Wachstumsprobleme hat ja bekanntlich nicht nur Leipzig. Dieselben Kümmernisse gibt es in den viel reicheren Städten München und Frankfurt. Fast alle deutschen Großstädte erleben derzeit ein exorbitantes Bevölkerungswachstum, das dort die Haushalte genauso an die Grenzen bringt wie das knapp verfügbare Bauland. Auch im Westen ziehen die jungen Leute in Scharen vom Dorf in die Großstadt. Darauf sind die Städte allesamt nicht vorbereitet.

Denn gleichzeitig veröden die ländlichen Räume, verlieren die Dörfer und kleinen Städte ihre Jugend und geraten auch in eine psychische Abwärtsspirale. Gleichzeitig kommen Städte wie Leipzig beim Bauen von Schulen, Kindertagesstätten und bezahlbaren Wohnungen nicht hinterher. Und das, obwohl Leipzig auch regelmäßig seine Bevölkerungsvorausschätzungen veröffentlicht, um wenigstens eine Ahnung davon zu bekommen, wie viel von allem in fünf, zehn oder zwanzig Jahren gebraucht wird.

Was noch nicht heißt, dass man auch alles gebaut bekommt.

Am Wohnungsmarkt ist es ja überdeutlich, dass bestimmte Wohnungssegmente fehlen. Obwohl sie gebraucht werden und die entsprechenden Zahlen vor allem junger Menschen, die demnächst eine Familie gründen und Kinder bekommen, auch in die Bevölkerungsvorausberechnung eingeflossen sind.

So sind für städtische Planungen vor allem die Entwicklung von Anzahl und Größe der Leipziger Haushalte relevant. Insgesamt ist bis 2040 mit einem Zuwachs von etwa 35.000 Haushalten – rund zehn Prozent – zu rechnen. Was den prognostizierten 65.000 Einwohner/-innen mehr entspricht.

Im Detail aber wird es dann spannend: Während die Anzahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte im Prognosezeitraum jeweils um rund neun Prozent ansteigt, wächst die Zahl der Haushalte mit drei (+ 15 Prozent) oder vier Mitgliedern (+14 Prozent) überdurchschnittlich stark an. Maßgeblich hierfür ist vor allem der starke Zuwachs an Erwachsenen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren – diese gründen entweder gerade eine Familie oder haben bereits Kinder.

Ihnen nutzt es nichts, wenn vor allem Wohnungen für Zwei-Personen-Haushalte gebaut werden. Sie brauchen große Wohnungen – aber im bezahlbaren Bereich. Die Stadt hat zwar für solche Wohnungen ein eigenes Förderprogramm aufgelegt, aber das deckt nur einen geringen Teil der wahrscheinlich benötigten 9.000 Wohnungen für Mehr-Personen-Haushalte ab.

Gleichzeitig sinkt in einigen Ortsteilen die Zahl der Single-Haushalte – schlicht aus Altersgründen. Denn viele dieser Single-Haushalte sind Haushalte allein lebender Rentner/-innen.

Was in Grünau – so zeigen es die Berechnungen – eine deutliche Veränderung der Bewohnerschaft nach sich ziehen wird: Aus einem Stadtteil, in dem die Senior/-innen dominierten, wird einer, in dem Familien mit mehreren Kindern zunehmend das Bild bestimmen.

Und die Zahlen sind nicht ausgedacht – sie sind im Grunde die logische Folge aus der starken Zuwanderung vor allem junger Menschen in den vergangenen zehn Jahren: Diese jungen Leute, die meist zur Ausbildung nach Leipzig kamen, sind alle schon da, haben teils schon Kinder oder werden in den nächsten Jahren Kinder bekommen, also Wohnungen suchen, in denen auch Platz für das Kind oder die Kinder ist. Und sie werden Stadtteile bevorzugen, in denen die Mieten (noch) erschwinglich sind, was eine solche Entwicklung nicht nur in Grünau wahrscheinlich macht, sondern auch in Reudnitz, Stötteritz und Wahren.

Was nicht nur Folgen für die dort liegenden Schulen und Kitas hat, sondern auch für Radwege und ÖPNV, auch wenn diese beiden Infrastrukturthemen im Quartalsbericht nicht angesprochen werden.

Dafür wird das Thema Fertilität angesprochen. Denn zu Recht treibt die Statistiker auch die Frage um, warum die Geburtenzahlen in Leipzig schon wieder fallen, obwohl doch so viele junge Menschen in der Stadt wohnen.

Dazu gleich mehr im nächsten Beitrag zum Quartalsbericht IV/2019.

Wie der Leipziger Wohnungsmarkt den Bevölkerungszuwachs ausgebremst hat

Wie der Leipziger Wohnungsmarkt den Bevölkerungszuwachs ausgebremst hat

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