Am Mittwoch, 12. November, veröffentliche das Sächsische Landesamt für Statistik wieder so ein Zahlenwerk, das erst auf den zweiten Blick seine Brisanz verrät. "Höhere Ausgaben für Sozialhilfeleistungen in Sachsen", das klingt noch nicht nach etwas Überraschendem. Das Land wird älter, da steigen die Sozialkosten. Aber tatsächlich ist es so, dass diese Kosten gar nicht steigen müssten - wenn man nicht mit staatlicher Begleitmusik Armut im Alter geradezu produzieren würde.

“Rund 642 Millionen Euro betrugen die Nettoauszahlungen der Träger (Kreisfreie Städte, Landkreise, Kommunaler Sozialverband Sachsen) für die Sozialhilfe nach dem SGB XII in Sachsen im Jahr 2013. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes waren das 6 Millionen Euro bzw. 0,9 Prozent mehr als 2012”, teilt das statistische Landesamt mit.

“Fast Zwei Drittel des Sozialhilfeaufwandes netto (396 Millionen Euro) entfielen auf die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutete dies einen Rückgang um 16 Millionen Euro bzw. 3,8 Prozent. Die Eingliederungshilfe umfasst ein breites Spektrum an medizinischen, pädagogisch-schulischen, beruflichen und sozialen Rehabilitationsmaßnahmen für Menschen mit körperlicher, geistiger und seelischer Behinderung.”

Dieser Kostenblock ist also abgeschmolzen. Und auch ein anderer Kostenblock, der direkt damit zusammenhängt, ist tatsächlich abgeschmolzen: “Für die Hilfe zur Pflege gaben die kommunalen Sozialhilfeträger im Jahr 2013 netto insgesamt 60 Millionen Euro aus (1 Millionen Euro bzw. 2,0 Prozent weniger als 2012). Die Hilfe zur Pflege wird Personen gewährt, die in Folge von Krankheit oder Behinderung bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen sind.”

Die Kostensteigerungen aber passieren auf einem Gebiet, auf dem sich die deutsche Arbeitsmarktpolitik auswirkt: Denn Niedriglohn- und Vorruhestandspolitik sorgen in Sachsen dafür, dass im Alter immer mehr Menschen auf Sozialhilfe angewiesen sind.

Das Statistische Landesamt dazu: “Die Nettoauszahlungen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhöhten sich um 16 Millionen Euro bzw. 13,3 Prozent auf 132 Millionen Euro. Die Auszahlungen für diese Hilfeart machten 20,6 Prozent der gesamten Sozialhilfeaufwendungen aus.”

Die Entwicklung ist nicht neu. Nur wird sie immer mehr zur wesentlichen Belastung der Sozialetats der Kommunen.

“Der bereits in den letzten Jahren zu verzeichnende Anstieg der Sozialhilfeausgaben setzte sich auch 2013 fort. Auf den ersten Blick fiel er mit 0,9 Prozent vergleichsweise jedoch moderat aus. Der zweite Blick in die Daten lässt allerdings aufhorchen. So betrug der Anstieg der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung mehr als 13 und der Hilfe für Gesundheit sogar über 36 Prozent”, stellt die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Susanne Schaper, fest. “Das noch insgesamt moderate Ergebnis wurde allerdings teuer erkauft und kam nur zustande, weil die Ausgaben der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen um vier und der Hilfe zur Pflege um zwei Prozent sanken. Gerade das ist aber kein Ruhmesblatt und sollte die neue Staatsregierung umgehend auf den Handlungsplan rufen. Auf dem Gebiet der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen trägt Sachsen seit Jahren die rote Laterne unter allen Bundesländern. Es muss endlich Schluss sein mit dem rigiden Kürzungskurs gerade in diesem sensiblen Bereich.”

Und hier macht sich auch bemerkbar, dass gerade jene Kommunen, die schon in der Vergangenheit hohe Soziallasten zu schultern hatten – wie eben Leipzig – nun mit einem neuen Berg von finanziellen Belastungen konfrontiert sind, der nun jedes Jahr weiter wächst.

Susanne Schaper: “Nicht überraschend sind die Daten zu den Landkreisen und kreisfreien Städten. Während die Sozialhilfeaufwendungen pro Einwohner in den Landkreisen bei 59 Euro lagen, betrugen sie im Durchschnitt der drei kreisfreien Städte 91 Euro. Mit 105 Euro liegt Leipzig nach wie vor einsam an der Spitze. Auffällig ist jedoch, dass Dresden mit 9,2 Prozent den höchsten Anstieg unter den kreisfreien Städten hatte.”

Aber auch das deutete sich ja schon an: Dresden tritt – mit ein paar Jahren Verzögerung – in dieselbe Spirale ein wie Leipzig. Ist ja nicht so, dass die Landeshauptstadt von den diversen Niedriglohnprogrammen und Arbeitsmarktstatistikbereinigungen verschont geblieben wäre. Und die 13 Prozent Steigerung allein bei der Grundsicherung im Alter lässt zumindest ahnen, was da auf die Kommunen zurollt – und zwar nicht nur auf die drei kreisfreien Städte. Denn ein Zuwachs von 2,3 Millionen Euro im Erzgebirgskreis bedeutet dort eine satte Zunahme im Gesamtpaket der Sozialhilfen von 11,6 Prozent. Auch Mittelsachsen kam auf ein Plus von 9,2 Prozent – wie Dresden. Der Durchschnitt der Landkreise lag bei rund 5 Prozent. Leipzig konnte den Zuwachs zwar auf 2,7 Prozent begrenzen – aber die Statistik erzählt natürlich nicht, wie es der Stadt gelungen ist.

Das Fazit ist schlicht: Da rollt was zu auf die Kommunen. Und es wird ihre finanziellen Probleme noch verschärfen.

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