeutschland Monitor
Befürwortung einzelner alternativer Energiequellen. Grafik: Mitteldeutschland Monitor

Mit 61 Prozent lag die Zustimmung zur Energiewende im ersten Jahr der Befragung 2020 zwar noch deutlich höher und fiel dann bis 2023 auf 44 Prozent. Da spielen ganz gewiss der Krieg in der Ukraine und die drastisch gestiegenen Energiekosten eine wesentliche Rolle. Aber dass die Region bis 2035 eine alternative Energiebasis schaffen muss, wissen viele der Befragten. Zum Kohleausstieg gab es ja eine Extra-Frage.

Da ging es aber eher darum, ob die Befragten den Kohleausstieg bis 2038 befürworten. Was so schon einmal nicht auf das mitteldeutsche Kohlerevier zutrifft, denn hier sollen die letzten Kohlekraftwerke 2035 vom Netz gegen. Das Revier hat also drei Jahre weniger Zeit, eine alternative Energiebasis aufzubauen.

Zwar lag die Zustimmung zum Kohleausstieg mit 56 Prozent im Jahr 2020 noch deutlich höher. Aber seitdem hat nicht nur ein Krieg die Stimmung kippen lasen, sondern auch eine medial teilweise völlig enthemmte Diskussion um Wärmepumpen und Windkraftausbau. Als könnte man die notwendige Veränderung einfach mit Bockigkeit und heißer Luft ausbremsen. Ergebnis: Nur noch 42 Prozent befürworten die Ziele des Kohleausstiegs, 44 sind dagegen. Werte, die seit drei Jahren ziemlich stabil sind.

Zustimmung zum Kohleausstieg. Grafik: Mitteldeutschland Monitor
Zustimmung zum Kohleausstieg. Grafik: Mitteldeutschland Monitor

Die dann auch mit der Frage korrespondieren, ob der Kohleausstieg nicht sogar vorgezogen werden sollte – wogegen sich 61 Prozent aussprechen, während 24 Prozent dafür sind. Die Zahl der Fürsprecher steigt übrigens leicht. Denn man kann ja nicht ewig Vogel Strauß spielen und ignorieren, dass sich das Verfeuern fossiler Brennstoffe in den nächsten Jahren deutlich verteuern wird und auch Kohleverstromung dadurch immer teurer wird, während gleichzeitig der Ausbau von Windkraft gerade im sächsischen Teil des Gebiets nach wie vor ausgebremst wird. Das kann nicht mehr lange gut gehen.

Debatten beeinflussen Meinungen

Aber wie sehr die manchmal völlig entgleisten öffentlichen Debatten die Haltung der Menschen direkt beeinflussen, zeigen die Aussagen zur Erdwärme. Hier war die Zustimmung bis 2022 bis auf 80 Prozent immerfort gestiegen. Dann begann die CDU ihre wilde Kampagne gegen Erdwärmepumpen und der Wert sank 2024 auf 69 Prozent sehr deutlich. Um dann nach dem Verglimmen dieser heillosen Debatte 2025 wieder auf 77 Prozent zu steigen.

Einschätzung der Veränderung im mitteldeutschen Revier. Grafik: Mitteldeutschland Monitor
Einschätzung der Veränderung im mitteldeutschen Revier. Grafik: Mitteldeutschland Monitor

Was eigentlich auch deutlich macht, wie sehr die Aussagen der befragten Personen von den gerade laufenden medialen Debatten und ihren Radikalisierungen bestimmt wird.

Und das ahnen die Menschen in der Region auch. Bei einem abgefragten Thema gehen die Zustimmungswerte seit Jahren immer weiter nach oben – das ist die Notwendigkeit eines Strukturwandels für die Region. Stimmten dem 2020 noch 51 Prozent der Befragten zu, so sind es inzwischen 60 Prozent. Eher bedenkenswert sind dann freilich die Aussagen, dass nur 29 Prozent der Befragten das Gefühl haben, dass der Strukturwandel schon begonnen hat.

45 Prozent verneinen dieses Gefühl. Was freilich noch nichts darüber sagt, ob der Wandel schon tatsächlich begonnen hat. Oder nur einfach nicht in der Ecke, wo die Befragten gerade leben. Denn oft muss man die Veränderung auch vor Augen haben, um sie auch zu glauben.

Die Daten zum Mitteldeutschland-Monitor

Die von der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland und der MAS Gesellschaft für Marktanalyse und Strategie initiierte Online-Befragung untersucht seit dem Jahr 2020 das Meinungsbild der Bevölkerung in den neun Gebietskörperschaften des Mitteldeutschen Reviers zur Entwicklung der Region, zu den Themen Energiewende, Strukturwandel und Zukunftstechnologien sowie zur Zufriedenheit mit ihrer Lebenssituation.

Die Sächsische Agentur für Strukturentwicklung (SAS) und die Stabsstelle „Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier“ des Landes Sachsen-Anhalt unterstützen das Projekt als Partner und wichtigen Informationsbaustein und Beteiligungsformat für den Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier.

Für die 6. Auflage der repräsentativen Online-Umfrage wurden vom 27. März bis 11. April 2025 insgesamt 2.003 Personen in Leipzig, Halle (Saale) und den Landkreisen Altenburger Land, Anhalt-Bitterfeld, Burgenlandkreis, Saalekreis, Leipzig, Mansfeld-Südharz und Nordsachsen befragt.

Die Ergebnisse sind unter www.mitteldeutschland-monitor.de abrufbar.

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