Die Auswertungen zu Pendlerströmen gehören regelmäßig zum Repertoire der Leipziger Statistiker. Früher - ja so ungefähr ganz, ganz, ganz viel früher - war das immer so ein schönes wärmendes Gefühl: Wenn eine Stadt wie Leipzig trotz hoher Arbeitslosigkeit und niedrigen Löhnen so viele Ein- und Auspendler hat, dann kann die Stadt wirtschaftlich ja doch noch nicht k.o. sein. Ist sie auch nicht.

Obwohl sie Dreiviertel ihrer Industrie eingebüßt und wirklich harte Zeiten hinter sich hat mit mickrigen Steuereinnahmen, Abwanderung und harten Sanierungsprogrammen für den Haushalt. Das alles ist noch nicht ganz durchgestanden. Noch immer merkt man, dass die Finanzströme in der Bundesrepublik falsch gewichtet sind und da, wo wirklich Geld investiert werden muss – in den Kommunen – zu wenig wieder ankommt.

Aber so eine Stadt wie Leipzig lebt auch vom Ärmelhochkrempeln. Und seit 2000 kennt die Zahl der Pendler nur eine Richtung: aufwärts. Allein die Zahl der Einpendler ist von knapp 76.000 auf über 91.000 im Jahr 2014 gestiegen. 91.363 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, um genau zu sein, die zur Arbeit nach Leipzig kommen. Die Zahlen stammen aus der Statistik der Bundesagentur für Arbeit, deswegen sind nur die sv-pflichtig Beschäftigten erfasst. Die anderen – immerhin noch einmal ein Drittel davon – zählt niemand. So dass man mit einiger Berechtigung sagen kann, dass über 100.000 Menschen jeden Tag oder jede Woche nach Leipzig kommen, um hier Geld zu verdienen.

Parallel steigt ja bekanntlich die Zahl der Leipziger, die in Leipzig selbst einen sv-pflichtigen Job haben. Von 2013 bis 2014 stieg diese Zahl allein von 200.063 auf 207.765. Das ist schon kein Schneckentempo mehr. Da entstehen eine Menge Arbeitsplätze im Herzen der Region.

Und drumherum?

Auch da wirkt sich die positive Konjunktur aus. Die Zahl der Leipziger, die außerhalb von Leipzig einer sv-pflichtigen Arbeit nachgehen, ist seit 2000 von 35.025 auf 53.710 gestiegen. Und da die Arbeitsagentur vergleichen kann, ob Wohn- und Arbeitsort identisch sind oder nicht, können Leipzigs Statistiker auch sagen, wohin die meisten Leipziger pendeln und woher die ganzen Einpendler kommen.

Bei Letzterem ist es eigentlich klar. Die meisten Einpendler kommen direkt aus den angrenzenden Landkreisen Leipzig und Nordsachsen, praktisch sofort gefolgt von Halle, dem Saalekreis und dem Burgenlandkreis, aus Anhalt-Bitterfeld und dem Altenburger Land. Wer in der Region Leipzig-Halle lebt, der erlebt sie als einheitlichen Wirtschaftsraum.

Was auch für die Leipziger zutrifft, die etwa um Bitterfeld-Wolfen oder Leuna einen Industriearbeitsplatz gefunden haben. Aber auch nach Dresden pendeln sie, nach Berlin, NRW oder Bayern. Wie sie es genau tun, das erfasst die Statistik natürlich nicht. Die gibt nur auf die Frage Antwort, ob Wohn- und Arbeitsort vielleicht identisch sind. So dass man auch die alten Tatsachen bestätigt sieht, dass im Grunde fast alle kleinen und mittleren Städte rund um Leipzig mit der großen Metropole eng verflochten sind – zumeist fahren mehr Bewohner des Umlandes zur Arbeit nach Leipzig als umgekehrt. Aber es gibt auch Städte, die haben ein Pendlerplus gegenüber Leipzig, weil sich dort einfach große Unternehmen angesiedelt haben – wie in Schkeuditz mit dem Flughafen, dessen Pendlerplus seit Jahren gewachsen ist.

Zwischen 2010 und 2013 war der Leipziger Pendlerüberschuss übrigens gesunken: Durch die Entwicklung im direkten Umland war die Zahl der Auspendler stärker gestiegen als die Zahl der Einpendler. Aber 2014 war das Wachstum der Beschäftigung in Leipzig wieder so groß, dass der Pendlerüberschuss wuchs. Auf 37.653 mittlerweile.

2014 war – wenn man die Meldungsarchive durchforstet – aus Sicht der diversen Wirtschaftsinstitute ein flaues Jahr – mit viel Gejammer und düsteren Zukunftsprognosen. Die Beschäftigungsentwicklung sagt: Das Gegenteil war der Fall. Die Steuerbilanz deutet übrigens auch in die Richtung. Mit 271 Millionen Euro Gewerbesteuer hatte Leipzig ein (für sächsische Verhältnisse) Spitzenergebnis. Die Zahlen aus dem ersten Quartal lassen zumindest die Hoffnung keimen, dass es 2015 so weitergeht. Immerhin kommt da Geld rein, das Leipzig dringend braucht, um für das Bevölkerungswachstum auch die nötigen Kitas und Schulen zu bauen.

Und auch um die wachsende Bevölkerung haben sich die Statistiker im neuen Quartalsbericht gekümmert. Kleinteilig, auf dass wir was lernen über den Humus der Stadt.

Dazu gibt’s morgen mehr an dieser Stelle.

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