Wie sehr auch Leipzigs Stadtpolitik noch in alten Schleifen und Gewohnheiten verfangen ist, merkt man meist ernst, wenn man nach dem Zustand der Gemeingüter, den Commons, fragt. Den ihr Zustand erzählt davon, ob in einer Stadt wirklich nachhaltig gewirtschaftet wird oder das Wort Nachhaltigkeit nur ein Fähnchen im Wind ist. Von der Gemeinwohl-Ökonomie Leipzig-Halle bekommt OBM Burkhard Jung jetzt ein dickes Forderungspapier.

Das bekamen am Mittwoch, 17. März, auch der Stadtrat und die Stadtverwaltung Leipzig zugesandt. Darin geht es um das gemeinwohlorientierte, nachhaltige Wirtschaften in der Stadt. Es fordert die Stadt Leipzig auf, die selbst gesetzten Ziele zu mehr Nachhaltigkeit nun auch konsequent und beispielgebend umzusetzen.

Die seit 2018 existierende Regionalgruppe Leipzig-Halle der international agierenden Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie wendet sich mit diesem fünf Punkte umfassenden Forderungspapier an die Stadtverwaltung Leipzig und den Oberbürgermeister der Stadt. Die Stadt Leipzig hat sich im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts INSEK und mit der Unterzeichnung der Neuen Leipzig Charta zu mehr Nachhaltigkeit und Gemeinwohlorientierung verpflichtet. Leider liegt das praktische Handeln der Stadt noch weit hinter den selbst gesteckten Zielen zurück und erfordert eine erkennbare Steigerung, um wirksam sein zu können, kritisiert die Gruppe.

Während in Städten wie Stuttgart und Münster bereits ähnliche Maßnahmen ergriffen oder umgesetzt wurden, fordert die Gemeinwohl-Ökonomie Regionalgruppe Leipzig-Halle nun auch die Stadt Leipzig auf, ihre diesbezüglichen Bemühungen zu mehr Nachhaltigkeit und zur Förderung des Gemeinwohls umzusetzen.

Dem Forderungspapier ist ein Brief beigegeben, der zusammenfasst, was die Regionalgruppe Leipzig-Halle von einer Stadt wie Leipzig an nachhaltigem Handeln erwartet.

Der Brief an den OBM

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung,
Sehr geehrte Dezernatsleitende,
Sehr geehrter Stadtrat,

anbei übersenden wir Ihnen fünf Forderungen für eine gemeinwohlorientierte Wirtschaftspolitik, mit denen wir als Gemeinwohl-Ökonomie Regionalgruppe (GWÖ-RG) Leipzig-Halle die Stadt Leipzig und den Stadtrat auffordern, die Stadt Leipzig und die Wirtschaft der Stadt wirksamer und schneller in eine nachhaltige Zukunft zu führen!
Wir befinden uns in sozialen, ökologischen und ökonomischen sowie technologischen Umbrüchen.

Die aktuellen Krisen erfolgreich als Chancen zu nutzen, erfordert mutiges und entschlossenes Handeln jenseits der Denkweisen, die zu den Problemen geführt haben. Wirtschaftliches Handeln darf nicht länger auf Kosten der Vielfalt der Natur, der Menschenwürde, der sozialen Gerechtigkeit und Teilhabe sowie Transparenz und demokratischen Mitentscheidung basieren.

Das Forderungspapier von Gemeinwohl Ökonomie Leipzig-Halle.

Es gilt jetzt unsere Wirtschaftsweise ganz konkret und mutig nachhaltiger, krisensicherer und gemeinwohlorientierter zu machen.

Die GWÖ-RG Leipzig-Halle begrüßt die bereits eingegangenen, richtungsweisenden Verpflichtungen und die begonnenen Aktivitäten der Stadt Leipzig:

Stadtentwicklungskonzept INSEK: Leipzig hat sich mit dem Leitsatz „Leipzig wächst nachhaltig!“ klar zu den Sustainable Development Goals (SDGs) und der Agenda2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen bekannt.

Neue Leipzig Charta: Die von der Stadt unterzeichnete Charta hebt die transformative Kraft der Kommunen hervor und verpflichtet Leipzig und Oberbürgermeister Jung zu einer zukunftssicheren, gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung.

Faire Beschaffung: Begonnene Überarbeitung der Beschaffungsrichtlinien in Richtung einer nachhaltigen Beschaffung.

Forum Nachhaltiges Leipzig: Das Forum hat das Thema „Nachhaltiges Wirtschaften“ als aktuellen Themenschwerpunkt für den Online-Frühjahrsworkshop mit regionalen Wirtschaftsakteuren und der Zivilgesellschaft gesetzt.

Diese verbindlichen Ziele und ersten Ansätze gilt es ab sofort verstärkt, rascher und konsequenter mit Leben zu füllen, damit gemäß INSEK

• die Wirtschaft krisensicherer und stärker am Gemeinwohl ausgerichtet wird,
• die kommunale Daseinsvorsorge und Infrastruktur gesichert bleibt und sich nachhaltig weiterentwickeln kann,
• Bürger/-innen die demokratische Bürger/-innengesellschaft aktiv und mitverantwortlich gestalten können und
• der Wandel hin zu nachhaltiger Landnutzung, postfossiler Energieversorgung und echter Kreislaufwirtschaft in den nächsten Jahren real umgesetzt werden.

Uns fehlt eine entschlossene und vorbildgebende Umsetzung dieser Ziele in der Wirtschaftsweise und Wirtschaftspolitik der Stadt! Die Zeit für bloßes Zielesetzen und Symbolpolitik ohne wirksames Handeln ist abgelaufen!

Wir, die GWÖ-RG Leipzig-Halle, fordern von der Stadt Leipzig mit all ihren Beteiligungen und auf allen Entscheidungsebenen, die Ziele der nachhaltigen, gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung proaktiv und konsequent zugunsten eines guten Lebens für alle umzusetzen – für alle Bürger/-innen und alle Lebewesen.

Wir fordern insbesondere Herrn Oberbürgermeister Jung und die Dezernatsleitenden, sowie alle Ämter der Stadtverwaltung auf, Leipzig wirksam zu einem nachhaltigen, gemeinwohlorientierten Wirtschaftsraum mit Vorbildfunktion in Deutschland und der Welt zu gestalten.

Während einzelne Unternehmen und Organisationen in Leipzig ihr wirtschaftliches Handeln bereits an den Nachhaltigkeitszielen ausrichten und Städte wie Stuttgart, Hamburg und Münster schon konkrete Maßnahmen realisieren, die eine stärkere Ausrichtung des Wirtschaftens auf das Gemeinwohl bewirken, sehen wir in Leipzig und besonders bei der Stadt Leipzig noch deutlichen Handlungsbedarf.

(…) Wir würden uns sehr über Gesprächsbereitschaft hierzu freuen und bitten Sie um entsprechende Kontaktaufnahme. Alle Informationen zur Regionalgruppe und den entsprechenden Kontaktdaten hierzu finden Sie am Ende des Forderungskataloges.
Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dirk Scheffler
Im Auftrag der Gemeinwohl-Ökonomie Regionalgruppe Leipzig-Halle

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Keine Kommentare bisher

Nuja, den OBM wird das auch nicht weiter anrühren. Ich erinnere mich gut daran, dass sich so ca. 2013 in Leipzig fast eine lokale APO gebildet hatte, weil selbst die gewählten Stadträte sich von der Stadtverwaltung auf der Nase herumtanzen ließen.
Im Übrigen ist das Bild von Westen aus aufgenommen und zeigt die südliche Zentrumsvorstadt mit St. Tetris und der Peterskirche. Die Glaskuppeln dazwischen befinden sich wohl auf dem Dach des BverwG (wg Denkmalschutz nicht vom Boden aus sichtbar).

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