Transparenz? - Öh, Transparenz ... - Man sieht einige Amtsleiter und Sachbearbeiter regelrecht ins Stutzen geraten bei diesem Wort. Ihre Stirnen runzeln sich, ihre Haltung wechselt in Abwehr. - Transparenz fängt gar nicht erst beim Bürger an. Auch wenn das einige Bürger glauben. Die Probleme mit der Transparenz beschäftigen auch die gewählten Stadträte, die nicht nur zürnen, wenn sie - wie im Juli 2012 - wieder einmal mit Eilanträgen zugeschüttet werden.

Es ist schon erstaunlich, was sich Leipzigs Volksvertreter alles gefallen lassen. Das Überschütten mit “eilbedürftigen” Vorlagen kurz vor der Stadtratssitzung ist nur ein Teil des Problems. Vielleicht nur Zeichen dafür, dass im Verwaltungsdenken nicht wirklich mehr ein Verständnis dafür existiert, dass der Job eines Stadtrates in Leipzig – trotz “Aufwandsvergütung” – immer noch ein Ehrenamt ist. Die meisten Stadträte sind berufstätig – als Angestellte oder auch Selbstständige. Sie kümmern sich um ihre Stadtratsaufgaben nach Arbeitsschluss. Und wer auch nur die elektronisch verfügbaren Dokumente zu jeder Stadtratssitzung durchblättert, bekommt eine Ahnung von der notwendigen zusätzlichen Arbeit, die die 70 gewählten Stadträtinnen und Stadträte eigentlich leisten müss(t)en.

Sie müssen sich mit den Problemen aller sieben Ressorts beschäftigen, mit Förderregeln, Haushaltsplänen und Entwicklungsplänen, mit steigenden Kinderzahlen und Zuweisungsschlüsseln, mit Vergütungsmodellen und den Strukturen von Eigenbetrieben, mit Luftreinhalte- und Verkehrsentwicklungsplänen. Und nahezu endlos so weiter. Die nachhaltige Steuerung der Kommune, die sie kontrollieren und austarieren sollen, ist komplex.

Eigentlich erwartet man da zumindest einen gewissen Standard in den Vorlagen. Aber den gibt es nicht.

Jetzt protestieren zwei Linke-Stadträte gegen die Schlamperei: die Sprecherin für Stadt und Wissenschaft, Dr. Ilse Lauter, und der finanzpolitische Sprecher Steffen Wehmann. Auf ihre Weise. Mit einem Fragenpaket.

“Seitens der Verwaltung werden dem Stadtrat in Abhängigkeit von der jeweiligen Thematik Vorlagen in unterschiedlicher Qualität und Quantität zur Abstimmung vorgelegt. Das betrifft zum einen die Übersichtlichkeit und Transparenz von Vorlagen, zum anderen aber auch die strukturelle Vergleichbarkeit in der Darstellung inhaltlich ähnlicher Vorgänge”, stellen sie fest. “So gibt es erhebliche Unterschiede in der Gliederung von Vorlagen oder der Darstellung finanzieller Folgen. Manche Vorlagen beantworten die wichtige Frage, welche Folgen bei Nichtumsetzung einträten, sehr ausführlich, andere stellen diese Frage überhaupt nicht.”In vielen Vorlagen vermisst man die Entscheidungskriterien “Finanzielle Auswirkungen” und “Auswirkungen auf den Stellenplan” mittlerweile völlig. Was eigentlich gar nicht passieren dürfte, denn finanzielle Auswirkungen hat jeder Beschluss. Wirklich jeder. Nur kann Manches in bestehenden Haushalten verrechnet werden, anderes führt sogar zu Einsparungen, wieder anderes erzeugt Folgekosten außerhalb des städtischen Haushaltes – auch das etwas, was Verwaltungsmitarbeiter nicht immer bedenken.

Und auch die eigentlich einmal aus guten Gründen eingeführten “Prüfungen der Übereinstimmung mit den strategischen Zielen” der Stadt, die der Stadtrat beschlossen hat, fehlen immer häufiger.

Diese beiden Ziele sind die “Schaffung von Rahmenbedingungen für Arbeitsplätze” und die “Schaffung von Rahmenbedingungen für eine ausgeglichenere Altersstruktur. Das Handeln der Stadt richtet sich auf Kinder, Jugendliche und Familien mit Kindern aus.”

Mehr zum Thema:

Leipziger Stadträte überfordert? – Ratssitzung beginnt mit Unmut über Tagesordnung
Stadtrat, ehrenamtlicher Politiker sein, ist manchmal angesichts …

Der Stadtrat tagte: Verwaltungsstandpunkt zur Gläsernen Verwaltung
Schon eine ganze Weile hängt ein Antrag …

Projekt Gläsernes Rathaus: Leipzig wartet sehnsüchtig auf den Open-Government-Prototypen des BMI
Am 12. Dezember reichte die FDP-Fraktion …

Beschlossen, weil man sich in Stadtrat und Verwaltung sehr wohl bewusst war, dass alle Stadtratsbeschlüsse auch diese Ziele tangieren und positiv oder negativ beeinflussen können. Egal, ob es ein Bebauungsplan ist, eine neue Gebührenordnung oder Geld für ein Soziokulturelles Zentrum. Verwaltungsinstanzen, die sich mit dem Thema beschäftigen müssen, handeln nachhaltiger. Zumindest dann, wenn sie dieses Denken verinnerlichen. Tun sie es nicht, schädigen sie die künftige Entwicklung der Stadt.

So ist die Feststellung von Lauter und Wehmann eigentlich folgerichtig: “Vorlagen mangelnder Qualität erschweren den ehrenamtlichen Stadträten die Arbeit und können in der Sache zu fehlerhaften Entscheidungen beitragen. Eine standardisierende Regelung zu Mindestanforderungen an Vorlagen bzw. ihre Umsetzung würde diesen Mängeln abhelfen.”

Und weil selbst die beschlossenen Standards immer seltener erfüllt werden, wollen sie am 20. März in der Ratsversammlung drei Fragen samt Unterfragen beantwortet haben. Schriftlich bitte, damit sich hinterher keiner herausreden kann.

Die Fragen:

1. Gibt es in der Stadtverwaltung dokumentierte Regeln mit entsprechenden qualitativen Mindestanforderungen an die Ratsvorlagen?

2. Wenn ja,
a. In welcher Vorlage sind diese Regelungen dokumentiert?
b. Wie werden diese umgesetzt?
c. Wann wird dieses Dokument dem Stadtrat zur Verfügung gestellt?

3. Wenn nein,
a. Sind solche Regelungen gewollt?
b. Wann wird es solche Regelungen geben?

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar