Klima-Aktivist/-innen haben am Montagnachmittag den größten Hörsaal der Universität Leipzig, das Auditorium maximum, besetzt. Gegen 15 Uhr betraten etwa zwanzig junge Menschen, vorrangig Studierende, den 800-Plätze-Hörsaal – jedoch nicht, um die anstehende Statistikvorlesung zu besuchen, sondern um den Saal zu besetzen und ihre Forderungen an das Rektorat der Universität und an die Politik in die Öffentlichkeit zu tragen.

Forderung nach schnellem Ende der fossilen Ära

Die Aktivist/-innen gehören der internationalen Bewegung „End Fossil: Occupy!“ an, in deren Namen junge Menschen seit Wochen Universitäten und Schulen besetzen, beispielsweise in Prag, Lissabon und Leeds. Ihr Ziel: das Ende der fossilen Energiewirtschaft. Außerdem fordern die jungen Menschen eine „solidarische, gerechte Antworten auf Preisexplosionen und Klimakrise“.

Dafür nennen sie konkrete Instrumente: eine Übergewinnsteuer für Energieversorger, eine Vergesellschaftung der Energieproduktion und das 9€-Ticket (und langfristig einen ticketlosen, kostenlosen ÖPNV).

Von der Uni-Leitung fordern die Besetzer/-innen das Einleiten von Maßnahmen, die einen klimaneutralen Betrieb der Universität bis 2030 ermöglichen. Außerdem soll jeder Studiengang ein Modul beinhalten, in dessen Lehrveranstaltungen über die Klimakrise und mögliche Lösungen aus der jeweiligen Fachperspektive diskutiert werden soll.

Die Aktivist/-innen schließen sich damit den Forderungen des Studierendenrates der Universität Leipzig an, der im Juli einen entsprechenden Maßnahmenkatalog für eine nachhaltige Hochschule vorgelegt hatte. Sollte sich die Universitätsleitung im Laufe der Woche gesprächsbereit zeigen, wollen die Aktivist/-innen öffentlich mit ihr über ihre Forderungen verhandeln.

Universitätsleitung bleibt vorerst gelassen

Die Uni-Leitung zeigte sich im ersten Moment kooperativ und ließ die Besetzer/-innen gewähren. Carsten Heckmann, Pressesprecher der Universität, und Titus Werner vom Dezernat Bau und Technik suchten kurz nach Beginn der Besetzung das Gespräch mit den Aktivist/-innen.

Man wolle eine schnelle und harmonische Lösung finden. Laut Aussage eines Aktivisten sicherten die Universitätsvertreter den Besetzer/-innen zu, eine Eskalation vermeiden zu wollen, zu einer Räumung durch die Polizei solle es möglichst nicht kommen.

In der vergangenen Woche hatte der Kanzler der Goethe-Universität in Frankfurt am Main einen von „End Fossil“-Aktivist/-innen besetzten Hörsaal von der Polizei räumen lassen und Strafantrag gegen die Studierenden gestellt. Die meisten anderen Aktionen von „End Fossil“ in Deutschland stießen bisher aber auf weniger Widerstand seitens der Universitätsleitungen, beispielsweise in Göttingen und Regensburg.

Mitglieder des Rektorats kamen heute nicht ins Audimax. Das Rektorat befinde sich gerade auf Klausur, weshalb eine Reaktion direkt von der Rektorin heute nicht möglich sei.

Professor Roland Schuhr, der heute Nachmittag seine Statistik-Vorlesung im Audimax halten wollten, reagierte genervt und verärgert auf die Besetzung. Er forderte die Besetzer/-innen auf, den Hörsaal zu verlassen. Diese verneinten und baten ihm im Gegensatz an, sich an ihrem „Alternativprogramm“ zu beteiligen.

Am Nachmittag veranstalteten die Aktivist/-innen eine Podiumsdiskussion zu ihren Forderungen. Dieses Angebot lehnte der Professor ab. „Ohne Vorwarnung nicht, hätten Sie sich vorher angemeldet!“, rief er im Gehen.

Die Studierenden, die zu Schuhrs Vorlesung gekommen waren, reagierten erst irritiert, dann gelassen und teilweise belustigt. „Ganz ehrlich, ich bin gar nicht traurig, dass das jetzt hier ausfällt“, sagte ein Student.

Zeit zum Bleiben und Mitdiskutieren habe er leider aber nicht, er müsse jetzt los. Das Interesse der Studierenden an der Besetzung hielt sich heute am Uni-Campus generell in Grenzen.

„End Fossil“-Aktivist/-innen besetzen gezielt Schulen und Unis

Die Aktivist/-innen von „End Fossil“ besetzen gezielt Orte der Bildung. „Die Uni ist kein neutraler Raum, sondern sie macht tagtägliche Politik und entscheidet, was wir lernen und was nicht“, steht auf einem Flyer, den die Besetzer/-innen heute in der Uni verteilten. „Als Studierende und junge Menschen sind wir Teil der Gesellschaft und nehmen unsere Zukunft selber in die Hand. Deshalb werden wir aktiv, deshalb besetzen wir.“

Es gehe ihnen nicht darum, den Ausfall möglicher Lehrveranstaltungen zu erzwingen, sondern sich den Raum der Universität zu nehmen, um ihre Forderungen in die Öffentlichkeit zu tragen und durchzusetzen. Seit Beginn der Corona-Pandemie habe die Universität genügend Erfahrung mit hybrider und Online-Lehre sammeln können, sodass aufgrund der Besetzung keine Vorlesung ausfallen müsse, erklärt ein Aktivist.

Das scheint auch für die erste Vorlesung zu gelten, die heute von der Besetzung betroffen war: Professor Schuhr kündigte an, die Veranstaltung später im Online-Format nachzuholen.

Das Timing der Leipziger Besetzung stimmt: Heute vor sieben Jahren, am 12. Dezember 2015, unterschrieben knapp 200 Staaten das Pariser Klimaabkommen und setzten damit den Grundstein für eine gemeinsame globale Klimapolitik. Sie setzten sich selbst das Ziel, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur möglichst auf 1,5 Grad Celsius verglichen mit dem vorindustriellen Niveau zu beschränken.

Auf der kürzlich zu Ende gegangenen Weltklimakonferenz in Sharm El-Sheikh bekräftigten die Vertragspartner dieses Vorhaben. Doch Wissenschaftler/-innen haben berechnet, dass die aktuellen Maßnahmen der Staaten bei Weitem nicht ausreichen, um dieses Ziel zu erreichen.

Im Oktober prognostizierte das UN-Klimasekretariat, dass sich die Erde auf Grundlage der aktuellen Entwicklungen bis Ende des Jahrhunderts um etwa 2,5 Grad Celsius erwärmen könnte.

Nun nimmt das Bündnis „End Fossil“ die UN-Klimakonferenz in Ägypten zum Anlass, seine Forderungen nach Klimagerechtigkeit und dem schnellen Ende fossiler Energiewirtschaft in die Welt zu tragen.

An der Besetzung beteiligt sind unter anderem (ehemalige) Aktivist/-innen von Fridays For Future, Mitglieder des Stura der Universität Leipzig und der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften. Sie wollen das Audimax bis mindestens Freitag besetzt halten.

Zweite Besetzung des Auditorium maximum in diesem Jahr

Es ist das zweite Mal, dass der größte Hörsaal der Universität Leipzig in diesem Jahr besetzt wird. Im Mai führten Aktivist/-innen der „Letzten Generation“ eine ähnliche Aktion durch, um ebenfalls Druck auf die Universitätsleitung auszuüben.

Im Gegensatz zu „End Fossil“ hatte die Forderung der „Letzten Generation“ aber eher symbolpolitischen Charakter: Sie forderten Rektorin Eva Inés Obergfell dazu auf, sich mittels einer „Lebenserklärung“ öffentlich an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90 / Die Grünen) zu richten. Darin sollte sich Obergfell für die Abkehr von fossilen Energieträgern, konkret von Ölbohrungen in der Nordsee, starkmachen.

Einen entsprechenden Brief schickte Obergfell nicht an Habeck, das Rektorat setzte sich aber mit der „Letzten Generation“ zusammen und formulierte gemeinsam mit den Aktivist/-innen eine Erklärung. Darin äußerte die Universität ihren Respekt vor den Forderungen der Studierenden und sagte ihnen zu, ihre Forderungen dem Senat – dem wichtigsten universitären Gremium – zur Kenntnis vorzulegen.

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Es gibt 2 Kommentare

Die die gehen tragen keine Maske und die die gekommen sind oder bleiben tragen sie. So einfach ist 2022. Die Maske ist zum politischen Erkennungsmerkmal geworden

Peinlich der Kameraschwenk in den leeren Hörsaal. Damals hat sich Mama und Papa ans Bett gestellt und das Schreikind gehätschelt, jetzt machts die Presse….

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