Die NPD hat am Dienstag, 18. Februar 2014 ihre Leipziger Kandidaten für die Kommunalwahl am 25. Mai per Pressemitteilung und im Netz bekannt gegeben. Obwohl es sich bei der Stadtratswahl um eine "Personenwahl" handelt, der Listenplatz also keine zwingende Rolle hat, wird ein Listenplatz 2 von Bewerbern besonders geliebt, zeigen doch die ersten Plätze auf den Wahllisten eine gewisse Tendenz. Die der NPD ist eindeutig: Jünger, brutaler, näher an der Straße.

Bei der Kommunalwahl 2009 konnte die NPD in Leipzig je ein Mandat in den Wahlkreisen 1 und 2 erringen. Die damals Gewählten, Klaus Ufer und Rudi Gerhardt, erwiesen sich als personelles Desaster. Beide konnten im Stadtrat zeitweilig mit Redebeiträgen glänzen, welche hier und da eher kabarettistisches Potential bargen, wären sie nicht ernst gemeint gewesen, oft genug den sachlichen Rahmen verließen und schlicht verpufften. Auch in der Ausschussarbeit fanden beide keinen Platz, da die Fraktionsstärke von vier Mitgliedern bei der Wahl 2009 nicht erreicht wurde. Rudi Gerhardt kehrte der Partei Ende 2012 sogar ganz den Rücken und sitzt seitdem als parteiloser Stadtrat im Saal.

Die Beteiligung der beiden Stadträte an den demokratischen Prozessen im Rat kann man durchaus in der Rückschau als wirkungslos bezeichnen, für ihre Wähler konnten sie wenig erreichen.

Wo sich die NPD noch 2009 in den Ortsteilen Schönefeld-Abtnaundorf, Schönefeld-Ost, Thekla, Plaußig-Portitz, Neustadt-Neuschönefeld, Volkmarsdorf, Heiterblick (Wahlkreis 1) und in den Ortsteilen Anger-Crottendorf, Sellerhausen-Stünz, Paunsdorf, Mölkau, Engelsdorf, Baalsdorf, Althen-Kleinpösna (Wahlkreis 2) mit den eher gemäßigt wirkenden Kandidaten Ufer und Gerhardt durchsetzen konnten, haben sich die Listen an den Spitzenplätzen 2014 in nahezu allen Wahlkreisen stark verändert.

In Wahlkreis 1 belegt Enrico Böhm den vordersten Listenplatz, in Wahlkreis 2 ist Kai Mose der Listenführer. Böhm war jahrlanges Mitglied der Hooligan-Vereinigung namens “Blue Caps”. Eine Organisation, die aufgrund ihres Wirkens im Stadion und im Umfeld der Odermannstraße 8 bereits Erwähnung im Verfassungsschutzbericht Sachsens fand. Mose stammt ebenfalls aus der Lok-Szenerie, jobbt als selbstständiger Sicherheitsmann.
JN-Kader Alexander Kurth, Kandidat im Wahlkreis 9, werden ebenfalls Fußball-Connections nachgesagt. Bei der Gründung der spätestens seit der Demonstration am 3. Februar 2014 vom Verfassungsschutz beobachteten Initiative “Gohlis sagt Nein” – zum Moscheebau der Ahmadiyya-Gemeinde im Stadtteil lief Kurth bereitwillig in die Kamera von “Spiegel TV”. Zwar anwesend sei er, aber vorgeblich nicht mit der Initiative verbandelt. Dies darf mittlerweile nach dem weiteren Verlauf der Ereignisse rings um die gemeinsam mit “Leipzig steht auf” veranstalteten Demonstration vom 3. Februar 2014 an der Asyl-Notunterkunft in Schönefeld bezweifelt werden.

Daniel Kaempf, wie Böhm aus den Reihen der “Blue Caps” stammend, ist wegen einschlägiger Delikte seit vielen Jahren polizeibekannt.

Ohnehin scheint bei der Vergabe der vordersten Listenplätze die “Straßentauglichkeit” der Kandidaten das meiste Gewicht gehabt zu haben. Kurth und Mose haben bereits Haftstrafen verbüßt. Böhm hatte vielfach mit der Justiz zu tun. Als er im Oktober 2010 einen rechten Aufmarsch durchführen wollte, lehnte ihn das Ordnungsamt als unzuverlässigen Anmelder kurzerhand ab und verbot die Veranstaltung. Die spontane Anmeldung einer Kundgebung mit Fackeln im Dezember 2013 vor der Flüchtlingsunterkunft in Schönefeld gelang ihm dagegen. Bei Lok Leipzig hat Böhm seit Jahren Hausverbot.

Mit dem Studenten Daniel Speck und dem Ingenieur Matthias Koch konnte die Partei augenscheinlich nur zwei Akademiker zu einer Kandidatur überreden. Altgediente Parteimitglieder finden sich 2014 überwiegend auf den hinteren Listenplätzen. Der langjährige Kreisvorsitzende Helmut Herrmann, zugleich Ehrenvorsitzender der Sachsen-NPD, und Stadtrat Klaus Ufer haben keine realistischen Aussichten auf ein Mandat.

Dass Böhm, Mose, Kurth oder Kaempf auf den aussichtsreichen Listenplätzen auftauchen, könnte der chronischen Personalnot des Kreisverbands geschuldet sein. Andererseits stellt sich angesichts der in der Mädlerpassage gefertigten PR-Bilder die Frage, ob man NPD-intern längst auf neuem Kurs ist. Hin zu einer Neuinterpretation der “seriösen Radikalität” des ausgeschiedenen NPD-Chefs Holger Apfel. Weg von “seriös” hin zu mehr “Radikalität”.
Wahlkreis 0: Thomas Lindemann
Wahlkreis 1: Enrico Böhm (Unternehmer IT Branche)
Wahlkreis 2: Kai Mose (selbständig im Sicherheitsgewerbe)
Wahlkreis 3: Daniel Kaempf (selbständig Fotograf)
Wahlkreis 4: Karsten Boden (selbständig im Sicherheitsgewerbe)
Wahlkreis 5: Daniel Speck (Student)
Wahlkreis 6: Detlev Teich (Rentner)
Wahlkreis 7: Axel Radestock (selbständiger Händler)
Wahlkreis 8: Romy Kurth (Angestellte)
Wahlkreis 9: Alexander Kurth (Landschaftsgärtner)
Wahlkreis 0: Zentrum, Zentrum-Ost, Zentrum-Südost, Zentrum-Süd, Zentrum-West, Zentrum-Nordwest, Zentrum-Nord, Marienbrunn
Wahlkreis 1: Schönefeld-Abtnaundorf, Schönefeld-Ost, Thekla, Plaußig-Portitz, Neustadt-Neuschönefeld, Volkmarsdorf, Heiterblick
Wahlkreis 2: Anger-Crottendorf, Sellerhausen-Stünz, Paunsdorf, Mölkau, Engelsdorf, Baalsdorf, Althen-Kleinpösna
Wahlkreis 3: Reudnitz-Thonberg, Stötteritz, Probstheida, Meusdorf, Liebertwolkwitz, Holzhausen
Wahlkreis 4: Südvorstadt, Connewitz, Lößnig, Dölitz-Dösen
Wahlkreis 5: Schleußig, Plagwitz, Kleinzschocher, Großzschocher, Knautkleeberg-Knauthain, Hartmannsdorf-Knautnaundorf, Grünau-Siedlung
Wahlkreis 6: Schönau, Grünau-Ost, Grünau-Mitte, Lausen-Grünau, Grünau-Nord
Wahlkreis 7: Miltitz, Lindenau, Altlindenau, Neulindenau, Leutzsch, Böhlitz-Ehrenberg, Burghausen-Rückmarsdorf
Wahlkreis 8: Möckern, Wahren, Lützschena-Stahmeln, Lindenthal, Gohlis-Süd, Gohlis-Nord
Wahlkreis 9: Mockau-Süd, Mockau-Nord, Gohlis-Mitte, Eutritzsch, Seehausen, Wiederitzsch

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