Deutschland und Europa erleben zur Zeit eine Welle der Universitätsbesetzungen. Neben lokalen Anliegen drehen sich diese in erster Linie um die Gruppe „End Fossil: Occupy!“, die auch die Leipziger Universität im vergangenen Dezember besetzten. Nun wurde auch der größte Hörsaal der halleschen Martin-Luther-Universität (MLU) in Beschlag genommen es können ja schließlich nicht alle nach Lützerath fahren.

Etwa halb sechs Uhr betraten am Montagabend mehrere Dutzend Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppierung „End Fossil“ die noch laufende Vorlesung, positionierten sich, mit Transparent und Megaphon bewaffnet, hinter dem Rednerpult und verkündeten die Besetzung des Saales. Der Professor nahm es gelassen, klappte seinen Laptop zu und hörte sich, zusammen mit den Studierenden, die verlesene Erklärung an.

Thematisiert wurden, natürlich, die Folgen des Klimawandels und die, aus Sicht der Aktivisten, notwendige Wende auf diversen politischen und wirtschaftlichen Ebenen, darunter auch eine „Transport- und Bauwende“. Diese Sektoren seien neben der fossilen Energiegewinnung die größten Emmisionsfaktoren. Ferner wurde auf eine „besondere Verantwortung der BRD als Nachfolgestaat einer Kolonialmacht“, als der sie „maßgeblich am historischen Treibhausgasaustoß seit der Industrialisierung beteiligt war“, angesprochen.

„Die aktuelle Untätigkeit aller Beteiligten zerstört unsere Zukunft!“, heißt es vonseiten der Aktivisten weiter. Die Universität solle mit der Besetzung auch direkt angesprochen und zum Handeln gedrängt wrden. Zu den Forderungen der Besetzer gehören unter Anderem: ein verpflichtendes Modul zum Klimawandel bzw. dessen Folgen in jedem Studiengang, eine Prüfung der Lehrinhalte auf Kompatibilität mit dem von den Aktivisten ausgegebenen Ziel der Klimagerechtigkeit und auch die vollständige Klimaneutralität aller Universitäten bis spätestens 2030.

Wie die Universitätsleitung auf den Forderungskatalog reagieren wird, ist noch offen. Zwar waren die Rektorin und mehrere Vertreter bereits kurz nach Besetzungsbeginn vor Ort, allerdings konnte sich in dieser kurzen Zeit noch nicht mit Inhaltlichem beschäftigt werden. Im Gespräch ging es daher dem Vernehmen nach zunächst um organisatorische Fragen. Den Besetzern wurde zugesichert, dass die Polizei nicht eingeschaltet werden solle, solange die Besetzung friedlich bliebe.

Offiziell wollte man sich von Universitätsseite noch nicht äußern, da keine Zeit für interne Gespräche war. Aber auch hier ging der Tenor in eine deeskalierende Richtung.

„Wir planen, die Besetzung solange aufrechtzuerhalten, bis unsere Forderungen erfüllt wurden oder wenigsten soweit, dass wir hier von einem Erfolg sprechen können“, so ein Sprecher gegenüber der LZ. Man sei zuversichtlich, dass auch eine längere Besetzung zu schaffen sei, schließlich seien genügend Leute beteiligt, um auch mal rotieren zu können. Mit der Universitätsleitung hätte man sich für Dienstag auf Gespräche mit dem Nachhaltigkeitsbüro geeinigt, am Mittwoch sollen dann erste Verhandlungen mit dem Direktorat selbst folgen.

„Wir haben viel Unterstützung von Fridays und Students for Future sowie Ende Gelände Halle“, erzählt der Besetzungssprecher weiter. Dementsprechend unterstützen die Aktivisten auch Forderungen dieser Gruppen nicht zuletzt den Erhalt des symbolträchtigen Dorfes Lützerath, das dieser Tage für den Braunkohleabbau geräumt werden soll.

Eine erhebliche Schwierigkeit haben Hörsaalbesetzungen aber natürlich im Jahr 2023: Jahre der Coronapandemie, stellenweise auch Sparmaßnahmen während der gegenwärtigen Inflation, haben lange die Unterrichtsform des Videochats oder der Vorlesungsaufzeichnung im Unialltag vieler Studierender etabliert. Einen Raum zu besetzen, mag es auch der größte Hörsaal der Universität sein, eignet sich kaum noch, um wirklich spürbare Unterbrechungen des Alltagsbetriebes zu erwirken.

Die Besetzer sehen das allerdings gelassen: „Wie mit Vorlesungen umgegangen wird, ist nicht unsere Entscheidung. Es ist vielleicht sogar gut für uns, denn unser Ziel sind nicht Studierende, sondern Unileitung und Regierende.“

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