Einige Medien waren ja schon recht flott dabei, fröhliche Meldungen über die Leipziger Luftqualität im Jahr 2015 zu verbreiten. Etwa zur Feinstaubbelastung. 2015 ist tatsächlich das erste Jahr seit Beginn der Messungen, in dem an den beiden relevanten innerstädtischen Messstationen die Maximalzahl der Tage mit Grenzwertüberschreitungen unterboten wurde.

Aber wer die 2010 eingeführte Umweltzone für den “Erfolg” verantwortlich macht, ist wahrscheinlich auf dem falschen Dampfer. Wobei durchaus offen ist, was eine Stadt wie Leipzig tatsächlich dafür tun kann, damit sich die Luftqualität nachhaltig verbessert. Nicht alle 49 Maßnahmen, die im 2009 verabschiedeten Luftreinhalteplan aufgelistet sind, sind gleichermaßen wirksam. Nicht alle sind umgesetzt und auch bei den umgesetzten Maßnahmen ist man oft über einen zaghaften Beginn nicht hinausgekommen.

Und mit dem Jahr 2015 wird auch die Belastung mit Stickstoffdioxid zum Thema. Hier wurde Leipzig die Einhaltung der Grenzwerte nur gestundet, eigentlich hätte die Stadt auch schon 2013 die von der EU geforderten Grenzwerte einhalten müssen, hat sie aber nicht. Seit 2015 ist ja nun weltweit bekannt, woran das zum Teil gelegen haben könnte: an keineswegs sauberen Dieselmotoren selbst in fabrikneuen Fahrzeugen.

Deswegen ist es natürlich etwas eng gefasst, wenn man sich bei der Luftbelastung nur auf die Tage mit Grenzwertüberschreitungen bei Feinstaub konzentriert.

Aber die Zahl erhellt zumindest ein wenig, wie schnell die Luftqualität in Leipzig kippt, wenn entsprechende Wetterlagen dafür sorgen, dass zum Beispiel geheizt werden muss. Mehrere Nachfragen im Leipziger Stadtrat in der Vergangenheit hatten zum Beispiel ergeben, dass die Verwaltung keineswegs einen Überblick hat, wer in Leipzig noch oder wieder mit Festbrennstoffen heizt. Wenn die Temperaturen in den Frostbereich gehen, werfen augenscheinlich immer noch hunderte Haushalte die Öfen an oder machen es sich auch mal mit keineswegs modernen Kaminen gemütlich.

Wenn dann noch sogenannte Inversionswetterlagen dazu kommen, die dafür sorgen, dass die kalte Luft über Leipzig regelrecht festgehalten wird, dann lädt sich diese Luftmasse selbst dann mit Feinstaub auf, wenn nicht geheizt wird. Ein Extrem erlebten die Leipziger ja sogar 2011, gleich nach Inbetriebnahme der Umweltzone. Da gab es nicht nur in der hochbelasteten Lützner Straße 69 Tage mit Feinstaub-Grenzwertüberschreitung, sondern auch am Hauptbahnhof 63. Das war fast das Doppelte der maximal erlaubten 35 Tage. 2012 wurde die Marke mit 37 und 39 Tagen schon knapper verfehlt.

Aber spätestens 2013 war klar, dass Leipzig das Problem keineswegs im Griff hatte.

Da gab es zwar am Hauptbahnhof mit 33 Tagen ein knappes Unterbieten der Maximalzahl, in der Lützner Straße waren es aber trotzdem wieder 41 Tage.

Und 2014 sah es mit 34 und 43 Tagen ganz ähnlich aus. Und das, obwohl die Lützner Straße in den Vorjahren aufwendig erneuert wurden war. Was freilich nichts daran ändert, dass die Straße als Bundesstraße zu den stark befahrenen Straßen in der Stadt gehört. Und man kann Wetten darauf abschließen, dass es in der Straßenschlucht Jahnallee, die die B 87 ebenfalls passiert, genauso schlechte Werte gäbe, wenn denn mal jemand messen wollte. Dass Leute sich da elegant in Freisitze setzen, gehört wohl schon zur Narretei einer auf schönen Schein bedachten Gegenwart.

Das Jahr 2015 nun ist in dieser Reihe eine gewisse Ausnahme. An der Messstation Leipzig-Mitte in der Nähe vom Hauptbahnhof wurden bis Dezember nur 17 Tage mit Grenzwertüberschreitung bei Feinstaub (PM 10) gemessen, in der Lützner Straße waren es 27. Unübersehbar waren im relativ warmen Jahresbeginn weniger Tage mit Grenzwertüberschreitung zusammengekommen als in anderen Jahren davor, Zeichen dafür, dass in Leipzig weniger Kohleöfen angeschmissen wurden und auch weniger schon mit Feinstaub belastete Luft von außen eingetragen wurde.

Und wie gesagt: Feinstaub bildet nur einen Teil der Luftbelastung ab. Ein anderer Bestandteil der Luft, die Stickstoffdioxide, ist seit 2015 endgültig ein hartes Kriterium. Diese Belastung stammt fast ausschließlich aus dem Verkehr. Und deshalb sind gerade die verkehrsreichen Straßen in den Großstädten davon betroffen. Schon für das Jahr 2014 bilanzierte das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie: “Der NO2-Stundengrenzwert von 200 μg/m³ als Indikator für eine akute Kurzzeitbelastung wurde 2014 in Sachsen flächendeckend eingehalten. Der Jahresgrenzwert von 40 μg/m³ zur Beurteilung einer Dauerbelastung wurde an den verkehrsnahen Messstellen in Dresden-Bergstraße, und Chemnitz-Leipziger Straße überschritten. In Leipzig konnte an der Messstelle Leipzig-Mitte mit 40 μg/m³ erstmals der Jahresgrenzwert eingehalten werden.”

Zu beachten: “Die EU (Europäische Kommission 2013) genehmigte mit Beschluss vom 20.02.2013 für diese Städte eine Verlängerung der Frist zur Einhaltung des NO2-Jahresgrenzwertes bis spätestens 01.01.2015.”

Da in Leipzig nur an der Messstation Leipzig-Mitte gemessen wird, hat man dazu auch nur diese eine Messreihe (wobei auch hier ziemlich sicher ist, dass es in der Lützner Straße oder der inneren Jahnallee nicht besser aussehen wird).

Und während das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie für das Jahr 2014 noch lobte, sah es 2015 schon wieder deutlich schlechter aus: Wurde im Januar das Monatsmittel von 40 μg/m³ noch knapp unterboten, ist der maximale Mittelwert seitdem jeden einzelnen Monat gerissen worden. Ein deutliches Zeichen dafür, dass Leipzig in der Verkehrsorganisation etwas ändern muss. Und wohl auch dafür, dass mittlerweile deutlich mehr Dieselfahrzeuge unterwegs sind als noch 2010 – und zwar nicht nur neue, sondern auch uralte: ganze Oldtimerflotten, die überhaupt keine Grüne Plakette erwerben müssen und vom TÃœV ihre Fahrtauglichkeit bescheinigt bekommen haben.

Und dass das Problem mit dem Verkehr zu tun hat, zeigen die täglichen Belastungskurven an dieser Stelle – sogar in einer eher arbeitsfreien Zeit wie am 31. Dezember: In den Morgenstunden wurden hier noch niedrige 20 bis 30 μg/m³gemessen. Mit Beginn des Tagesverkehrs schnellten die Werte auf 40 bis 50 μg/m³ hoch.

Ob die EU bei solchen Zahlen Verständnis für die Leipziger Verkehrspolitik zeigt, darf bezweifelt werden.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Solange die EU nicht konkret Strafzahlungen gegen Leipzig verhängt, juckt das Rumgeningel wegen irgendwelcher “Messungen” weder die Leipziger noch die Stadt Leipzig und erst recht nicht die IHK, die muss ja nicht zahlen.

Brüssel, fang endlich mit den Strafmaßnahmen an!

Schreiben Sie einen Kommentar