Für FreikäuferEs ist mal wieder Bundestagswahlkampf und die üblichen Akteure fordern landauf, landab Steuersenkungen. Die beiden großen Parteien haben milliardenschwere Steuergeschenke in ihren Wahlprogrammen. Aber nicht nur Jens Weidmann, Präsident der Bundesbank, warnt vor diesem Wählerkauf. Denn tatsächlich hat die Bundesrepublik riesige Finanzierungslöcher. Jeder erlebt sie in seiner eigenen Heimatkommune.

„Wenn der Staat in einer solchen Wirtschaftslage gerade einmal eine schwarze Null in seinem Haushalt schaffe, dann schreibe er – um konjunkturelle Einflüsse bereinigt – in Wirklichkeit rote Zahlen, warnte Weidmann. Zusätzliche dauerhafte Ausfälle durch eine Steuerreform könne er sich deshalb nicht leisten“, schreibt der „Spiegel“ zu Weidmanns Warnung. Die man ernst nehmen sollte. Der Brexit steht ja auch noch vor der Tür und damit höhere finanzielle Anforderungen an die Bundesrepublik.

Und der Blick in die Kommunen zeigt, dass sich der Bundesfinanzminister seine Bilanzen geschönt hat, während die Kommunen einen riesigen Investitionsstau aufgebaut haben, den sie aus eigener Kraft nicht abarbeiten können.

In der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der sächsischen Bundestagsabgeordneten Susanna Karawanskij (Linke) zu kommunalen Investitionen gibt das Bundesministerium für Finanzen (BMF) unumwunden zu, dass es den Investitionsrückstand in den Kommunen nicht beziffern kann und dafür auch keine griffigen Instrumente kennt.

Daraufhin wird das KfW-Kommunalpanel als kaum politisch verwertbar abgewatscht, so Karawanskij.

Übrigens eine Aussage, der man eigentlich zustimmen möchte. Denn die Summen, die das KfW-Kommunalpanel nennt, klingen viel zu niedrig. Nur 32,8 Milliarden Euro Investitionsstau bei Schulen, wo allein eine Stadt wie Leipzig kurzfristig auf 500 Millionen, mittelfristig eher auf 1,5 Milliarden Euro Investitionsbedarf bei Schulen kommt? Da haben wohl viele Kämmerer, die für das Panel angefragt wurden, sehr tief gestapelt und lieber gar nicht erst benannt, was sich da in den Jahren mit Haushaltskonsolidierungsprogrammen alles aufgestaut hat.

Das reicht in Leipzig vom ÖPNV über ein immer weiter gestrecktes Straßen- und Brückenprogramm bis zum Schulbauprogramm, das allein bis 2020 Investitionen von rund 500 Millionen Euro braucht, bis hin zu Kitas, Museen, Verwaltungsgebäuden, Wohnungen und auch den Investitionen in Energie- und Wasserstruktur.

Das Kommunalpanel betont übrigens, dass vor allem die andauernde Niedrigzinsphase vielen Kommunen geholfen hat, ihre Überschuldung etwas in den Griff zu bekommen und wieder mehr in Substanz zu investieren.

Wer auf Grundlage einer vorübergehenden Niedrigzinsphase glaubt, Steuern senken zu können, der reitet die Republik sehenden Auges in eine komplizierte Situation.

Susanna Karawanskskij: „Der kommunale Investitionsstau ist in der Tat um 10 Milliarden Euro auf 126 Milliarden Euro in 2016 gesunken, und man darf annehmen, dass er noch ein bisschen weiter sinken wird. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass sich die Bundesregierung offensichtlich auf den bisherigen und den zu erwartenden Finanzierungsüberschüssen ausruht. Gewiss wurde von Bundesebene einiges finanziell für die Kommunen getan. Aber es ist evident, dass dies nur ein Anfang sein kann: 126 Milliarden Euro Investitionsrückstand sind doch kein Pappenstiel! Und daneben fehlen dauerhaft höhere und stabilere Einnahmen für die Städte und Gemeinden.“

Aber da beginnt dann ein Problem, das auch in Sachsen kaum diskutiert wird. Denn zu Recht weist die Bundesregierung darauf hin, dass für eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen die Bundesländer zuständig sind. Was aber passiert, wenn die sich für die Investitionszwänge der Kommunen nicht interessieren und das Geld lieber in riesigen Fonds horten? So wie Sachsen?

Die Not bleibt groß. Stattdessen werden die Kommunen zu strengen Haushaltsführungen gezwungen, werden selbst die notwendigsten Investitionen unter Haushaltsvorbehalt gestellt – und damit letztlich immer wieder verschoben, bis sich ganze Bugwellen millionenschwerer Haushaltsrückstellungen, die schlicht nicht abgearbeitet werden können, auftürmen. Über 200 Millionen Euro sind das derzeit in Leipzig.

„Auch wenn einige Kämmerer mal kurz durchschnaufen können, ist die Zukunft der Kommunalfinanzen noch ungewiss“, fasst Karawanskij, Sprecherin ihrer Fraktion für Kommunalfinanzen und Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages, die Erkenntnisse aus ihrer Anfrage zusammen. „Es gibt zwar durchaus in manchen Städten und Gemeinden Überschüsse und in der Gesamtschau konnte der Investitionsstau ganz leicht abgebaut werden, aber in der Realität ist die Handlungsfähigkeit vieler Kommunen stark eingeschränkt, und der Mangel in Infrastruktur und an Geld wird nur noch verwaltet. Es klafft immer noch eine riesige Investitionslücke. Doch davor verschließt die Bundesregierung die Augen und sonnt sich im Augenblick. Sollte die Grundsteuer tatsächlich ausgesetzt werden, droht den Kommunen schnell Ungemach, wenn Geld aus der drittwichtigsten Gemeindesteuer fehlt. Vorausschauende Politik – nicht gerade eine Stärke dieser Bundesregierung – ist nun nötig, um die Schere zwischen armen und reichen Kommunen weiter zu schließen. Deshalb fordert Die Linke auch eine umfassende Gemeindefinanzreform.“

Aber das Wegducken der Bundesregierung bei der gesetzlich klaren Regelung der Grundsteuer kann erhebliche Probleme bringen, wie Karawanskij betont: „Sollte das Bundesverfassungsgericht wie schon bei der Vermögensteuer auch die Grundsteuer aussetzen, drohen den deutschen Städten und Gemeinden Einnahmeausfälle in Höhe von 13,654 Milliarden Euro, wie das BMF angibt.“

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