Die wichtigste Größe, eine Stadt zu steuern, ist ihre Bevölkerungszahl und deren Entwicklung über die Zeit. Immer wieder schauen sich Leipzigs Statistiker/-innen die Entwicklung an und versuchen daraus auch Prognosen für die nächsten Jahre abzuleiten. Denn da geht es um Kita- und Schulplätze, um Sozialetats und Wohnungen. Aber viele Faktoren kann eine Stadt auch nicht beeinflussen. Zumindest nicht mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen. Auch das macht die jüngste Auswertung aus der Reihe „Analysen zur Stadtgesellschaft“ sichtbar.
Im Stadtrat gibt es ja mittlerweile wieder grimmige Diskussionen um die Planungen der Stadt. Meist vorwurfsvoll aus konservativer Ecke, die Stadt hätte den starken Geburtenrückgang nicht rechtzeitig bemerkt und entsprechend reagiert. Als hätte man dort schon vor zwei Jahren gewusst, dass aus dem furiosen Leipziger Wachstum auf einmal eine Situation werden würde, in der der Stadt die Kinder ausgehen. Zwar noch nicht ganz. Aber die Geburtenzahlen sind drastisch eingebrochen und bringen natürlich alle Planungen der Stadt für Kitas und Schulen durcheinander.
Und so kommt auch Christoph Bein, der Autor des Aufsatzes „Die Leipziger Bevölkerung im Wandel“, der die demografischen Daten seit den 1990er Jahren interpretiert, zu dem Schluss: „Die Prämissen des Leipziger Bevölkerungswachstums haben sich seit den 2010er Jahren stark verändert. Zuzüge aus dem Ausland sowie dem restlichen Bundesgebiet sind inzwischen der Motor des Zuwachses, bis Ende der 2010er Jahre trugen noch insbesondere die steigenden Geburtenzahlen dazu bei.“
Aber die sind seit zwei Jahren deutlich rückläufig. Und das hat Folgen. Auch für den Arbeitsmarkt.
Die Zeit des Wachstums
Da hilft auch der Stolz auf einen Spitzenwert nicht: Leipzig hatte unter den Städten über 500.000 Einwohner seit 2011 den mit Abstand höchsten Einwohnerzuwachs zu verzeichnen. Die Bevölkerungsentwicklung verlief dabei in drei Phasen: In den 2000er Jahren war Leipzig von einem langsamen, stetigen Wachstum geprägt, das der wirtschaftlichen Entwicklung in der Messestadt folgte. Nach 2010 beginnt ein rapides städtisches Wachstum, genährt von Zuzug aus dem In- und Ausland sowie steigenden Geburtenzahlen.
Seit 2017 schließlich hat sich das Bevölkerungswachstum in Leipzig verlangsamt, weil weniger Kinder geboren werden und viele Menschen ins Umland abwandern. Die inzwischen moderaten Überschüsse speisen sich daher aktuell aus der anhaltend hohen Auslandszuwanderung sowie aus dem restlichen Bundesgebiet. Ende 2024 waren insgesamt 632.562 Menschen mit Hauptwohnsitz in Leipzig gemeldet, ein Anstieg um noch 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Wobei über der Zahl 632.562 ein Damoklesschwert hängt seit dem Zensus 2022, nach dessen Hochrechnung Leipzig rund 20.000 Einwohner wenige haben soll. Eine kalte Dusche nicht nur für den Finanzbürgermeister, denn an dieser Zahl hängen unter anderem die Finanzzuweisungen des Freistaats. Eine Menge Geld, das ja trotzdem benötigt wird
Veränderte Ströme
In das Thema Zuwanderung gehört natürlich auch die Frage, woher Leipzig überhaupt noch seine Zuwanderung bekommt und damit auch seinen Fachkräftehunger stillt. Und auch das zeigen die Grafiken deutlich: Den größten Zuwachs erhält Leipzig durch die Zuwanderung aus dem Ausland. Seit 2016 ist das die dominierende Zuwanderungsgröße (mit einer Spitze im Jahr 2022 durch die aus der Ukraine geflüchteten Menschen), gefolgt von Zuwanderung aus Westdeutschland.
Zwar war der Saldo der Zuwanderung aus Ostdeutschland bis 2019 höher als der aus Westdeutschland, aber längst macht sich bemerkbar, dass es aus Ostdeutschland immer weniger junge Menschen gibt, die in die Großstadt zuwandern können. 2023 rutschte der Saldo der ostdeutschen Zuwanderung sogar ins Negative, stieg dafür 2024 wieder an.
Aber da lohnt sich der Blick aufs direkte Umland. Und dort ist die Lage seit 2015 eindeutig: Leipzig verliert permanent Bevölkerung an das direkte Umland. Das sind oft genug junge Familien mit Kindern, was dann wieder die Leipziger Kinder- und Geburtenzahlen beeinflusst. Aber es bedeutet eben nicht, dass nun die umliegenden Landkreise ein markantes Bevölkerungswachstum erleben. Denn auch in den Landkreisen ist die Geburtenrate deutlich zurückgegangen.
Über die Gründe macht sich der Autor des Berichts sehr ausführliche Gedanken. Dazu gleich mehr im nächsten Beitrag.
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