Woran liegt es, dass immer öfter Aufgaben verzögert werden, Projekte sich verspäten, Leipziger ewig auf Rückmeldungen der Ämter warten müssen? Liegt es daran, dass es zu wenig Leute gibt für die Aufgaben? Dass auch der Einstellungstopp in der Verwaltung dazu führt, dass das System an seine Grenzen kommt? Das treibt nun augenscheinlich den neu gewählten FDP-Fraktionsvorsitzenden René Hobusch um. Er hat eine besorgte Anfrage dazu gestellt.

Nicht nur zum Kita-Personal will er wissen, ob es punktuell schon zu Überlastungen kommt. Auch in der städtischen Verwaltung vermutet er solche Verschleißerscheinungen. “Nach § 15 bzw. § 16 Arbeitsschutzgesetz sind Arbeitnehmer angehalten, dem Arbeitgeber eine Überlastung anzuzeigen, wenn davon eine Gefährdung der eigenen Gesundheit oder Sicherheit sowie der Gesundheit oder Sicherheit anderer Personen ausgehen kann”, schickt er seinem Fragenpaket vorweg. Und andere Fraktionen staunen: Entdeckt die FDP jetzt ihr Herz für Arbeitnehmer? Das wäre eine kleine Revolution.

Die sechs Fragen, die René Hobusch formuliert hat und zur Ratsversammlung am 16. Juli gern beantwortet haben möchte:

1. Wie hoch ist die Zahl der Überlastungsanzeigen städtischer Mitarbeiter in den Jahren 2011, 2012 und 2013 absolut sowie durchschnittlich pro Jahr und Mitarbeiter insgesamt, pro Dezernat und pro Amt?

2. Gibt es innerhalb der Ämter Häufungen von Überlastungsanzeigen in bestimmten Sachgebieten? Wenn ja: In welchen und wie hoch ist die Zahl der Überlastungsanzeigen?

3. Wie geht die Stadt Leipzig grundsätzlich mit Überlastungsanzeigen um?

4. Wie geht die Stadt Leipzig mit gehäuftem Auftreten von Überlastungsanzeigen in bestimmten Bereichen (Ämter, Sachgebiete etc.) um?

5. Welche Maßnahmen hat die Stadt Leipzig in den letzten Jahren unternommen, um die Zahl der Überlastungsanzeigen zu reduzieren?

6. Erfolgt ein Vergleich von Überlastungsanzeigen in einzelnen Tätigkeitsbereichen mit anderen Städten? Wenn nein: Warum nicht? Eine Besorgnis, die nun besonders die Grünen irritiert. War denn die FDP nicht immer Befürworter eines weiteren Personalabbaus?

“Der FDP-Stadtrat Hobusch ist seit Jahren gern Lautsprecher, wenn es um die vermeintliche Erneuerung der Stadtverwaltung geht. Immerzu fordert er eine schlankere Verwaltung und einen fortwährenden Stellenabbau, weg vom großen und trägen Verwaltungsapparat. Dabei vergisst er jedoch, dass alle Stellenkürzungen auch zu größerer Arbeitsverteilung und damit stärkeren Personalbelastungen führen”, kommentiert jetzt Ingo Sasama, verwaltungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion die Anfrage. “Sich erst für Stellenstreichungen und Nichtbesetzung freiwerdender Stellen einzusetzen und nun die Verwaltung durch ständige Anfragen nach den Überlastungsanzeigen an den Pranger zu stellen, erscheint absurd. – Auch meine Fraktion hat sich seit Jahren für Verbesserungen in den Verwaltungsabläufen und effizientere Strukturen engagiert, dies auch mit entsprechenden Anträgen untersetzt. Dabei haben wir immer betont und mit Anträgen eingefordert, dass auch der Stellenaufbau oder Umbesetzungen in bestimmten Bereichen notwendig sind. Erinnert sei hierbei an unsere Initiativen zu zusätzlichen Einstellungen für die Bürgerämter, Standesamt oder auch für eine Verbesserung der Antragsverfahren und Fristverkürzungen im Jugendamt.”

Und ohne Personal kommt man auch in der Vermittlung von Kindertagesplätzen nicht weiter, ergänzt Michael Schmidt, Sprecher für Familienpolitik der Grünen-Fraktion dazu. Da würden auch noch so detaillierte Anträge zur einer besseren Kitaplatz-Vermittlung nicht helfen. Selbst für die von der FDP beantragte Schiedsstelle müsste neues Personal eingestellt werden. Der Antrag der FDP-Fraktion steht am 16. Juli zur Ratsversammlung zum Beschluss an.

“Die aktuelle Forderung der FDP nach Einrichtung einer Schiedsstelle im Amt für Jugend, Familie und Bildung ist ebenso nichts als purer Populismus”, meint Michael Schmidt. “Seit langem fordern wir mehr Personal in der Beratung von Eltern, die auf der Suche nach einem Kitaplatz sind und haben eine Modernisierung des Kitaplatz-Portals auf unsere Initiative hin beschlossen, welche endlich im Herbst kommen wird. Jetzt noch eine Schiedsstelle mit Personal auszustatten, wo man doch schon Jahre um zusätzliche Beratungskräfte buhlte, ist nichts als Augenwischerei. Vor allem vor dem Hintergrund einer klaren Rechtslage, nämlich dem bestehenden Rechtsanspruch auf eine Kinderbetreuung ab dem zweiten Lebensjahr, braucht es keine Schiedsstelle, die zwischen der Beratungsstelle des Fachamtes und der Verwaltungs-/Sozialgerichte agiert. Auch die anderen formulierten Forderungen der FDP-Fraktion wie bspw. der schnelleren und unbürokratischen Einstellung von Tagesmüttern (wo sich doch seit Monaten gar keine Interessenten oder auch geeignete Personen mehr finden) oder der Öffnung der Tagespflege für über 3jährige Kinder entbehren jeglicher Realität und lassen ein tatsächliches Problembewusstsein vermissen.”

Der FDP-Antrag zur “Soforthilfe für Eltern ohne Kitaplatz”, der auch die Einrichtung einer Schiedsstelle fordert: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/50492882A0D7D9A6C1257C9A00293B19/$FILE/V-a-524_NF2.pdf

Der Verwaltungsstandpunkt zum FDP-Antrag: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/21E389935716C848C1257CED00201DB6/$FILE/V-a-524-vsp.pdf

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar