Für die Leipziger Arbeitsagentur ist der April schon vorbei. Am Freitag, 27. April, lieferte sie schon die Zahlen zum noch nicht ganz abgelaufenen Monat. Aber man kennt das ja. In Ämtern und Behörden freut man sich schon zu Weihnachten auf die ganzen Brückentage. „Die neuen Arbeitsmarktzahlen zeichnen wieder ein erfreuliches Bild und belegen den alljährlich wiederkehrenden Frühjahrsaufschwung“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Steffen Leonhardi.

„Sie stehen aber auch für die saisonunabhängige sehr positive wirtschaftliche Entwicklung. Das Engagement aller Akteure für den Arbeitsmarkt bleibt dennoch wichtig. Immerhin gibt es noch über 21.000 arbeitslose Menschen in der Stadt Leipzig“, so Leonhardi.

Wenn das so weitergeht, wird es in Leipzig in Bälde mehr freie Stellen als Arbeitslose geben. Die Zahl der als frei gemeldeten Stellen steigt unentwegt an – von knapp 3.000 im Jahr 2012 auf mittlerweile 7.377. Im gleichen Zeitraum ist die offiziell registrierte Arbeitslosigkeit von 32.349 auf 21.328 gesunken. Mit Betonung auf der offiziellen Zählung. In Wirklichkeit sind deutlich mehr Menschen unterbeschäftigt.

Die stärksten Rückgänge gab es übrigens im SGB II – von 25.800 auf 15.031.

Insgesamt waren im April 21.328 (Vormonat 21.771) Männer und Frauen in Leipzig arbeitslos gemeldet. Der Rückgang im Vergleich zum März betrug 443 Personen und innerhalb der letzten 12 Monate ist die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen in Leipzig um 2.505 zurückgegangen. Was übrigens eine sehr schöne Zahl zum Vergleichen ist.

Denn gleichzeitig meldet ja die Arbeitsagentur, dass in Leipzig übers Jahr 6.647 neue Beschäftigungsverhältnisse entstanden sind. Die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse wächst in Leipzig also zum größten Teil aus Zuwanderung. Was auch ungefähr hinkommt, wenn auf 4.000 neue Jobs rund 10.000 zusätzliche Einwohner kommen.

Und zumindest von der Wirtschaftsseite her wird das so weitergehen. Denn 7.377 Stellen werden ja aktuell als frei gemeldet.

Das Problem ist nur: Es fehlt der Nachwuchs.

Denn mittlerweile suchen Unternehmen sachsenweit händeringend nach Personal. „Auch in den nächsten Wochen werden viele Menschen eine neue Arbeit finden. Denn es sind über 39.000 freien Arbeitsstellen zu besetzen – ein neuer Rekordwert. Das ist aber kein Grund für zu große Euphorie“, sagte am Freitag Klaus-Peter Hansen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit (BA). „Die Wirtschaft sucht Fachkräfte, wir packen an und helfen dabei.“

Es hilft nur nicht viel, wenn es an Schulabgängern mangelt. Denn den gemeldeten 39.000 Stellen stehen im Jahr nur 30.000 Schulabgänger gegenüber. Wenn Sachsen keine Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte organisiert, wird die Lücke von derzeit 9.000 fehlenden Nachwuchskräften immer größer werden.

Noch können das viele Unternehmen irgendwie abpuffern. Aber in einigen Branchen – wie dem Baugewerbe – führt das längst dazu, dass Unternehmen nicht mehr expandieren und Aufträge nicht mehr annehmen, weil das vorhandene Personal komplett ausgelastet ist.

Und die Lücke kann man auch mit den verbliebenen Arbeitslosen nicht einfach stopfen. Viel zu viele wurden viel zu lange vom richtigen Arbeitsmarkt ferngehalten. Ihnen fehlen meist Qualifikation und Motivation. Die Jobcenter behaupten zwar gern, sie hätten alle notwendigen Vermittlungsinstrumente. Aber so richtig passt es dennoch nicht. Denn tausende Dauer-Betreute kommen aus der Hilfsbedürftigkeit nicht heraus.

ntwicklung der offiziellen Arbeitslosenzahlen in Leipzig. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Entwicklung der offiziellen Arbeitslosenzahlen in Leipzig. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Da passt die Botschaft schlicht nicht zu den Zahlen.

Nur langsam schmilzt der riesige Berg an Leistungsberechtigten ab.

In Leipzig gab es im April 36.971 Bedarfsgemeinschaften. Das waren 155 weniger als im Vormonat und 2.379 weniger als im April des Vorjahres. Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 46.869 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat betrug dort der Rückgang 71 Personen. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl um 2.595 Personen.

Das ist ein sehr langsames Abschmelzen, wenn man die wachsende Zahl freier Stellen dagegenhält. Und wenn man bedenkt, dass über 1.000 SGB-II-Empfänger jedes Jahr ins Rentenalter kommen.

Im Klartext heißt es nur, dass alle Branchen noch viel mehr Nachwuchsprobleme bekommen werden – von der Industrie über die längst alarmierte Gesundheits- und Pflegebranche bis zur IT-Wirtschaft und zum öffentlichen Dienst.

Wo derzeit besonders gesucht wird, hat die Landesarbeitsagentur einmal summiert: Die meisten freien Stellen sind im Bereich der Zeitarbeit (11.751) zu besetzen. Einen hohen Bedarf haben daneben Betriebe aus dem Verarbeitenden Gewerbe (5.413), dem Gesundheits- und Sozialwesen (3.617), dem Bereich Handel/Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (3.139), dem Baugewerbe (3.071), dem Gastgewerbe (1.929), den freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (1.916), im Bereich Verkehr und Lagerei (1.626) und der Öffentliche Dienst (1.132).

Die Zeitarbeit verzerrt das Bild an dieser Stelle – denn viele Unternehmen nutzen das Instrument, um eigentlich vollwertige Arbeitsplätze besetzt zu bekommen – und zwar vor allem die Industrie, gefolgt von Logistik und Sicherheitsbranche.

Die „Frühjahrsbelebung“ sorgt zwar für ein neuerliches Absinken der offiziellen Arbeitslosenzahlen. Aber sie macht auch noch deutlicher sichtbar, dass Sachsen und Leipzig sich beim Berufsnachwuchs in eine Sackgasse entwickelt haben, der die Berater in den Arbeitsagenturen recht hilflos gegenüberstehen.

Was Leonhardi eigentlich nur umschreibt, wenn er sagt: „Unsere direkten Kontakte zu den Arbeitgebern Leipzigs zeigen uns, dass die Anforderungsprofile von Stellen und die zur Verfügung stehenden Qualifikationen von Bewerbern mitunter nicht ausreichend zusammenpassen. Deshalb ist es ausgesprochen wichtig, den konkreten Bedarf der Arbeitgeber zu kennen, um Qualifizierungen daran ausrichten zu können.“

„Auch für den Mai rechne ich mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosenzahl“, meinte Leonhardi noch. „Damit wird sich die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt weiter fortsetzen.“

Ist ja Frühling. Der belebt das Geschäft. Wie jedes Jahr.

Nur sieht es ganz so aus, dass die Zahl der als frei gemeldeten Stellen in diesem Sommer noch deutlich ansteigen wird.

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