Das Drama nimmt seinen Lauf. So kÜnnte man die Meldung des Statistischen Landesamtes vom 5. September ßberschreiben. Denn das hat jetzt einmal vorgerechnet, wie viele Arbeitskräfte Sachsen allein in den nächsten sieben Jahren verloren gehen werden. Am 31. Dezember 2022 hatten 1.649.504 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ihren Arbeitsplatz im Freistaat Sachsen. Das durchschnittliche Alter dieser Beschäftigten betrug 43,2 Jahre.

Knapp 17 Prozent der Beschäftigten waren im Alter von unter 30 Jahren, reichlich neun Prozent noch unter 25 Jahren. Dagegen hatte gut ein Prozent der Beschäftigten bereits das 65. Lebensjahr ßberschritten. Elf Prozent der am Jahresende in Sachsen Beschäftigten waren schon 60 Jahre und älter.

Ausgehend von einem Renteneintritt mit 65 Jahren werden bis zum Jahr 2030 voraussichtlich rund 19 Prozent der jetzt in Sachsen Beschäftigten diese Beschäftigung aufgeben – also Menschen, die derzeit im Alter von 57+ sind. Da sind die sogenannten Babyboomer, deren Altersjahrgänge besonders stark sind und durch die deutlich schwächeren Berufsanfängerjahrgänge nicht mehr ersetzt werden können. Bis zum Jahr 2035 werden das nach derzeitigem Stand alle Beschäftigten im Alter von 52 und mehr Jahren und damit fast 32 Prozent der Beschäftigten sein.

Zu sehen sind die prognostizierten Arbeitskräfteverluste nach Landkreisen und Kreisfreien Städten. Grafik: Freistaat Sachsen. Statistisches Landesamt
Die prognostizierten Arbeitskräfteverluste nach Landkreisen und Kreisfreien Städten. Grafik: Freistaat Sachsen. Statistisches Landesamt

Aus heutiger Sicht wird diese Entwicklung bis 2030 regional sehr unterschiedlich verlaufen, stellen die Landesstatistiker fest. Während die Kreisfreien Städte, allen voran die Stadt Leipzig, die geringsten projizierten Anteile aufweisen, liegen alle Landkreise bei 20 Prozent und mehr Verlust bis 2030. Am hÜchsten fällt der Anteil der ausscheidenden Beschäftigten mit 21,8 Prozent im Vogtlandkreis aus.

Bis ins Jahr 2035 werden die regionalen Unterschiede noch deutlicher sichtbar. Ausgehend von den Beschäftigten am Jahresende 2022, die 52 Jahre und älter waren, werden 2035 in der Stadt Leipzig knapp 27 Prozent der Beschäftigten das Rentenalter erreichen. Dies wäre auf Kreisebene der niedrigste Anteil in Sachsen. Dagegen kÜnnten im Vogtlandkreis fast 36 Prozent aus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausscheiden.

Auf Gemeindeebene betrachtet, werden aus heutiger Sicht bis zum Jahr 2030 drei Gemeinden mehr als jeden dritten Beschäftigten verlieren. Es gibt aber auch sechs sächsische Gemeinden, in denen der Anteil der Ausscheidenden voraussichtlich unter 15 Prozent liegt.

Die auf dem Kopf stehende, sächsische Alterspyramide. Grafik: Freistaat Sachsen, Statistisches Landesamt
Die auf dem Kopf stehende sächsische Alterspyramide. Grafik: Freistaat Sachsen, Statistisches Landesamt

Auch in Leipzig wird es dĂźnner

Was aber im Ganzen trotzdem keine Entspannung bedeutet. Denn zum Beispiel in Leipzig bedeutet das, dass die im Dezember 2022 erreichte Beschäftigtenzahl von 290.000 bis 2030 wieder um rund 46.000 abnimmt. Das sind 46.000 Stellen, die dann nicht mehr besetzt werden können. Bis 2035 sind es sogar knapp 78.000 Stellen. Und das in einer Stadt, in der – wenn man die freien Stellenangebote nimmt – heute schon fast 10.000 Bewerber fehlen.

Und in den Zahlen sind die nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigten noch nicht einmal enthalten. Das sind noch einmal rund 422.000 Personen sachsenweit, die natßrlich derselben demografischen Entwicklung unterliegen, sodass bis 2030 in Sachsen nicht nur die vom Landesamt errechneten 317.332 Arbeitnehmer/-innen dem Arbeitsmarkt verloren gehen werden, sondern insgesamt rund 397.000 Personen.

Von denen dann freilich viele in Lohn und Brot bleiben werden, denn parallel kommen immer mehr Erwerbstätige ins Renteneintrittsalter, die in Folge der ruppigen Arbeitsmarktpolitik der vergangenen 30 Jahre nicht einmal eine auskömmliche Rente erwarten können und deshalb – oft in Teilzeit – weiterarbeiten. Und viele Unternehmen werden auch versuchen, auch die möglichen Ruheständler so lang wie möglich in der Firma zu halten, weil sie wissen, dass es auf dem ausgedünnten Bewerbermarkt kaum noch Nachschub gibt.

Und gleichzeitig verteidigt ein erzkonservativer sächsischer Innenminister die Abschottungs- und Abschiebepraxis, die schon seine Vorgänger verfolgten, obwohl Sachsen auch die Zuwanderung dringend benÜtigt. Ohne dieser Zuwanderung wäre der Arbeitskräftemangel in Sachsen heute schon wesentlich schärfer ausgeprägt.

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